Süddeutsche Zeitung

Politik in München:Stadtrat beschließt Corona-Hilfen

  • Der Stadtrat hat in seiner vorerst letzten Sitzung beschlossen, städtische Zuschüsse für diverse Organisationen unverändert in gleicher Höhe zu überweisen, auch wenn sie wegen des Coronavirus derzeit kein Angebot zur Verfügung stellen.
  • So wolle man sicherstellen, dass die Systeme in der Stadt noch funktionieren, wenn die Krise überstanden ist, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).
  • Die Mieter kommunaler Immobilien sollen nicht gekündigt werden, wenn sie in Zahlungsverzug kommen. Das betrifft die Mieter städtischer Wohnungen ebenso wie Ladenbesitzer.

Von Dominik Hutter

Die Botschaft aus dem Rathaus ist klar: Die Corona-Krise soll möglichst nicht die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen der Stadt München zerstören. Die Vollversammlung des Stadtrats hat daher beschlossen, städtische Zuschüsse für diverse Organisationen auch dann unverändert in gleicher Höhe zu überweisen, wenn die Institutionen coronabedingt gar kein Angebot mehr zur Verfügung stellen. Oder nur noch eingeschränkt offen haben. Zu diesen Zuschussnehmern gehören kleine Theater ebenso wie Elterninitiativen oder soziale Organisationen.

Man wolle sicherstellen, so Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), dass "die Systeme nach der hoffentlich bald vorübergehenden Corona-Krise noch funktionieren". Dazu gehört es auch, städtische Gesellschaften liquide zu halten, die wegen ihrer niedrigen Eigenkapitalquote nur wenig Reserven haben. Dies betrifft beispielsweise die Olympiapark GmbH oder den Gasteig, die durch den Ausfall zahlreicher Veranstaltungen erhebliche Einkommensverluste hinnehmen müssen. Laut Rathauskreisen geht es um etwa 17 bis 20 Millionen Euro. Die Hilfe soll den Rettungsschirm ergänzen, den der Freistaat für private Wirtschaftsunternehmen aufgespannt hat.

Großzügig will sich die Stadt zeigen, wenn durch den voranschreitenden Shutdown die privaten wie gewerblichen Mieter kommunaler Immobilien in Zahlungsverzug geraten. "Niemand wird wegen Mietrückständen gekündigt", erklärte Reiter. Dies betrifft die Mieter städtischer Wohnungen ebenso wie Ladenbesitzer, im Rathaus beispielsweise. Reiter appellierte auch an private Vermieter, die Notsituation anzuerkennen.

Um rasch reagieren zu können, holte sich Reiter vom Stadtrat die Erlaubnis, notfalls eigenmächtig Entscheidungen über Corona-Hilfen treffen zu können. Denn der Stadtrat wird in den nächsten Wochen nur noch sehr begrenzt handlungsfähig sein. Bis zum 30. April, dem Ende der Amtsperiode des alten Stadtrats, sollen keine Ausschüsse mehr tagen. Auch die letzte Vollversammlung am 29. April wird nicht mit voller Besetzung stattfinden. Stattdessen tritt, wie sonst nur in Urlaubszeiten, der Feriensenat zusammen.

Reiter verabschiedete sich vorsorglich schon einmal vom Stadtrat in alter Besetzung, da er nicht weiß, ob es noch zu einem weiteren gemeinsamen Zusammentreffen kommt. Schließlich besteht die Gefahr, dass wegen behördlicher Anordnungen bald gar keine Sitzungen mehr stattfinden können. Oder dass der Stadtrat wegen Erkrankung oder Quarantäne vieler Mitglieder nicht mehr beschlussfähig ist. Infrage steht auch die für Anfang Mai geplante Vereidigung des neu gewählten Stadtrats im Festsaal des Alten Rathauses. Reiter zufolge wird für alle Fälle schon einmal geprüft, ob die Kommunalpolitiker der nächsten Amtsperiode notfalls auch ohne Eid ihr Mandat antreten können.

Reiter bat die Münchner um Gelassenheit, um Entschleunigung. Die aktuelle Herausforderung sei riesig. Unter anderem gelte es, die Leute zu überzeugen, nicht Klopapier in Unmengen oder "alle Nudelvorräte Deutschlands" aufzukaufen. Es bestehe eine Gesundheits-, aber keine Versorgungskrise. Wenn es so weitergehe, müsse Klopapier am Ende noch rationiert werden. Alle könnten dazu beitragen, "keine Panik zu schüren". Die gesamte Stadtverwaltung, so versicherte der Oberbürgermeister, ziehe an einem Strang, um alles am Laufen zu halten. Alle Referate seien beauftragt, bis Ende April Handlungskonzepte vorzulegen, wie die neue Herausforderung bewältigt werden kann.

Die Vollversammlung fand unter besonderen Bedingungen statt. Abgesagt werden konnte sie nicht mehr, da bereits offiziell eingeladen worden war und sich der Oberbürgermeister Vollmachten für dringliche Anordnungen erteilen lassen wollte. Und weil natürlich der Beschluss für die Corona-Hilfen gefällt werden musste. Besucher waren im Vorfeld gebeten worden, die Sitzung nach Möglichkeit über den Live-stream zu verfolgen und nicht auf die Zuschauergalerie zu kommen. Die Stadtratsfraktionen hatten sich geeinigt, nicht komplett, sondern proportional in abgespeckter Version zu erscheinen. Eine Mindestzahl von 41 musste eingehalten werden, da der Stadtrat sonst nicht beschlussfähig ist.

Im Großen Sitzungssaal war daher nur jeder zweite Stuhl besetzt, die Stadträte hielten (mit wenigen Ausnahmen) Abstand zueinander. Auch auf der Pressebank lag nur auf jedem zweiten Platz eine Tagesordnung, ein Schild erinnerte an die Einhaltung von Mindestabständen und Hygienevorschriften. Die Redaktionen waren aber bereits am Vortag gebeten worden, nur jeweils einen Vertreter in die Sitzung zu schicken. Für Besichtigungen, von Touristen etwa, ist das Rathaus inzwischen ohnehin gesperrt. Auch die Bürgersprechstunde des Oberbürgermeisters findet vorerst nicht mehr statt. Die Büros der Stadtverwaltung leeren sich, weil immer mehr Mitarbeiter ins Home-Office wechseln.

Mit Hochdruck laufen die Vorbereitungen für die Stichwahl zum Oberbürgermeister am 29. März. Sie findet zum ersten Mal als reine Briefwahl statt. Da es dann keine Wahllokale mehr gibt, sind weniger Helfer notwendig als in Runde eins. Zumal die Auszählung einer OB-Wahl mit zwei Bewerbern - Dieter Reiter (SPD) und Kristina Frank (CSU) - einen erheblich geringeren Aufwand bedeutet als das Auswerten der riesigen, durch Panaschieren und Kumulieren veränderten Bögen für die Stadtratswahl.

Die Auszählung soll - wie bei der Briefwahl üblich - auf dem Messegelände in Riem stattfinden. Diesmal allerdings in allen 16 Hallen. Schließlich müssen sämtliche Wahlzettel zentral ausgezählt werden, normalerweise sind für die Urnenwähler die Wahllokale zuständig. Mit der Ausdehnung auf 16 Hallen soll der Mindestabstand zwischen den Zählgruppen gewährleistet werden. Das Ergebnis der Bezirksausschusswahl wird an diesem Donnerstag erwartet.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2020/kaal
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