Mund- und Nasenschutz:Mit der Nähmaschine gegen das Virus

Mund- und Nasenschutz: Wer eine Maske trägt, muss deshalb nicht auf Mode verzichten - das stellt Rieke Common unter Beweis. Sie lässt Gesichtsbedeckungen für Privatleute und Firmen nähen.

Wer eine Maske trägt, muss deshalb nicht auf Mode verzichten - das stellt Rieke Common unter Beweis. Sie lässt Gesichtsbedeckungen für Privatleute und Firmen nähen.

(Foto: Catherina Hess)

Die Corona-Krise trifft auch kleine Mode-Labels und Werkstätten, aber sie machen das Beste draus: Masken. Mal elegant, mal ungewöhnlich aus Biokeramik.

Von Franziska Gerlach

Rieke Common gehört zu den Menschen, für die es nie eine Alternative zur Mode gab. Eine, die stundenlang über die Beschaffenheit von Stoffen sprechen kann. Und die einmal gesagt hat, ihre Welt, das sei Julia Roberts alias Pretty Woman im gepunkteten Kleid beim Polo. Wenn nun also diese Frau, die Gründerin des Münchner Damenmodelabels Maison Common, über medizinische Schutzkleidung, Zertifizierungen, Masken und Vliese spricht, und wie schwierig es sei, an diese heranzukommen, dann ist das im ersten Augenblick ziemlich ungewöhnlich.

Doch die Maßnahmen gegen das Coronavirus verändern eben einiges. Und wer hätte vor einigen Wochen für möglich gehalten, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Menschen nahelegen würde, im öffentlichen Raum einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen? Menschen mit Masken, dieses Bild verband man mit asiatischen Ländern, wo Leute schon bei Erkältungen Mundschutz anlegen, um andere nicht anzustecken. Nun bedecken auch in Münchens Supermärkten und Verkehrsmitteln immer mehr Menschen ihr Gesicht, und immer seltener werden sie dafür schief anschaut. Rieke Common hat allerdings auch deshalb so intensiv recherchiert, weil die Krise kleine deutsche Nähereien in Bedrängnis bringt, die ihre Entwürfe umsetzen. Wie kann sie die weiterhin beschäftigen, habe sie sich gefragt, "das ist ja auch unser Gütesiegel. Made in Germany".

Mund- und Nasenschutz: Die beiden Schneiderinnen Juliane Kirchberg und Johanna Alscheken haben die Plattform www.aktionmaske.de gegründet. Sie nähen selber Masken, und organisieren die Vermittlung von selbstgenähten Gesichtsmasken für München und Umgebung.

Die beiden Schneiderinnen Juliane Kirchberg und Johanna Alscheken haben die Plattform www.aktionmaske.de gegründet. Sie nähen selber Masken, und organisieren die Vermittlung von selbstgenähten Gesichtsmasken für München und Umgebung.

(Foto: Catherina Hess)

Melissa Knorr und Mathilde Feuillet vom Label Me & May wurden über eine Intensivkrankenschwester auf den Masken-Mangel aufmerksam und nähen nun für die Caritas und Privatleute. "Wir machen keinen übermäßigen Gewinn, aber so können wir uns ganz gut über die Runden retten", sagt Knorr. Ihr Laden an der Amalienstraße sei geschlossen. Die Schneiderinnen Juliane Kirchberg und Johanna Alscheken wiederum gründeten die Plattform www.aktionmaske.de, weil sie nähwillige Helfer mit Einrichtungen zusammenbringen möchten, die andernfalls als "nicht-systemrelevant" lange warten müssten: Diakonien, Jugendzentren, Seniorenheime. 16 Helfer nähen bereits, seit Anfang April sind mehr als 1000 Masken entstanden.

Die Geschichten sind so unterschiedlich wie die Größe und Ausrichtung der Labels, Werkstätten und Initiativen, die sich der Maske angenommen haben. Und rechnet man die Hobbyschneider hinzu, die sich kurzerhand selbst an die Maschine setzen, wirkt München mittlerweile wie eine große Produktionsstätte für Masken. "Es werden täglich mehr", sagt Gabriele Albert, die Vorsitzende des Landesinnungsverbands für das Maßschneiderhandwerk in Bayern. Und will man neben der nervenaufreibenden Suche nach dem allerorten vergriffenen Gummiband, von der einige berichten, eine Gemeinsamkeit herauslösen, dann ist das wohl der Wunsch, das eigene Können gegen das Virus einzusetzen. Sebastian Thies vertreibt unter dem Label Nat-2 Schuhe, die schon mal aus Kaffee oder Beton bestehen können.

