30 Jahre lang gibt es schon die Idee, die Leopoldstraße und die Ludwigstraße für ein, zwei Tage den Autos wegzunehmen – und sie ganz denen zu überlassen, die zu Fuß gehen. „Geht nicht“, hieß es von der Stadtverwaltung damals, „wenn, dann muss auch was passieren auf der Straße.“ Diese Bedingung haben der Verein „Corso Leopold“ und das „Zamanand“-Festival auch am Wochenende wieder erfüllt: Streetfood, Musikbühnen, Infostände zu Öko-Projekten, Partei-Infobuden, Lichtkunst auf dem Siegestor und mittendrin ein Fußballfeld für „Bunt kickt gut“ – ein buntes Angebot.
Zum Besucherrekord reichte es dieses Wochenende trotzdem nicht: Bei sechs Grad Kälte und Regen haben sich Florian Krammers Fischsemmeln, die er vom eigenen „Forellenhof Schönwag“ aus Wessobrunn nach München gebracht hat, zwar prima frisch gehalten. Nur fehlte ihm an seinem Stand an der Münchner Freiheit zumindest am Samstag ebenso das Publikum wie etwa auch dem Bier-Verkaufsstand des bio-zertifizierten Haderner-Bräu am anderen Ende der Feiermeile, nahe dem Odeonsplatz.
„Mehr als fünf Bier hab’ ich nicht verkauft heute“, scherzte der junge Verkäufer am Samstagabend – und hatte trotz der Kälte nur deshalb gute Laune, weil sie noch rechtzeitig die Idee hatten, einen riesigen Elektrokocher auf die Zapfanlage zu stellen. Glühwein zu vier Euro aus netten Steingut-Bierkrügeln war ein ziemlicher Renner. Damit hat der Haderner Bräu vermutlich seine eigene Bilanz nachhaltig verbessert.
Ums Thema „Nachhaltigkeit“ geht es beim Verein „Corso Leopold“ derzeit noch in ganz anderem Maßstab: Die Stadt hat das Straßenfest als Modellprojekt auserkoren, um grundsätzlich untersuchen zu lassen, wie so ein Festival konsequenter ökologisch, Energie- und Müll-bewusst werden könne. Vereinsvorsitzender Andy Keck ist begeistert und verweist darauf, dass ihm und dem „Corso“ schonender Umgang mit Ressourcen immer schon wichtig gewesen sei. Ein Beispiel seien die Kompost-Trockentoiletten, die beim Festival aufgebaut würden anstelle von Chemieklos.
Ob da noch mehr gehe, will die Klima- und Umweltpsychologin Nadja Hirsch nun zusammen mit der Nachhaltigkeitsberaterin Dana Vogel herausfinden. Sie erforsche beim Festival, wie es um Nachhaltigkeits-Parameter stehe: Wie reist das Publikum an, woher kommen die Stände, wie reist deren Personal an?
Dass ausschließlich Ökostrom verwendet werde, sei schon geklärt, sagt Hirsch, die einst für die FDP im Stadtrat und auch im Europaparlament saß. Sie will rechtzeitig vor den 2025er-Festivals Resultate vorlegen, wie „das Festival klimafreundlicher wird und zugleich weiter eine gewisse Leichtigkeit und Spaß vermittelt“. Da gehe es auch um die Frage, „welche Maßnahmen akzeptiert werden und wie man’s vermitteln kann“.
Eher ausgebremst wirkten am Samstag hingegen alle, die das Festival mit Essen, Trinken oder Kultur bestückt haben. Sie zogen zwar ihre Angebote durch, als herrschten spätsommerliche 26 Grad, als tummelte sich halb München – wie das in den Vorjahren schon der Fall war – auf der Feiermeile. Gut 30 Helferinnen und Helfer waren allein für den Corso Leopold im Dauereinsatz. Am Siegestor spielte am Samstagabend eine Bläsercombo, deren Publikum kaum mehr Köpfe zählte als das Orchester. Auf der „Sing & Swing“-Bühne stand passenderweise vorne ein kleiner Elektro-Ofen und imitierte die wärmende Glut eines Kaminfeuers, fürs spärlich vorhandene Publikum waren unter anderem fünf Rodelschlitten nebst Fellbezügen als Sitzgelegenheiten angerichtet.
Mundartsängerin und Gitarristin Helga Brenninger sang auf der „Lederhos’n“-Bühne mit ihrer Band erst „I mog de Ruah“, danach den Blues „Mia is so fad“, und Florian Krammer mit seinem menschenleeren Fischstand direkt nebenan fühlte sich verstanden. Er bewahrte tapfer und heiter Haltung: „Mia san ja freiwillig da!“ Und wurde am Sonntag wenigstens durch besseres Wetter und mehr Publikum belohnt.