Altstadt:Mehr Platz für Fußgänger und Radler während der Pandemie?

Fahrradstraße in München, 2020

An der Sparkassenstraße sind die Radler schon privilegiert. Mehr Raum könnte geschaffen werden, wenn 2200 oberirdische Stellplätze in der Altstadt wegfallen würden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Grünen fordern im Zentrum per Eilantrag eine Neuordnung des Straßenraums - zumindest in der Corona-Zeit. Andere Metropolen haben bereits entsprechend reagiert.

Von Julian Raff

Wenn schon das innerstädtische "Gewurl" nicht zum immateriellen Kulturerbe Münchens gehört, dann wenigstens die Granteleien darüber. So ganz auf den gewohnten Slalom verzichten muss freilich auch im fast gespenstisch entleerten Zentrum niemand. Immerhin wären da noch der gestiegene Radverkehr und die Abstandsregeln. Grund genug für den Bezirksausschuss Altstadt-Lehel, Corona-taugliche Verkehrskonzepte zu diskutieren, ein letztes Mal in der ablaufenden Amtsperiode und in einer auf fünf Mitglieder verkleinerten Notbesetzung.

Den Anstoß hatten die Grünen mit einem Eilantrag gegeben. Demnach sollte der BA den Stadtrat auffordern, "sich zeitnah mit der temporären, auf die Dauer der Pandemie beschränkten Neuordnung und möglicher Umwidmung des Straßenraums auseinanderzusetzen". Da vor allem der motorisierte Innenstadtverkehr seit Mitte März stark abgenommen habe, könnte die Stadt Radfahrern und Fußgängern mehr Platz zuweisen, zwecks Aufenthaltsqualität und Sicherheit. An internationalen Vorbildern fehlt es laut Grünen nicht: Brüssel hat die komplette Innenstadt in eine riesige Fußgänger- und Fahrradzone umgewandelt, für Fahrzeuge mit Ausnahmegenehmigung gilt Tempo 20.

Berlin und andere deutsche Städte schaffen sogenannte Pop-Up-Radwege, markieren also zeitweise neue Radstreifen auf der Fahrbahn ab. Wien weist temporäre Begegnungszonen ("Shared Space") aus, die sich Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt, auf Basis gegenseitiger Rücksichtnahme, teilen. Selbst aktuell schwer geprüfte Metropolen wie Mailand oder New York planen ähnliche Neuaufteilungen, heißt es im Antragstext mit üppigen Quellenangaben. Das Stadtratsplenum solle sich der Sache schnell annehmen, "nicht in vier Monaten", forderte Andrea Stadler-Bachmaier, Grünen-Sprecherin mit aussichtsreichen Ambitionen auf den künftigen BA-Vorsitz.

In der Sache lagen die Fraktionen nicht allzu weit auseinander, allerdings sahen Wolfgang Püschel (SPD) und Stefan Blum (CSU) die Sache besser beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) aufgehoben als beim Stadtrat und plädierten dafür, der BA solle sich mit konkreten, schnell umsetzbaren Straßenvorschlägen direkt an die Verwaltung wenden. Ein flächendeckendes Konzept müsste jedoch aus Püschels Sicht zuvor mit den Bürgern diskutiert werden. Es sei auch nicht allzu dringlich, da große Teile der Altstadt und des Lehels de facto von selbst zur Begegnungszone geworden seien. Per Stadtratsentscheid werde sich die Sache "bis Weihnachten" hinziehen, schätzt Blum. Kurzfristige Umwidmungen könne das KVR in Absprache mit der Polizei dagegen binnen Tagen organisieren, wie es bei Baustellen ja ständig geschehe.

Nach kurzer Diskussion einigten sich Stadler-Bachmaier, Püschel, Blum, der scheidende BA-Vorsitzende Wolfgang Neumer (CSU) und Marlene Lessel (FDP) auf die Forderung, lediglich den Isarradweg und die Achse Steinsdorf-/ Widenmayerstraße für eine kurzfristige Neuaufteilung ins Visier zu nehmen sowie die Nord-Süd-Querung durch die Altstadt via Alfons-Goppel-, Falkenturm-, und Sparkassenstraße, Viktualienmarkt und Oberanger.

An der Isar existiert zwar ein abgetrennter Radweg, auf dem es aber schon zu Normalzeiten eng wird, vor allem durch Schnellradler. Alfons-Goppel- und Sparkassenstraße sind bereits als Fahrradstraßen ausgewiesen, die Vorfahrt schafft aber auch nicht mehr Raum. Der ließe sich auf beiden Achsen am ehesten durch Sperrung von Kfz-Stellplätzen freimachen. BA-Chef Neumer ließ durchblicken, dass dies nicht seinen Wünschen entspricht, stimmte aber für den Kompromiss mit Blick auf die Ziele der neuen Rathausbündnisses und die neuen Mehrheiten im Gremium.

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