Süddeutsche Zeitung

Cosplay:Sakura, die japanische Prinzessin

Ein Leben als Comicheld: Daniela ist deutsche Cosplay-Meisterin. Sie kann in 106 unterschiedliche Rollen schlüpfen.

Stephanie Peters, SZ-Jugendseite

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Stephanie Peters ist 22 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

Seit über eine Stunde blockiert Daniela schon das Badezimmer. Niemand darf sie ablenken, jeder Handgriff muss sitzen. Vorsichtig zieht sie ein weißes Shirt über den Kopf. Es ist selbstgenäht, ebenso wie alles andere an ihrem Körper. Nichts darf kaputt gehen, jedes Detail muss perfekt sein: die kleinen Löckchen der hellbraunen Perücke, der Haarschmuck mit seinen unzähligen Münzen, das Make-up, das sie so unschuldig aussehen lässt.

Daniela setzt sich Kontaktlinsen ein. Nun erstrahlen ihre Augen grün statt braun. Ein letzter Blick in den Spiegel. Perfekt. Sie ist nicht länger Daniela. Jetzt ist sie Sakura. Sakura, die Prinzessin aus dem Königreich Clow, die ihre Erinnerung verloren hat und alles dafür tut, diese nun wiederzuerlangen.

Sakura ist nicht echt. Sie ist nur eine gezeichnete Figur aus der japanischen Manga-Serie "Tsubasa Reservoir Chronicle". Aber Daniela ist echt. Sie hat sich das Kostüm von Sakura selbst genäht - eine Verkleidung, dank der die junge Frau aus Ottobrunn vor wenigen Tagen zur Deutschen Cosplay-Meisterin gekürt wurde.

Cosplay ist ein Trend aus Japan, der in den letzten zehn Jahren auch in Deutschland einen immer größer werdenden Bekanntheitsgrad erreicht hat. Dabei geht es darum, sich wie eine fiktiven Figur aus einem japanischen Zeichentrickfilm, Comic (Anime und Manga) oder auch Videospielen zu verkleiden. Ziel ist es, der Figur aus dem Manga optisch so ähnlich wie nur möglich zu werden.

Mit Hilfe von Perücken, Kontaktlinsen und selbstgenähten Kostümen sind Cosplayer wahre Verwandlungskünstler - an einem Tag ist man eine Kämpferin in Rüstung und am nächsten wieder ein niedliches Schulmädchen. Daniela kann in 106 unterschiedliche Rollen schlüpfen. Sakura ist aber eine von Danielas Lieblingsfiguren: "Ich habe mich für das Kostüm entschieden, weil es relativ einfach aussah. Ich wollte mich nicht in den Details des Kostüms verlieren. Aber das Ganze hat sich dann doch komplizierter als gedacht herausgestellt."

Knapp 300 Euro hat sie in dass Kostüms gesteckt, fast 40 Meter Baumwoll-Satin und Seide sind darin verarbeitet. Das kostet. Genauso die Perücke, die sie in einem amerikanischen Cosplay-Laden bestellt hat.

Schmuckkristalle aus Gießharz gegossen

Diese Kosten sind nichts im Vergleich zu ihrem persönlichen Einsatz: Mehr als 200 Arbeitsstunden hat sie in das Kostüm investiert - zusätzlich zu ihrem Job in einem medizinischen Labor: "Ich habe auf der Arbeit Nachtschichten geschoben, damit ich tagsüber an dem Kostüm nähen konnte", gibt Daniela zu. Sie ist perfektionistisch: Die Schmuckkristalle an dem Kostüm hat sie aus Gießharz selbst gegossen, damit sie die richtige Größe haben - auch wenn sie damit das Haus ihrer Eltern verpestet hat. Selbst die unzähligen Münzen hat sie aus einer PVC-Hartschaum-Platte ausgestanzt.

Daniela ist schon lange Cosplayer, seit knapp zehn Jahren. "Aber erst seit fünf Jahren traue ich mich auch an größere und aufwendigere Kostüme heran", sagt sie. "Ich schlüpfe gerne in andere Rollen und spiele schon immer gerne Theater", begründet sie ihre Begeisterung für dieses Hobby. Aber auch das Nähen bereite ihr sehr viel Spaß: "Jedes Kostüm ist eine Herausforderung und ich lerne bei jedem Cosplay etwas Neues dazu: beim Erstellen der Schnittmuster, beim Stylen der Perücken, beim Basteln. Man sieht den Erfolg, die eigene Steigerung. Das ist sehr schön", erklärt sie.

Daniela trägt ihre Kostüme nicht im Alltag, sondern nur zu besonderen Anlässen wie Conventions, also Messen für Fans. Daniela findet diese Treffen toll: "Ich liebe Conventions! Dort kann ich meine Freunde aus ganz Deutschland treffen. Durch Cosplay habe ich wirklich unglaublich viele tolle und kreative Menschen kennengelernt, die heute zu meinen besten Freunden gehören."

Eines der wichtigste Treffen der Cosplayer ist die Deutsche Meisterschaft - hier wird ganz genau auf die Verarbeitung und die Umsetzung aller Details geachtet, es kommt aber auch auf den zwei Minuten dauernden Auftritt an. Daniela muss in ihrer Rolle als Sakura überzeugt haben: beste Wertung, erster Platz.

"Ich habe mir zwar eine vordere Platzierung erhofft", gibt sie zu, aber mit dem Titel habe sie nicht gerechnet: "Ich kann es immer noch gar nicht fassen! Ich bin total überwältigt!" Daniela geht es auch gar nicht so sehr um den Preis den sie gewonnen hat - übrigens eine Reise nach Japan, Hotel für eine Woche Tokyo inklusive: "Mit dem Geld, dass ich in den vergangenen Jahren an Kostümen ausgegeben habe, hätte ich schon dreimal nach Japan fliegen können. Aber ich hätte auch eine Menge Spaß weniger gehabt."

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Stephanie Peters ist 22 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2009/sonn
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