Neue Corona-Proteste in München:Impfgegner werden müde

Neue Corona-Proteste in München: Die Polizei zeigte sich am Mittwochabend in enormer Präsenz - etwa 1000 Beamte waren im Einsatz.

Die Polizei zeigte sich am Mittwochabend in enormer Präsenz - etwa 1000 Beamte waren im Einsatz.

(Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

In München protestieren deutlich weniger Gegner der Corona-Politik als in den Wochen zuvor, die Polizei hat die Lage im Griff. Auch am Odeonsplatz wird demonstriert - für die Pandemie-Regeln.

Von Martin Bernstein, Joachim Mölter und Julia Schriever

Etwa 1000 Menschen haben nach Polizeiangaben am Mittwochabend in der Münchner Innenstadt versucht, gegen städtische Vorgaben, Sicherheitsmaßnahmen und Infektionsschutz zu protestieren. Ebenso viele Polizeibeamte verhinderten das bereits im Ansatz. Nach einer ersten Bilanz des Polizeipräsidiums in der Nacht wurden mehr als hundert Verstöße gegen die städtische Allgemeinverfügung angezeigt. Teilnehmer der untersagten Kundgebungen verübten ein Dutzend Straftaten, darunter waren vier Widerstandshandlungen, ein Polizist wurde tätlich angegriffen und dabei leicht verletzt, zwei Beamte wurden von Demonstranten beleidigt. Ein Messer und ein Tierabwehrspray wurden sichergestellt, außerdem zwei Personen angezeigt, die zu verbotenen Versammlungen aufriefen.

Dass die Zahl der Teilnehmer erneut deutlich zurückging und insbesondere offenbar viele Impfgegner aus dem näheren und weiteren Umland erst gar nicht nach München aufbrachen, hatte nicht nur mit städtischen Verboten und dem konsequenten Einschreiten der Polizei zu tun, sondern auch mit Zerwürfnissen innerhalb der Gruppierung "München steht auf". Sprecher Melchior Ibing hatte mit einem Video, das er am Mittwochmittag veröffentlichte, heftige Irritationen in der Telegram-Gruppe ausgelöst. Die bis dato treibende Kraft der Kampagne "München steht auf" wirkte ziemlich kraftlos, als er seine ursprünglich für den Geschwister-Scholl-Platz angekündigte Demonstration gegen die Pandemie-Maßnahmen absagte. Die Kundgebung war vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) auf die Theresienwiese verlegt worden. Aber die hatte Ibing immer als Versammlungsort abgelehnt - weil man da zu wenig Aufmerksamkeit bekomme, wie er findet.

Außer der abgesagten Kundgebung von "München steht auf" waren für den Abend noch einige andere Demonstrationen angemeldet, die sich gegen die Corona-Politik der Regierung richteten. Das KVR hatte alle zusammengefasst und ebenfalls auf die Theresienwiese geschickt. Etwa 120 Demonstranten versammelten sich dort am Abend - mit Masken und Abstand. Das Bündnis "Kinder stehen auf" baute auf der Matthias-Pschorr-Straße, der Achse zwischen Bavaria und Bavariaring, Lautsprecher und Scheinwerfer auf.

Neue Corona-Proteste in München: Auf der Theresienwiese wurde demonstriert - mit Abstand und Masken.

Auf der Theresienwiese wurde demonstriert - mit Abstand und Masken.

(Foto: Robert Haas/SZ)

Zu den Anhängern seiner Bewegung hatte Ibing in einer ersten, später wieder aus dem Netz genommenen Version seines Videos gesagt: "Man kann hingehen zu den Versammlungen auf der Theresienwiese, wenn man mag. Sonst kann man auch zu Hause bleiben, sich heute ausruhen, Kraft tanken." Das klang eher nach "München legt sich hin", fanden zahlreiche Mitglieder der Gruppe. "Der Staat hat gewonnen in München", resümierte einer. Etliche Impfgegner aus dem Umland kündigten an, unter diesen Vorzeichen nicht nach München zu kommen.

Die Polizei sperrt immer wieder Abschnitte ab, bildet Ketten, macht Durchsagen

Es waren dann tatsächlich deutlich weniger Protestierende als in den Wochen zuvor unterwegs. In der Fußgängerzone zogen Gruppen von Menschen durch die Kaufingerstraße - doch ob es sich um sogenannte "Spaziergänger" oder einfach Passanten handelte, war für die Polizei schwer auszumachen. Die sperrte immer wieder Abschnitte ab, bildete Ketten, machte Durchsagen. Protestierende schrien "Freiheit" und bliesen in Trillerpfeifen. Unter den Demonstranten waren auch Rechtsextremisten der Neonazi-Partei Dritter Weg sowie Beobachtern zufolge auch der Identitären. Gegen 20 Uhr löste die Polizei die Versammlung mit Durchsagen auf und begann, die Personalien von etwa 100 Personen aufzunehmen.

Mehrere auf Twitter verbreitete Videos zeigten zudem eine Ansammlung von Menschen im Bereich des Gärtnerplatzes. In der Corneliusstraße setzte die Polizei etwa zehn Demonstranten fest. Ebenso in der Ludwigstraße in der Nähe der Universität, dort war auch die Reiterstaffel der Münchner Polizei im Einsatz. Die Polizei reagierte sofort auf Versuche, einen Demonstrationszug zu bilden, und riegelte mit starken Kräften die Ludwigstraße südlich des Altstadtrings ab.

Schon in den vergangenen beiden Wochen waren die Proteste eingedämmt worden, nachdem sich die Demonstranten kurz vor Weihnachten massiv Bahn gebrochen hatten auf den Straßen der Innenstadt. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese 'Spaziergänger' auch wieder in der Fußgängerzone sind", hatte Polizeisprecher Andreas Franken am Nachmittag gesagt, "aber wir hoffen, dass weniger los ist." So kam es dann auch.

Etwa 200 Menschen bei der Gegendemonstration

Bei einer Gegendemonstration des Bündnisses "München solidarisch", die auf dem Odeonsplatz stattfand, versammelten sich laut Polizei etwa 200 Menschen. Alle trugen Masken und hielten zum Teil sehr große Abstände.

Neue Corona-Proteste in München: Gegendemonstranten am Odeonsplatz

Gegendemonstranten am Odeonsplatz

(Foto: Robert Haas/SZ)

Er spreche auch für die, die ihr Leben verloren hätten im Kampf gegen ein Virus, das andere verharmlosen, sagte Christian Markus, der als Krankenpfleger arbeitet. "Demonstrieren geht auch mit Vernunft und Rücksicht." Er habe Menschen sterben sehen - für Verschwörungsideologen sei das kein Hindernis, ihren Unsinn zu verbreiten. Die seien eine jämmerliche Minderheit. "Wir sind die Vernunft, wir sind solidarisch."

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