Wirtschaft in München:Bücher frei Haus

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Bisher lieferten Fahrradkuriere vor allem Geschäftsbriefe oder andere wichtige Unterlagen aus - demnächst wird der ein oder andere Zusteller wohl Bücher transportieren. (Foto: Stephan Rumpf)

Viele Buchhändler bringen ihre Ware wegen des Coronavirus persönlich zu den Kunden - ohne Aufpreis. Nur so können die kleinen Läden derzeit gegen Internetgiganten bestehen.

Von Franz Kotteder

Buchhandlungen gehören zum ganz normalen Einzelhandel, und deshalb müssen sie im Katastrophenfall auch schließen. "Dabei sind wir doch für geistige Nahrung zuständig!", sagt die Buchhändlerin Sigrid Gatter mit gespielter Empörung. Sie führt die Sendlinger Buchhandlung in der Daiserstraße, gleich bei der Lindwurmstraße ums Eck.

Die zwangsweise Schließung trifft sie erheblich, "eine Katastrophe ist das", auch wenn sie die Anordnung natürlich einsieht. Sie will den Betrieb, so weit es geht, über ihren Webshop auf der Internetseite aufrechterhalten. "Wir liefern dann halt persönlich aus im Viertel", sagt sie, "ohne Aufpreis!" Ein ziemlicher Aufwand, aber nur so kann man mit dem großen Online-Händler Amazon noch halbwegs mithalten.

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So ähnlich halten es auch andere Buchhandlungen, etwa der kleine Laden am Nordbad von Marielle Krammel und Friederike Meier. Sie haben ihren ersten Schock bereits hinter sich. Zu Wochenanfang wusste ihr Großhändler noch gar nicht, ob er sie überhaupt würde beliefern können. Das lag unter anderem daran, dass die Nordbad-Buchhandlung nicht an einen Webshop angebunden ist, sondern ihre Bestellungen über Telefon und E-Mail bekommt und weitergibt. "Jetzt ist aber klar, dass es auch so geht", sagt Marielle Krammel, "wir liefern jetzt auch persönlich an die Haustür oder verschicken die Bücher per Post, wenn es gewünscht wird." Auch Krammel und Meier hoffen, dass nicht zu viele ihrer Kunden in dieser Notlage zum Riesen Amazon wechseln: "Für uns wäre das fatal."

Andere Buchhandlungen wie Buch und Töne mit seinen zwei Läden in der Weißenburger Straße und in der Amalienstraße setzen auf eine Art Guerilla-Marketing und haben ihre Kunden per Whatsapp informiert. "Da ab morgen ja fast alle Läden schließen: support your local book dealer!", heißt es in der Nachricht. Man könne über die Website online bestellen, "und im Innenstadtbereich werden euch die Bücher per Rad geliefert, sonst per Post. Notfalls kann man Bücher ja auch als Klopapier nutzen!" Da darf das dazugehörige Zwinker-Smiley natürlich nicht fehlen.

Die meisten kleinen Stadtteilbuchhandlungen sind inzwischen dazu übergegangen, die bestellten Bücher persönlich auszuliefern. Im Normalbetrieb wäre das gar nicht möglich, da sind die Buchhändler ohnehin gut beschäftigt. So aber nutzt man die Haustürlieferung, um mit der übermächtigen Konkurrenz mithalten zu können. Sigrid Gatter von der Sendlinger Buchhandlung sieht den Erfolg: "Unsere Kunden unterstützen uns gerade jetzt sehr, das ist wirklich zu spüren. Und das ist auch sehr schön für uns."

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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