Der entscheidende Tipp kam von einem anonymen Anrufer: Am 8. März vergangenen Jahres teilte der Unbekannte der Polizei mit, dass es an einer Corona-Teststation am Karl-Lederer-Platz in Geretsried nicht mit rechten Dingen zugehe. Dort würden täglich allenfalls 30 bis 40 Testungen vorgenommen. Tatsächlich aber rechneten die Betreiber der Teststation eine "deutlich höhere Zahl" an Tests gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) ab, habe der Anonymus behauptet, sagte ein Fahnder der Kriminalpolizei am Mittwoch vor einem Schöffengericht am Amtsgericht München. Angeklagt in dem Verfahren waren der 31-jährige Telekommunikationskaufmann Samih M. und seine Verlobte, die Angestellte Valentina K., 34.
Die Ermittlungen bestätigten die Angaben des "Hinweisgebers". Wie sich herausstellte, hatten M. und K. als Betreiber der Teststation im Januar vergangenen Jahres lediglich acht Corona-Tests gemacht. Der KVB hatten sie für diesen Zeitraum jedoch 1442 Testungen gemeldet. Auch die Test-Zahlen für Februar 2022 waren falsch. Immerhin hatten sich in jenem Monat 1480 Personen auf das Corona-Virus hin in der Station am Karl-Lederer-Platz testen lassen. Gegenüber der KVB rechneten die beiden Inhaber aber 12201 Tests zu viel ab. Aufgrund der falschen Angaben überwies die Kassenärztliche Vereinigung 154 000 Euro zu viel.
Und der Schaden wäre wohl noch größer, wenn die Fahnder der Kriminalpolizei nicht auf Hochtouren ermittelt hätten. Denn Samih M. und seine Komplizin waren kurz davor, der KVB die Anzahl an Tests für März 2022 zu melden. 18 491 sollen es laut ihrer Auflistung gewesen sein. In Wirklichkeit waren es nur 1706. Der KVB wäre hierdurch, hätte sie bezahlt, ein weiterer Schaden über 188 327,70 Euro entstanden. Außerdem hatten die Angeklagten in mehreren Fällen negative Testzertifikate ohne vorherige Tests auf das SARS.CoV 2 ausgestellt.
Samih M. und Valentina K. räumten gleich zu Beginn der Verhandlung die Vorwürfe der Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg ein. Auf die Frage nach seinem Motiv erklärte der Telekommunikationskaufmann: "Es war wirklich die Gier, um auf den Punkt zu kommen." Das von der KVB überwiesene Geld haben er und seine Verlobte vor allem für ein Leben in "Saus und Braus" verwendet. Unter anderem leasten M. und seine Verlobte für sich drei Pkw der Marke Audi, darunter einen R 8, Preis rund 166 000 Euro, und gönnten sich zudem "schicke Klamotten" sowie Urlaubsreisen nach Italien. Auch Valentina K. bekannte sich zu den Vorwürfen aus der Anklage und sagte, dass sie die Tat sehr bereue.
Samih M. und seiner Verlobten wurde es offenbar leichtgemacht, mit fingierten Corona-Tests Geld zu scheffeln. Bis zur Durchsuchung ihrer Wohnungen und ihrer Test-Station habe es keine Kontrollen durch die KVB gegeben, sagte der Sachbearbeiter der Kripo. "Die Vorgaben waren halt lasch", gab der Fahnder zur Protokoll. So lasch offenbar, dass Samih M. daran dachte, eine weitere Teststation zu eröffnen und ein spezielles Buchungssystem anzuwenden. Es war so konzipiert, dass es selbständig zu falsch eingegeben Test-Zahlen Namen aus Telefonbüchern ergänzte und Datensätze erzeugte, die den Eindruck erwecken sollten, das alles seine Richtigkeit habe.
Die Anwälte der Angeklagten hatten vor Beginn des Prozesses einen Täter-Opfer-Ausgleich mit der KVB schließen wollen. Auf das Angebot habe sich von der KVB bis zum heutigen Tage niemand gemeldet, erklärten sie. Das Gericht verurteilte Samih M. wegen Betrugs sowie wegen versuchten Betrugs zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft. Valentina K. erhielt eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Die Vorsitzende Richterin sprach in ihrer Urteilsbegründung von einem "sozialschädlichen Verhalten" der Angeklagten. Über ihren Verteidiger kündigten Samih M. und Valentina K. an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen.