Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Japanisches Streetfood vom Sternekoch

In normalen Zeiten ist Tohru Nakamura für die Menüs im Werneckhof zuständig. Nun hat er etwas Neues probiert - und die Menschen stehen Schlange.

Von Franz Kotteder

"Na, da muss er aber aufpassen", denkt man sich an der Einfahrt zum Hof der Hohenzollernstraße 5, "dass das alles nicht unter das Verbot von Großveranstaltungen fällt." Denn die Schlange reicht hier hinaus bis auf den Gehsteig, die Leute aber warten geduldig im vorgeschriebenen und abmarkierten Sicherheitsabstand: links die spontan Entschlossenen, rechts die, die telefonisch vorbestellt haben. Und beide getrennt durch ein rot-weißes Absperrband. Ein Ordner registriert die Ankommenden und nimmt Bestellungen auf.

Eigentlich befindet sich hier das Boutique-Hotel Schwabinger Wahrheit, das zur Geisel-Gruppe gehört, aber bis zum 4. Mai hat es zwangsweise zu. Und so hat Tohru Nakamura, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneter Koch des Geiselschen Gourmetrestaurants Werneckhof, jetzt hier die Chance, ein Projekt zu verwirklichen, das er immer schon umsetzen wollte. "Bisher hat uns dazu die Zeit gefehlt", sagt er. Nun, nachdem Corona alle Restaurants bestenfalls auf Sparflamme kochen lässt (auch der Werneckhof bietet fürs Wochenende ein Menü zum Abholen an), ist Zeit für Experimente. Und Nakamura wollte in der Hotelküche mit ihrem praktischen Ausgabefenster zum Hof hin schon immer einen japanischen Imbiss anbieten. Genauer: Streetfood, wie man es im Bezirk Shibuya von Tokio an allen Ecken bekommt.

"Mein Vater kommt ja aus Tokio", erzählt Nakamura, "meine Großeltern hatten dort ein kleines Haus, nur zehn oder 15 Minuten mit der Bahn von Shibuya entfernt." Ein Klassiker im dortigen Streetfood-Bezirk ist "Fried Chicken", also Backhendl mit diversen Soßen. "In Japan ist das bei Familien sehr beliebt, man holt es sich in den Imbissbuden ab, zu Hause macht man es wegen des Frittiergeruchs selbst normalerweise nicht."

Nun bringt der Sternekoch diese Art zu essen nach Schwabing. Nahe am Original, aber doch auch wieder regional abgewandelt. Es gibt Fried Chicken in der Single Box (8,50 Euro) und in der Family Box (für vier Personen, 32,50 Euro), jeweils mit Soßen nach Wahl: entweder Sesam-Soja, "Spicy korean" oder Ingwer-Zitronen-Mayonnaise. Außerdem auf der Karte: Gurkensalat mit Sesam, Miso-Hühnersuppe und Reis. Das Huhn kommt vom Gutshof Polting, das Miso von Markus Shimizu aus Berlin, Salat und Gemüse von Johannes Schwarz aus Johanneskirchen. An der Fritteuse steht der Chef persönlich, an der Ausgabe sein Sous-Chef. Seit Donnerstag läuft die Fastfood-Bude, liebevoll auf Japanisch dekoriert, und der Andrang ist gewaltig. Vorbestellung unter Telefon 38 38 10. Geöffnet ist von Dienstag bis Samstag, Tohru Nakamura hofft, dass sich das Konzept auch in der Nach-Corona-Zeit fortführen lässt.

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SZ vom 20.04.2020/vewo
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