Corona-Impfstoff:Linke für Patent-Freigabe

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Aktivisten fordern vor der Biontech-Filiale eine breite Verteilung von Impfstoffen

Von Bernd Kastner

Bei Biontech war man beunruhigt. Deshalb fragte man bei der Polizei nach, was denn da geplant sei. Eine Aktion der Linken? Vor einer Biontech-Niederlassung? Die Polizei war dann auch leicht beunruhigt, weil keine Versammlung angemeldet war. Was machen denn die Linken in Neuried? Recht schnell löste sich die Sorge in Luft auf, die Linkspartei hatte nichts Gefährliches ausgeheckt. Etwa ein Dutzend Aktive trafen sich am Samstagmittag vor der Niederlassung des Unternehmens kurz hinter der Stadtgrenze zu einer "Fotoaktion". Nichts Weltbewegendes eigentlich. Allein, würde die Forderung umgesetzt, wäre das etwas, was die Welt bewegen, vielleicht verändern könnte: Die Linken wollen, dass die Patente auf den Corona-Impfstoff freigegeben werden. "Impfstoff gerecht verteilen", steht auf einem der Plakate.

Die Münchner Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke adressiert vor allem die Bundesregierung: Es sei ihr "völlig unbegreiflich", dass man einerseits das deutsche Unternehmen Biontech für die Entwicklung des Impfstoffs mit mehreren hundert Millionen Euro fördere, daran aber keine Bedingungen knüpfe. Sie fordert die große Koalition auf, die Impfstoffhersteller zu verpflichten, die Lizenz für die Herstellung freizugeben "und die Pandemiebekämpfung nicht länger dem Markt und den Profitinteressen von Pharmakonzernen zu überlassen". Man brauche eine "demokratisch kontrollierte, staatliche Impfstoffproduktion". Wenn auch andere Firmen den Stoff produzieren könnten, ließen sich viel schneller größere Mengen herstellen, die Bevölkerung wäre schneller durchgeimpft, die Bürger bekämen schneller ihre Freiheit zurück. Dasselbe gelte für die internationale Weitergabe der Patente in Länder des globalen Südens. Es nutze auch Deutschland und den anderen wohlhabenden Industrieländern nichts, wenn zwar sie gut versorgt würden, aber etwa in vielen afrikanischen Ländern noch fast niemand geimpft sei. Dann komme das Virus immer wieder zurück. Es sei ein Fehler der Regierung zu glauben, kritisiert Gohlke, dass der Markt es schon regeln werde.

Bei Biontech kennt man die Patent-Debatte natürlich. Auf Nachfrage der SZ teilt das in Mainz ansässige Unternehmen mit, dass eine Freigabe der Patente nicht dazu führen würde, dass es schneller oder früher mehr Impfstoff gebe. "Selbst erfahrene Pharmaunternehmen brauchen Monate Vorlaufzeit, um einzelne Produktionsschritte umzusetzen." Die Herstellung des Impfstoffs basiere auf einem komplexen Verfahren und benötige umfangreiche Fachkenntnisse. "Alleine das Rezept langt nicht, sondern erfordert Spezialisten, die es umsetzen können." Biontech habe die Zusage von bis zu 375 Millionen Euro Fördergelder erst im September erhalten. Damit werde vor allem die klinische Forschung unterstützt, vor allem mit 44 000 Probanden. Nur etwa zehn Prozent des Geldes seien für Investitionen in die Produktion gedacht.

© SZ vom 08.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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