Corona-Pandemie in München:Stadt hält trotz Entspannung an Alkoholverbot fest

Corona-Pandemie in München: Der kreisförmig angelegte Gärtnerplatz im Münchner Zentrum. Der Platz ist gerade bei schönem und warmen Wetter ein beliebter Ort für große Ansammlungen und immer auch ein Ärgernis für die Anwohner.

Der kreisförmig angelegte Gärtnerplatz im Münchner Zentrum. Der Platz ist gerade bei schönem und warmen Wetter ein beliebter Ort für große Ansammlungen und immer auch ein Ärgernis für die Anwohner.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Am Gärtnerplatz und am Wedekindplatz müssen die Menschen weiterhin nüchtern bleiben - viele Stadträte sehen die Maßnahme jedoch kritisch.

Von Anna Hoben

Der Inzidenzwert ist auf unter 20 gesunken, die Bettenbelegung in den Krankenhäusern entspannt sich, die Zahl der bislang in München verabreichten Impfdosen nähert sich der Million - alles in allem sind das erfreuliche Entwicklungen. Das Wetter ist auch noch schön, und diesen Freitag startet die Fußballeuropameisterschaft. So diskutierten die Stadträtinnen und Stadträte am Mittwoch ausführlich über Public Viewing und Alkoholkonsum im öffentlichen Raum. Es ging aber natürlich auch um die Dinge, die bei aller Entspannung der Lage gerade nicht gut laufen: die Probleme mit den privaten Testzentren ebenso wie die Tatsache, dass es zurzeit in der Stadt fast keine Erstimpfungen gibt, nicht nur im Impfzentrum in Riem, sondern auch in den Arztpraxen.

Im Impfzentrum ist die Vergabe von Terminen für Erstimpfungen noch bis zum 27. Juni gesperrt. Die Münchner Impfquote entspreche nahezu der bundesweiten, sagte Wolfgang Schäuble, der Chef der städtischen Krisenstabs. Sie liegt bei 43 Prozent (Erstimpfungen) beziehungsweise 21,8 Prozent (vollständige Immunisierung). Auf die Frage von Hans Theiss (CSU) nach einer Impfstrategie für Schülerinnen und Schüler berichtete Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek, man sei dabei, Konzepte für das kommende Schuljahr zu erarbeiten. Noch sehe es so aus: "Ohne Stoff nix los."

Mehr los ist beim Testen: 116 000 Mal pro Tag können zurzeit Abstriche aus Nasen oder Rachen entnommen werden. Das übertrifft die Vorgabe des Bundesgesundheitsministeriums deutlich. Im Zuge der sogenannten Bürgertests sollen jeden Tag Tests für etwa zwei Prozent der Bevölkerung angeboten werden; das würde in München 30 000 Tests entsprechen. Doch nicht überall geht alles mit rechten Dingen zu: 23 private Teststationen, also jede zehnte, hat die Stadt mittlerweile geschlossen, weil Unregelmäßigkeiten aufgetreten waren. 101 Betreiber sind in München aktiv. Zuletzt waren Fälle bekannt geworden, in denen Menschen negative Testergebnisse erhalten hatten, obwohl sie nach der Registrierung ihren Termin gar nicht wahrgenommen hatten. "Wir gehen jedem Hinweis nach", sagte Zurek. Beim Thema Abrechnungsbetrug habe man zwar keinerlei Kontrollmöglichkeiten. Man überprüfe aber, ob die ohnehin geringen Standards bei den Teststationen eingehalten werden.

Am Dienstag hatte der Krisenstab beschlossen, das Alkoholverbot an bestimmten Plätzen zu lockern: Es gilt fortan nur noch für den Gärtnerplatz und den Wedekindplatz, zwischen 20 und sechs Uhr. Der Fraktion Die Linke/Die Partei ist das immer noch zu viel Verbot. Sie forderte per Dringlichkeitsantrag, das Alkoholverbot aufzuheben. Es greife immer noch zu weit und ergebe keinen Sinn, sagte Marie Burneleit (Die Partei), zumal die Gastronomie rund um die Plätze Alkohol ausschenken dürfe. "Das schafft ein Gefühl von Willkür und wird nicht für Verständnis in der Bevölkerung sorgen." Zustimmung kam von den Grünen. Das Alkoholverbot am Gärtnerplatz erschließe sich ihm nicht, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dominik Krause; es habe dort keine Übergriffe auf Polizisten gegeben wie im Englischen Garten. Verbote verlagerten die Probleme nur woanders hin. Der Stadtrat müsse sich intensiver mit dem öffentlichen Raum auseinandersetzen. An die Verwaltung richtete Krause die Frage, ob bei einer Inzidenz von um die 20 ein Alkoholverbot wirklich noch notwendig sei. Tobias Ruff (ÖDP) plädierte dafür, das Thema unabhängig von Corona zu betrachten.

Gesundheitsreferentin Zurek entgegnete, ein Verbot an den zwei Plätzen sei infektiologisch geboten, weil es dort im Gegensatz zu Gaststätten keine Steuerung und kein Hygienekonzept gebe. Auch bei sinkenden Inzidenzzahlen müsse man die Entwicklung "sehr behutsam im Auge behalten", ergänzte Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle. Außerdem habe auch die Polizei gute Erfahrungen mit dem Alkoholverbot gemacht. Der Antrag, die Maßnahme komplett abzuschaffen, fand schließlich knapp keine Mehrheit; SPD, CSU und Teile von ÖDP/Freie Wähler wollten an der Regelung festhalten. Es dränge sich der Verdacht auf, "dass die Stadtverwaltung mit diesem Verbot unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung an einigen Plätzen einfach Ruhe und Ordnung herstellen will", ließ Dominik Krause (Grüne) sich später in einer Mitteilung zitieren.

Manuel Pretzl (CSU) sprach die Verwirrung um die Möglichkeiten des Public Viewings bei der Fußball-EM an. Aus Wirtekreisen heiße es, dass die Behörden eine eigene Genehmigung dafür verlangten. Die Wirte seien davon ausgegangen, dass sie natürlich einen Fernseher oder eine Leinwand aufstellen dürften, wenn sie die Auflagen einhielten. In der Gastronomie sei Public Viewing mit Hygienekonzept möglich, sagte Kreisverwaltungsreferent Böhle, jedoch gebe es dabei Besonderheiten: "Je nach Spielverlauf besteht der Drang, sich in Freud oder Leid zusammenzufinden." Zudem werde der Toilettengang gern aufgeschoben, das führe dann zu Ansammlungen. Man stelle sich deshalb eine Testpflicht vor, wohl ab einer Anzahl von 1000 Gästen. Wenn es so kommt, dürfte die Regelung also für große Biergärten in München gelten.

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