SZ-Serie: Hinter den Masken:Wenn jeder Notfall ein Risiko ist

SZ-Serie: Hinter den Masken: Florian Lemmink, Pfleger und Gruppenleiter im Notfallzentrum Bogenhausen.

Florian Lemmink, Pfleger und Gruppenleiter im Notfallzentrum Bogenhausen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Durch das Coronavirus hat sich in der täglichen Arbeit von Pfleger Florian Lemmink viel geändert. Plötzlich ist fast alles anders, was er und seine Kollegen jahrelang eintrainiert haben.

Von Anna Hoben

Vor Kurzem hat die München Klinik auf Facebook ein Erklärvideo gepostet. Florian Lemmink und Mathias Schmid zeigen darin, wie man einen Patienten intubiert, damit er beatmet werden kann. Lemmink ist Pfleger und Gruppenleiter im Notfallzentrum Bogenhausen, Schmid ist Oberarzt. An einer Puppe erklären die beiden die komplizierten Arbeitsschritte, die nötig sind. Sie betonen auch, wie wichtig der Eigenschutz ist, "denn die Gefahr, sich beim Intubieren anzustecken, ist enorm hoch", sagt Florian Lemmink. Bei dem Vorgang treten Aerosole aus, die im schlimmsten Fall direkt in die Lunge inhaliert werden. "Danke für das anschauliche Video", schrieb eine Nutzerin. "Wenn wir uns auf Abstand, Respekt und Maske besinnen, dann bleibt das erspart - und die Spätfolgen von der Beatmung auch."

Was sich geändert hat durch Corona? Da holt Lemmink, 33, erst mal tief Luft. Denn im Grunde hat sich fast alles geändert. "Jeder Vorgang, jede Sichtung des Patienten, jeder Standard, den wir jahrelang eintrainiert haben. Unser ganzes Geschäft ist einmal umgestellt worden." Natürlich kommen auch noch normal kranke Patienten in die Notaufnahme; "wir müssen aber immer im Hinterkopf behalten, dass es ein möglicher Covid-Fall sein könnte". Gemeinsam haben Lemmink und Schmid neue Standards erarbeitet und gerade in den ersten Wochen der Pandemie "regelmäßig 14- bis 16-Stunden-Tage hinter uns gebracht", wie Lemmink sagt. Sie mussten komplett umdenken in der Notfallmedizin - und das Personal entsprechend schulen. Manche neuen Kollegen haben noch nie in einer Notaufnahme gearbeitet. Eine Präsentation nach der anderen hat Lemmink gemacht, ein praktisches Beispiel nach dem anderen durchgenommen.

Die Zeit habe ihm viel abverlangt, sagt er, auch psychisch. "Ich habe ja einen Anspruch an mich. Und ich will, dass die Mitarbeiter das Gefühl haben, sie können mit Fragen auf mich zukommen." Das Personal arbeite seit Wochen unter Extrembedingungen und habe mitunter auch Angst, sich mit Corona anzustecken. "Total verständlich", wie er findet. Was ihn selbst belastet: dass er seine Familie kaum sieht. Seine Frau und die zwei kleinen Kinder sind seit Beginn der Krise in der Heimat in Bamberg. Was die Klinik betrifft, ist er "erstaunt, was Corona bewegt". Sonst sei vieles sehr bürokratisch: Antrag stellen, dann fünf Wochen warten. Jetzt funktionierten Prozesse schnell und effektiv. "Wenn ich etwas brauche, kriege ich es. Das erleichtert das Arbeiten sehr."

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