Allein wegen des Haareschneidens hat sich Kerstin Bolz nicht dafür entschieden, Friseurin zu werden. Natürlich mache ihr das Färben, Legen und Föhnen Spaß - aber das Schönste an ihrem Beruf, das sei die Atmosphäre im Laden: Wenn die Stammkundin von nebenan mal wieder vorbeischaut zum Beispiel. Man umarmt sich, quatscht ein bisschen, erzählt von sich. Aber bis das wieder möglich ist, wird es noch dauern - auch wenn der Betrieb von diesem Montag an wieder losgehen kann.
Nach sechs Wochen dürfen die Friseurgeschäfte nun wieder öffnen. Um die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten, gilt Maskenpflicht. Kunden und Mitarbeiter müssen - außer beim Haareschneiden selbst - den Mindestabstand zueinander einhalten. Das bedeutet, es können weniger Kunden gleichzeitig bedient werden. Wartezeiten müssen vermieden werden. Zudem müssen die Haare vor dem Schneiden gewaschen und die Arbeitsplätze nach jedem Kunden desinfiziert werden.
Kerstin Bolz hat ihren Laden deshalb umgerüstet, die Stühle weiter auseinander gestellt, einen Spuckschutz für die Theke und Trennwände für die Waschbecken bestellt und Desinfektionsmittel gekauft. Sie freut sich auf ihre Kunden. Auch wenn sie sagt: "Die Umsätze, die ich sonst habe, werde ich höchstwahrscheinlich nicht schaffen."
Eine Sorge, die man auch bei der Friseurinnung München hat. Selbstverständlich seien die Betriebe froh, ihre Kundschaft wieder bedienen zu können, sagt Obermeister Christian Kaiser. Und natürlich sei klar, dass die Gesundheit von Kunden und Angestellten in den Salons oberste Priorität habe. Doch durch die coronabedingten Vorschriften könnten viele Dienstleistungen nicht mehr angeboten werden: Eine Rasur zum Beispiel, oder Augenbrauen zupfen und Wimpern färben.
Hinzu komme: Weil im gleichen Zeitraum weniger Kunden als gewohnt bedient werden können, würden vor allem Läden Schwierigkeiten bekommen, die sonst von der Vielzahl an Klienten leben. Doch auch teure Friseure könnten Probleme bekommen: Wegen der Abstandsregeln sind keine Paralleldienstleistungen mehr möglich: Einer Dame die Haare zu färben und dann einen Herren zu bedienen, während die Farbe einwirkt, geht nicht mehr.
Für die kommenden drei Wochen ist Kerstin Bolz schon komplett ausgebucht
Wie hart die Branche betroffen ist, lasse sich laut Kaiser noch nicht genau sagen. Denn die Situation der Betriebe sei sehr unterschiedlich: Alteingesessene Friseure, denen der Laden gehört und die deshalb keine Miete zahlen müssen, hätten es leichter als weniger etablierte. "Vor allem für diese Betriebe ist das ein harter Schlag", sagt Kaiser.
Hinzu komme das Problem mit den Auszubildenden: Das Friseurhandwerk sei eine ausbildungsstarke Branche, manche Betriebe beschäftigten bis zu 20 Azubis. Diese hätten jedoch keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, die Ausbildungskosten müssten also die Betriebe tragen. Auch die Akquise für das im September startende Ausbildungsjahr sei durch Corona erschwert, Kaiser befürchtet, dass manche Läden ohne die günstigeren Arbeitskräfte im Herbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten.
Trotz aller Probleme - Kerstin Bolz klingt zuversichtlich: "Ich bin froh, wieder aufmachen zu können", sagt sie. Die vergangenen Wochen seien nicht einfach gewesen: Die Kundschaft war weg, Miete und Personalkosten aber blieben. Bolz musste um einen Aufschub der Miete bitten, den Lohn für ihre fünf Mitarbeiter vorstrecken. Das Kurzarbeitergeld und die Soforthilfen vom Bund seien bisher nur teilweise angekommen. Dass es nun weitergehen kann, sei wichtig für sie.
Andererseits stellen sich mit der Wiedereröffnung viele praktische Fragen: Einer älteren Kundin mit Rollator etwa hilft Bolz normalerweise immer über die Türschwelle - darf sie das jetzt noch? Halten sich die Kunden an die Vorschriften? Und wie wird das Haareschneiden mit Maske funktionieren? Das Gummiband hinter den Ohren stört dabei, zudem ist das Sichtfeld der Friseure eingeschränkt.
"Es wird auf jeden Fall spannend", sagt Kerstin Bolz. Um die Kundenströme etwas zu entzerren, werde sie den Laden nun an sechs Tagen öffnen - anstatt wie bisher nur an fünf. Das bedeute mehr Arbeit, aber auch mehr Geld. Auch aus Sicht ihrer Kunden ist diese Maßnahme wohl nötig: Für die nächsten drei Wochen ist Bolz schon komplett ausgebucht.