Corona-Krise:Langsam werden die Schläuche knapp

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Vor den Fahrradläden warten die Münchner auf Einlass. (Foto: Stephan Rumpf)

Fahrradgeschäfte erleben während der Corona-Pandemie einen Ansturm. Neben dem Verkauf sind besonders Reparaturen gefragt. "Man glaubt kaum, was die Leute an Rädern alles aus ihrem Keller ziehen."

Von Ramona Dinauer

Wie weit die Schätzungen von eineinhalb Metern auseinanderliegen, lässt sich derzeit in der Kaufingerstraße beobachten. Mit den unterschiedlichsten Abständen reihen sich die Menschen in Schlangen vor den Geschäften ein. Auch vor Fahrradläden warten die Münchner auf Einlass. Hier lässt sich der Mindestabstand schon leichter abschätzen. Etwa die Länge des mitgebrachten Fahrrads sollte bis zum Vordermann Platz haben.

Teilweise eine halbe Stunde warten die Kunden zum Beispiel vor dem Geschäft "Radldiscount" nahe der Donnersbergerbrücke. In seine etwa 200 Quadratmeter große Filiale lässt Inhaber Ralph Schneider fünf Kunden gleichzeitig. Maximal zehn wären erlaubt. Am 27. April durften Fahrradgeschäfte in Bayern wieder öffnen. "Mit der Wiedereröffnung hat uns eine richtige Tsunami-Welle überrollt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verkaufen wir gerade doppelt so viele Fahrräder", sagt Schneider.

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Die Verluste, die während der Schließung von fünf Wochen entstanden sind, könne man voraussichtlich wieder aufholen. Trotz der schmerzhaften Einbußen zum Saisonstart im Frühjahr ist auch der Zweirad-Industrie-Verband inzwischen optimistisch, in der Corona-Krise mit einem "blauen Auge" davonzukommen. Eine zweite Infektionswelle und damit ein neuerlicher Shutdown bleibe jedoch ein Risiko.

Wahrscheinlich sogar mehr Umsatz als unter normalen Umständen vermutet Rainer Alsdorf in seiner "Bike Schmiede" im Lehel. In den vergangenen Wochen sei die Anfrage für Fahrräder exorbitant gestiegen, berichtet Alsdorf. Bei bestimmten Modellen seien es bis zu 70 Prozent gewesen. Erst ab 2000 Euro gibt es Räder in seinem Geschäft.

Bei 982 Euro lag 2019 der Durchschnittspreis eines neu gekauften Fahrrads, da Verbraucher immer mehr zu hochwertigeren Rädern tendieren, teilt der Zweirad-Industrie-Verband mit. Wer bei Rainer Alsdorf ein solches Rad kauft, bestellt es vor. Ausprobiert werden in der Bike Schmiede nur Vorführräder, die der Inhaber derzeit seinen Kunden in den Hof bringt. Im Freien ließen sich Abstände besser einhalten und könne auf Masken verzichtet werden. Eben deshalb satteln auch in diesem Frühjahr viele von Bus und Bahn auf das Fahrrad um - man entgeht dem Gedränge und der Maskenpflicht.

Neben dem Verkauf sind besonders Reparaturen von Rädern gefragt. "Man glaubt kaum, was die Leute an Rädern alles aus ihrem Keller ziehen und nun bei uns reparieren lassen möchten", sagt Alsdorf. Bis auf zwei Wochen ist seine Werkstatt für Reparaturen ausgebucht. Drei Wochen muss man bei "Westend Radl" auf einen Termin warten. Vor der Krise war es meist eine Woche, berichtet Inhaber Björn Schiebel. Die Anzahl an Reparaturen werde sich letztendlich nicht verändern, da Westend Radl ein Einmannunternehmen ist. Die Laufkundschaft habe deutlich abgenommen, bemerkt Schiebel.

Eher mehr Kunden als normalerweise kommen in die "2RadFabrik", einem auf E-Mobilität spezialisierten Laden in Giesing. Ein Sektor, der der Branche vergangenes Jahr zu 4,2 Milliarden Euro Umsatz verholfen hat, etwa ein Drittel mehr als 2018. Bis zu 50 Prozent mehr Fahrräder verkaufen sie derzeit, sagt Geschäftsführer Max Metz.

Da die vielen Räder nach der Anlieferung auch zusammengeschraubt werden müssen, machen die Mitarbeiter der 2RadFabrik Überstunden. Schnell gleichen die gestiegenen Kosten den Gewinn wieder aus. Die hohe Nachfrage könnte sich bald nicht mehr decken lassen. "Für bestimmte Modelle gehen uns teilweise schon die Sattel aus", sagt Metz. Ähnliche Erfahrungen macht Schneider im Radldiscount. "Jetzt merkt man, dass lange in China nichts produziert wurde. Bei einzelnen Modelle als auch bei Fahrradschläuchen wird der Nachschub knapp." Umso mehr wissen Schneiders Kunden ihr Fahrrad zu schätzen: "Der Urlaub zu Ostern ist ausgefallen, so wird es wahrscheinlich auch mit dem Pfingsturlaub sein. Da muss man die Radtour als Ersatzurlaub sehen."

© SZ vom 19.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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