Süddeutsche Zeitung

Coronavirus und Oktoberfest:Es ist die falsche Zeit für ein Volksfest

Zum geplanten Start der Wiesn wird das Virus vielleicht seinen schlimmsten Schrecken verloren haben, gebannt wird es aber noch nicht sein. Das Oktoberfest sollte daher dieses Jahr nicht stattfinden.

Kommentar von René Hofmann

Die Versuche, den Glauben daran aufrechtzuerhalten, dass die große Sause vielleicht doch noch irgendwie stattfinden kann, haben etwas Rührendes. Eine "Wiesn light 2020" haben Schausteller und Wirte-Vertreter schon vor einiger Zeit ins Gespräch gebracht, ein Fest ausschließlich für Gäste aus der Region. Und in dieser Woche hat Albert Ritter, der Chef des Deutschen Schaustellerbundes, noch einmal versichert: Er könne sich das Oktoberfest in diesem Jahr durchaus noch vorstellen - wenn die Behörden helfen, Hygienemaßnahmen zu entwickeln.

Mit dem Mund-Nase-Schutz in die Geisterbahn? Herkunftskontrollen an den Eingängen zu den Bierzelten? Die Vorschläge offenbaren nur eines: Wie absurd die Vorstellung ist, das größte Volksfest der Welt könne sich der von der Corona-Pandemie gebeutelten Welt irgendwie entziehen. Der Wunsch ist verständlich, weil er so verlockend ist: Ein letzter Rest Frohsinn in einer Zeit, in der so vieles aus den Fugen geraten ist. Ein bisschen Anfeiern gegen die Unsicherheit. Ein paar Stunden Sorglosigkeit und Flucht in die Leichtigkeit. Nach dem, was das Oktoberfest immer verspricht, sehnen sich viele Menschen gerade jetzt besonders stark. Darauf zu hoffen, nur weil der Anstieg der Corona-Fälle inzwischen ein wenig gebremst erscheint, ist aber naiv.

Bis zum 3. Mai kein Miteinander, bis zum 31. August keinerlei Großveranstaltungen: Was in dieser Woche bundesweit beschlossen wurde, bedeutet faktisch das Aus für die Wiesn 2020 - und zwar in jeder Form. Zum geplanten Start am 19. September wird das Virus vielleicht seinen schlimmsten Schrecken verloren haben, es wird aber noch nicht endgültig gebannt sein. Ein Volksfest abzuhalten, wäre unverantwortlich - das lässt sich jetzt schon sagen. Die spannende Frage ist nur noch: Wer sagt es wann dem Volk?

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SZ vom 17.04.2020/amm
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