Folgen der Corona-Krise:Pappschachteln voller zurückgegebener Karten

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Weil große Konzerte in diesem Sommer nicht stattfinden können, geben viele ihre Eintrittskarten zurück. (Symbolbild) (Foto: Alessandra Schellnegger)

Rund 1400 Veranstaltungen wurden bei München-Ticket abgesagt - und das ist erst der Anfang. Doch es gibt auch Positives für die Branche: Hunderte Kunden verzichten freiwillig auf ihr Geld.

Von Jürgen Moises

Wir sind da. Für Stephan Rusch, den Geschäftsführer von München-Ticket, ist das die erste wichtige Botschaft an die Kunden. Die zweite sei, so erzählt der gebürtige Münchner mit weichem bairischen Timbre am Telefon: Bitte haben Sie Geduld. Denn auch wenn es manchmal "nicht ganz optimal" laufe, es am Telefon oder per E-Mail auch mal ein bisschen dauern könne, bekomme jeder, soweit möglich, eine persönliche Antwort. Und nicht nur eine "Standardansage" oder "Standardmail". Genau dafür stehe München-Ticket nämlich als größter regionaler Ticketanbieter seit 27 Jahren, meint Rusch, also dass man in den Kunden keine anonyme Masse sehe. Und an diesem Standard wolle er auch in dieser Krisenzeit festhalten. Nur ist das nicht immer so ganz einfach.

Warum? Nun, dafür muss man einen Blick in die Geschäftsstelle von München-Ticket an der Seidlstraße werfen, wo auch Rusch sein Büro hat. Dort stapeln sich seit Tagen Kartons mit zurückgegebenen Karten - weil eine Regelung es vorsieht, dass die Ticketanbieter bei ausgefallenen Events für den Veranstalter die stornierten Tickets archivieren. Diese zu bearbeiten, ist nun ein Teil des Jobs. Die vielen Kartons sind aber auch Vorboten dafür, was in den nächsten Wochen noch alles kommen kann.

Stephan Rusch ist der Chef von München-Ticket, er musste viele Angestellte in die Kurzarbeit schicken. (Foto: Robert Haas)

Rund 1400 Veranstaltungen, die das Unternehmen im Großraum München im Programm hatte, wurden inzwischen abgesagt - ungefähr 350 000 Tickets hatte man dafür verkauft. "Wenn wir jetzt noch über den Sommer nachdenken und über Großveranstaltungen, da werden wir ganz schnell in die Richtung von einer Million Tickets kommen", befürchtet Rusch. Fügt man jetzt noch hinzu, dass der aktuelle Kartenverkauf nicht mal ein Zehntel des Verkaufs im Vorjahreszeitraum ausmacht, dann bekommt man eine Ahnung davon, in welcher Krise die Kultur- und Veranstaltungsbranche derzeit steckt.

Zwar habe man bei München-Ticket gut gewirtschaftet, meint Geschäftsführer Rusch. Trotzdem habe man einen Großteil der Belegschaft nun nicht nur ins Home-Office, sondern auch in Kurzarbeit geschickt. Außerdem seien Spezialteams gebildet worden, die jetzt eine Veranstaltung nach der anderen abarbeiten sollen. Auf der Website oder am Telefon werden die Kunden gebeten: "Bitte behalten Sie Ihre Eintrittskarten vorerst." Letzteres habe neben der Überlastung laut Rusch auch damit zu tun, dass München-Ticket sozusagen nur als "Mittelsmann" fungiert. Das heißt: Erst wenn der Veranstalter eine "klare Ansage" gibt, ob etwa ein Konzert verlegt wird oder komplett ausfällt, erst dann könnten sie das den Kunden mitteilen oder auch die Rückabwicklung starten.

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Und die Veranstalter? Die warten wiederum auf die Politik und möchten für ihre Planung gerne wissen: Wie lange gilt das aktuelle Veranstaltungsverbot? Bei welcher Zahl fängt eine Großveranstaltung an? Mit was für Shows kann ich derzeit in den Verkauf gehen? Und wie sieht es mit dem versprochenen Gesetz für eine Gutschein-Lösung aus? Solche Zeitpläne, Regeln oder Vorgaben, das sei es, was der Branche derzeit "massiv" fehle.

Dass sich die Politik da schwertue, das könne er schon verstehen, sagt Rusch. Auch die allermeisten Kunden würden mit Verständnis reagieren. Mehr als 1000 hätten bereits bei "Deine Tickets für Kultur" mitgemacht - einer auf der Webseite von München-Ticket gestarteten Aktion, bei der man über ein Formular mitteilen kann, dass man im Falle einer Absage freiwillig auf die Rückforderung des Ticketpreises verzichtet. Dadurch seien bereits mehr als 100 000 Euro zusammengekommen, die man nun an die Veranstalter, an die Künstler oder Techniker auszahlen könne. Das mag zwar insgesamt nur ein kleiner Beitrag sein, aber es hilft mit, dass es mit dem Kulturleben weitergehen kann - irgendwann.

© SZ vom 29.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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