Mund- und Nasenschutz: Die Lebenshilfe bittet um Stoffnachschub für selbst genähten Mundschutz (Symbolbild).

Die Lebenshilfe bittet um Stoffnachschub für selbst genähten Mundschutz (Symbolbild).

(Foto: Catherina Hess)

Auch die Materialien seiner "nicht-medizinischen Masken" sind ungewöhnlich. Zwei Typen hat sein Team entwickelt: Eine aus Biokeramik, das wegen der darin verwebten Silberfäden antibakteriell wirke, wie er sagt. Und eine aus einem Filter, der auch in den Uniformen von Polizisten oder in modernen Staubsaugern verwendet wird. Um in Produktion gehen zu können, musste Thies für 18 000 Euro Materialien kaufen, die erselbst bei Händlern in Bayern und Baden-Württemberg abholt, weil der Postweg unzuverlässig geworden sei. Eben mal Masken machen, für Modelabels ein Klacks? "So easy ist das nicht", sagt Thies. Die Nachfrage jedoch ist groß, das bestätigt in ihrem Atelier an der Jahnstraße auch Carola Sonnenburg, die für Kinder und Erwachsene näht: Unter einen gemusterten Baumwollstoff legt sie Inlets aus Federbetten. "Die sind sehr, sehr dicht gewebt", sagt Sonnenburg. Sie habe ihr Modell so konzipiert, dass es direkt an Gesicht und Nase anliege. Überhaupt: Solche Masken brächten sehr wohl etwas, "wenn es alle machen."

Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfahl das Tragen eines Nasen-Mund-Schutzes zunächst nur Menschen mit akuten Atemwegserkrankungen; Anfang April hat es seine Einschätzung aktualisiert und rät "in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum" nun auch der Bevölkerung zur Maske, wie auf der Internetseite der Bundesbehörde zu lesen ist. Diese fange beim Husten oder in der Atemluft enthaltene infektiöse Tröpfchen ab und reduziere das Risiko, andere anzustecken. Das Wort "Mundschutz" kommt vielen dagegen nicht mehr über die Lippen, seit Anwälte Abmahnungen versenden, weil das in dieser Bezeichnung enthaltene Wort "Schutz" ohne Zertifizierung in die Irre führen könne. Das bayerische Wirtschaftsministerium reagierte darauf mit einer Pressemitteilung: "Wer die Masken unter der Bezeichnung Behelfsmasken, Stoffmaske oder Mundbedeckung anbietet, ist auf der sicheren Seite." Schließlich sei man auf das Engagement der Bürger angewiesen, um dem Engpass in der Versorgung beizukommen.

Mund- und Nasenschutz: Eigentlich vertreibt Sebastian Thies unter dem Label Nat-2 seine eigenen Schuhe, auch er ist jetzt auf Masken umgestiegen und experimentiert mit Materialien.

Eigentlich vertreibt Sebastian Thies unter dem Label Nat-2 seine eigenen Schuhe, auch er ist jetzt auf Masken umgestiegen und experimentiert mit Materialien.

(Foto: Catherina Hess)

"Wir sagen Mundbedeckung", erklärt Rieke Common. Sie habe sich nach etlichen Telefonaten mit Vliesherstellern und Ärzten gegen die Produktion "medizinischer Artikel" entschieden. Zu teuer sei die Zertifizierung, zu aufwendig die Produktion. Also lässt sie nun Masken für Privatleute oder Firmen nähen, die damit ihre Mitarbeiter ausstatten. Mit bellenden Hunden. Oder Fäusten, die ein Coronavirus attackieren. Ein kleines Stückchen Stoff mit großem Potenzial zum Accessoire. "Wir müssen bei unseren Leisten bleiben", sagt die Modeschöpferin. "Wir sind ein Couture-Haus!"

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