Null Acht Neun:Bunte Vögel und Seuchenvögel

Null Acht Neun: Party in der Residenz: Die Spider Murphy Gang spielt beim Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten Markus Söder auf.

Party in der Residenz: Die Spider Murphy Gang spielt beim Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten Markus Söder auf.

(Foto: Felix Hörhager/dpa)

Während der Ministerpräsident in der Residenz das Ende der Pandemie feiert, schleicht sich das nächste Virus in die Stadt.

Glosse von René Hofmann

Was haben das Ampfer-Grünwidderchen, der Ammendornfinger, das geneigte Spiralzahnmoos und das grüne Gallertkugeltierchen gemeinsam? Die Antwort ist leicht: Ihnen geht es wie dem Braunkehlchen - sie wurden erwählt, um Aufmerksamkeit zu lenken auf die Vielfalt der Natur und so für deren Schutz zu werben. Der Vogel des Jahres, der Schmetterling des Jahres, die Spinne des Jahres, das Moos des Jahres und der Einzeller des Jahres waren allerdings am vergangenen Freitag nicht vertreten in der Residenz, beim Neujahrsempfang des bayerischen Ministerpräsidenten - was erstaunlich war, angesichts der äußerst ausgedehnten Gästeliste, die Markus Söder anlässlich des Ereignisses hatte aufstellen lassen. Nach zwei Jahren Pause sollte es extra hoch hergehen. Im Kaisersaal trat die Spider Murphy Gang auf, also die Band des Jahres 1981.

Die Pandemie ist vorbei, und Bayern ist gut durchgekommen: Das sollten die Botschaften des Abends sein. Im nächsten Herbst, wenn sich die Zugvögel sammeln, wird gewählt. Da kann es dem Amtsinhaber nicht schaden, die Laune früh hochzuziehen. Der Prachtbau in Münchens Mitte bot dafür eine formidable Kulisse. An schönen Tagen ist diese Stadt mit all ihrer lange angesammelten Pracht einfach eine Herzkammer der guten Laune. Und schöne Zeiten kommen jetzt, da die Tage länger werden, doch bald wieder öfter - oder? Nun, das "Oh oh oh, jetzt muaß i geh" der Spiders war noch nicht lange verklungen, da schickte die Natur ein Zeichen ihrer Allgewalt und Unberechenbarkeit: einen kranken Schwan.

Der Seuchenvogel wurde unweit der Thalkirchner Brücke an der Isar gefunden. Wenig später torkelte ein Artgenosse an der Großhesseloher Brücke, und in beiden Fällen ergaben die Analysen: Influenza-Viren, Typ H5N1 - Vogelgrippe. Eine Seuche geht, die nächste kommt. Eine Gefahr für Menschen geht von der Geflügelpest zwar nicht aus. Aber Hunde sollen an der Isar jetzt an die Leine und im Zoo müssen die Vögel in den Lockdown. Es trifft also ausgerechnet diejenigen, die von den Corona-Maßnahmen profitierten, weil sie Auslauf bekamen oder lange einfach in Ruhe gelassen wurden. Vor Seuchen ist einfach keiner sicher, aber vielleicht hilft die Aufmerksamkeit, die diese Erkenntnis jetzt bringt, den Schwänen künftig: bei der nächsten Wahl zum Vogel des Jahres. Seit 1972 gibt es die. Eisvogel und Weißstorch wurden seitdem jeweils schon zweimal gekürt, die großen Entenvögel dagegen noch nie.

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