Aktion von Impfgegnern:Münchner Ärzte erhalten Briefe aus der "Querdenker"-Szene

Lesezeit: 2 min

Eine Ärztin impft gegen das Coronavirus. (Foto: dpa)

In dem Rundschreiben werden falsche Behauptungen verbreitet, die Mediziner verunsichern sollen. Die Postadresse des Absender-Vereins führt zur Praxis eines Passauer Frauenarztes.

Von Nicole Graner und Stephan Handel

Ein Brief aus der "Querdenker"-Szene verunsichert Münchner Ärzte: Das Schreiben, für das der Verein "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie" mit Sitz in Passau verantwortlich zeichnet, verbreitet bekannte Unwahrheiten über Corona-Impfstoffe und warnt Ärzte, sie könnten haftbar gemacht werden, wenn sie ihren Patienten die derzeit verfügbaren Corona-Impfstoffe verabreichten.

Nicola Fritz, Fachärztin für Allgemeinmedizin in München, hat einen solchen Brief im Briefkasten ihrer Praxis vorgefunden. Es ist nicht der erste dieser Art. Einmal schrieb ein anderer Absender über Corona-Verschwörungsmythen in Zusammenhang mit Microsoft-Gründer Bill Gates. Den habe sie einfach "in den Papierkorb getreten". Aber dieses neue Schreiben ärgere sie sehr, sagt die 51-Jährige, die ihre Praxis seit 16 Jahren hat. Weil es - und das findet Nicola Fritz "ungeheuer frech" - von Ärzten kommt.

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"Die Behauptungen sind schlichtweg falsch", sagt die Ärztin - und der Ärger, der in ihrer Stimme mitschwingt, ist am Telefon nicht zu überhören. "Ich fühle mich durch diese Falschinformationen einfach gestört in meiner Arbeit." Und sie fragt sich, wie der Absender an ihre Adresse gelangt ist. "Ich finde das extrem übergriffig." Eine Ahnung habe sie allerdings schon: Sie vergibt nämlich im Internet über eine Ärzte-Suchmaschine Impftermine.

Die Postadresse des Absender-Vereins ist die der Praxis eines Passauer Frauenarztes, der als stellvertretender Vorsitzender amtiert. Er geriet in die Öffentlichkeit, weil er im Verdacht stand, rund 1000 falsche Atteste ausgestellt zu haben, die ihre Besitzer von der Maskenpflicht entbinden sollten. Deshalb ermittelte auch die Kriminalpolizei gegen ihn.

Das Schreiben steht im Internet zum Download bereit

Vorsitzender des Vereins ist Sucharit Bhakdi, ein ehemaliger Mikrobiologe, der den "Querdenkern" pseudowissenschaftliche Legitimation zu verschaffen versucht. Alle seine Thesen wurden längst widerlegt. Zuletzt fiel Bhakdi durch antisemitische Äußerungen auf.

Der Verein ließ eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung unbeantwortet. Der Brief, der nun mehrere Ärzte in München erreicht hat, steht auf der Website zum Download zur Verfügung, verbunden mit dem Hinweis: "dieses wichtige, als ,Haftungsinformation' formulierte Informationsschreiben soll an möglichst viele Ärztinnen und Ärzte sowie Leiter von Gesundheitsämtern, Schulen und Gemeinden sowie politische Entscheidungsträger versandt werden". Es ist also davon auszugehen, dass nicht der Verein selbst die Briefe verschickt, sondern dies Unterstützer sozusagen dezentral tun.

Der dreiseitige Brief verbreitet Thesen wie "Die Impfstoffe sind unnötig", sie seien "unwirksam" und "gefährlich". Daraus wird der Schluss abgeleitet, Ärzte könnten haftbar gemacht werden, wenn sie ihre Patienten impfen würden. Auch das ist falsch: Axel Heise von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern betont, dass kein Arzt haftet, wenn er ein zugelassenes Medikament vorschriftsgemäß anwendet. Im Gegenteil - der Sprecher verweist auf eine Mitteilung der sächsischen Landesärztekammer.

In dieser wird ausgeführt, dass es als "grober Behandlungsfehler" gewertet werden könnte, wenn ein Arzt einem impfwilligen Patienten die Spritze vorenthält und diesem daraus ein Schaden entsteht. Dann müsste der Mediziner tatsächlich für diesen Schaden aufkommen.

Das bestätigt auch Nicola Fritz. Die Impfungen seien durch den Staat getragen, anerkannte und eingetragene Ärztinnen und Ärzte "abgesichert". Außerdem, und das betont Fritz, seien "Impfschäden sehr selten". Und für Fritz ist noch etwas klar: "Ich impfe weiter."

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