Corona-Krise in München:"Es darf kein verlorenes Schuljahr sein"

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Unterricht mit Ministerpräsident und Staatsminister für Unterricht und Kultus: Markus Söder und Michael Piazolo (rechts) in der Kirchenschule. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Zusammen mit Kultusminister Michael Piazolo hat Ministerpräsident Söder am Montag eine Schule in München besucht - und dabei seine Entscheidung untermauert, den Unterricht schrittweise wieder aufzunehmen.

Von Jakob Wetzel

Normaler Unterricht herrscht noch lange nicht, auch nicht für die elf Erstklässler in diesem Klassenzimmer der Grundschule an der Kirchenstraße. Vor neun Wochen hat der Freistaat Bayern alle Schulen wegen des Coronavirus geschlossen. Jetzt nehmen diese schrittweise den Betrieb wieder auf.

Von diesem Montag an sind die jeweils untersten Jahrgangsstufen wieder da, an den Grundschulen also die ersten Klassen. Und für diese ist vieles neu: Die Kinder sitzen alleine an ihren Zweiertischen, mehrere tragen eine Maske, obwohl die nur in den Gängen Pflicht ist. Das eigentliche Lernen kann noch warten: In den ersten Stunden würden sie noch keinen Stoff durchnehmen, sondern erst einmal über die vergangenen Wochen reden, sagt Schulleiter Stefan Trescher. Und jetzt stehen auch noch zwei fremde Männer vor der Tafel. Einer von ihnen ist vermummt, trägt einen Mundschutz mit weiß-blauen Rauten und hat Masken in Kindergröße mitgebracht, bedruckt mit kleinen Löwen.

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) haben am Montagmorgen die Kirchenschule in Haidhausen besucht, um zu sehen, ob und wie es Sechs- und Siebenjährigen gelingt, Abstand zueinander zu halten. Wie ihre Visite bei den Kindern ankam, ist schwer zu sagen: Um die Regeln nicht selber zu unterlaufen, ließen sich die beiden Politiker nur von Fotografen und Kameraleuten ins Klassenzimmer begleiten. Sie selbst äußerten sich nach ihrem Besuch - auf dem Pausenhof und mit großem Abstand - zuversichtlich. Viertklässler würden die Regeln sehr gut befolgen, sagte Piazolo. Wie sich die Erstklässler verhalten, werde man sehen. "Aber ich bin zukunftsfroh, dass das gelingt."

Söder verteidigte die Entscheidung, die Kleinsten bereits zurückzuholen, während zum Beispiel Zweit- und Drittklässler noch bis Pfingsten daheim lernen sollen. Gerade für die Jüngsten sei der Unterrichtsbeginn wichtig, "die ersten Klassen verlernen sonst Schule", sagte er. "Es wird kein normales Jahr mehr werden, aber es darf kein verlorenes Schuljahr sein." Den Kindern dürfe kein bleibender Nachteil entstehen.

Dass die Erstklässler zurück sind, findet auch Schulleiter Trescher richtig: "Die Kinder stecken mitten im Erwerb der Schriftsprache", sagte er. Da sei der Unterricht für sie besonders wichtig. Damit die Kinder Abstand halten können, wurden die drei vierten und die drei ersten Klassen halbiert. Die Viertklässler erhalten jetzt täglich Unterricht, aber in zwei Schichten; dazwischen putzen die Lehrer die Tische. Die Erstklässler wechseln sich tageweise ab.

Trescher hatte Söder und Piazolo nach deren Besuch in der ersten Klasse noch kurz durchs Haus geführt. Im Sekretariat ist eine Spuckschutzwand aus Plexiglas aufgebaut; in den Gängen kleben Markierungen auf den Böden; Schilder an den Türen erinnern daran, eine Gesichtsmaske zu tragen. In den vierten Klassen haben sie jeweils zwei bunte Punkte auf die Tische geklebt: Bei dem einen Punkt darf die Frühschicht sitzen, beim anderen dann die Spätschicht. Wenn die Kinder kämen, würden sie sich zunächst eine Viertelstunde lang alle die Hände waschen, sagte Trescher. Und sie würden ihr Hygiene-Konzept stetig ergänzen. In der vergangenen Woche etwa habe ein Schüler Kuchen mitgebracht, er hatte Geburtstag. Kuchen verteilen: In Zeiten von Corona geht auch das nicht.

Nach den Pfingstferien sollen auch die zweiten und dritten Klassen zurückkehren; Treschers Schule müsste dann wieder alle 304 Schülerinnen und Schüler aufnehmen, zwar im Schichtbetrieb, aber in kleineren Gruppen und mit größerem Abstand als vorher. Um Platz zu schaffen, würden sie unter anderem die Schulaula bestuhlen, sagte Trescher am Montag. Doch auch die Lehrer werden knapp. Grundschullehrer fehlen in Bayern ohnehin; diejenigen, die es gibt, müssen künftig doppelt so viel Präsenzunterricht geben.

Die Lage sei von Schule zu Schule verschieden, sagte dazu Piazolo. Für ihn ist es bereits der dritte Besuch an einer Schule, seit diese wieder öffnen dürfen. Die Begebenheiten vor Ort seien verschieden, sagte er. Die Schulleiter könnten die höhere Belastung etwas auffangen, weil die Stundentafel reduziert sei und Klassen im Wechsel unterrichtet würden. Insgesamt aber werde die Belastung für die Lehrkräfte steigen. "Das Limit werden wir erreichen."

Für die Zukunft sei wichtig, dass auch die Lehrer "das Erlernte nicht wieder verlernen", sagte Söder. In den zurückliegenden Wochen hätten sie viele Erfahrungen mit digitalen Unterrichtsmethoden gesammelt. Diese müsse man weiterhin nutzen und den digitalen Unterricht institutionalisieren, "an den Schulen, mit den Schulen". Bewährt habe sich zum Beispiel die digitale Pinnwand "Padlet", sagte Piazolo. Söder kündigte bereits für die Ferienzeit neue digitale Angebote an. Viele Eltern seien ja gezwungen, ihren Urlaub schon jetzt zu nehmen. Die Pfingstferien und die Sommerferien könnten die Kinder dann auch dafür nutzen, nachzulernen.

© SZ vom 19.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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