Süddeutsche Zeitung

Clubs in der Corona-Krise:"Das ist bislang alles nur eine Hinhaltetaktik"

Münchner Clubbetreiber reagieren skeptisch auf die von Ministerpräsident Markus Söder vorgestellten Öffnungsperspektiven. Wenn sie es nicht in kürzester Zeit zum Normalbetrieb schaffen, sieht es für viele eng aus.

Von Philipp Crone

Immer haben sie eine Perspektive gefordert, nun gibt es eine. Aber welche? Nachdem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder angekündigt hat, die Clubs im Herbst für Geimpfte wieder öffnen zu wollen, fragt man sich in der Club-Szene, was man davon nun halten soll. Denn der Herbst ist weit, die Zahl der Geimpften, die auch Clubs besuchen, eher unbekannt, und natürlich kann sich auch an der aktuellen Lage schnell wieder etwas verändern. In mancher Hinsicht sind sich viele Betreiber aber einig.

Jakob Faltenbacher, Betreiber unter anderem der Milchbar in der Sonnenstraße, sagt: "Das ist doch ein guter Anreiz für junge Menschen, sich impfen zu lassen." Für ihn ist allerdings klar, unter welchen Umständen der Club-Betrieb nicht funktionieren wird: mit eineinhalb Metern Abstand, Masken und nur wenigen Gästen. "Ein Club, der nur halbvoll ist, war nicht cool und wird es auch nie sein." Und eine Maske sei völlig sinnlos: "In einem Club versteht man ja ohne Maske schon kein Wort, mit noch weniger." Er kalkuliert mit einem Mindestvorlauf bei einem Öffnungstermin von zwei Wochen. "Und dann ist immer noch die Frage: Wie viele Tage machen wir auf?" Es würden ja auch nicht auf einmal dann alle wieder weggehen, als ob nie was war. "Die wissen ja gar nicht mehr, dass sie zum Beispiel montags zu uns kommen können."

Sein Kollege Jürgen Mair von der Paradiso Tanzbar findet, dass "Geimpfte einen Vorteil haben sollten", zum Beispiel durch Einlass in Clubs. Er hat wie alle anderen Kollegen und Kolleginnen auch Personalsorgen. Vor der Pandemie beschäftigte Mair neben einigen Festangestellten auch 35 Mitarbeiter als 450-Euro-Kräfte, davon wollen aber nur drei wieder anfangen. Er sucht nach Leuten, "die noch gewillt sind, nachts zu arbeiten". Den Zuspruch und Bedarf schätzt er anders als Faltenbacher allerdings als immens ein. "Die Leute sind doch völlig ausgehungert und wollen dringend feiern." Finanziell wird die Lage aus seiner Sicht allerdings erst wieder gefährlich, wenn die Staatshilfen, die nun seit Jahresanfang zuverlässig auch bei Clubbetreibern ankommen, aufhören und man darauf angewiesen ist, dass eine Diskothek womöglich unter strengen Auflagen wieder rentabel ist.

Dierk Beye, Betreiber des Neuraum und Vorstand im Verein der Münchner Kulturveranstalter VdMK, sagt: "In England gibt es Untersuchungen, dass die Leute einfach wieder gehen, wenn sie zu viele Formalitäten ausfüllen müssen oder sich testen lassen. Die Abbruchrate bei Ticketvorverkäufen ist da sehr hoch gerade." Er wünscht sich, dass man mit schnellen PCR-Tests arbeiten könne und so nicht nur Geimpfte, sondern auch negativ getestete Gäste feiern dürfen. "Aber die Aussage des Ministerpräsidenten ist eben zumindest mal eine Perspektive." Auch er kennt niemanden, der zusperrt, "aber gerade die kleinere Musik-Bars werden es wohl schwer haben".

Die Clubs von Mathias Scheffel sind nach dessen Angaben nicht gefährdet. Scheffel betreibt das Filmcasino, ist am Pacha, am Salon Pitzelberger und am Sweet-Club beteiligt, und hat ans Gesundheitsministerium einen Brief geschrieben mit dem Vorschlag "Impfen to go im Filmcasino". Auch das sind Versuche, mit der Situation irgendwie umzugehen. "Markus Söder soll seine Versprechungen einfach wahr machen, das ist bislang alles nur eine Hinhaltetaktik." Auch er sieht die Lage so: Derzeit geht kein Club pleite, aber wenn es wieder losgeht, wird es spannend. "Völlig unklar ist, wer und wie viele dann wieder weggehen wollen, wie die Gäste drauf sind und wie viel Personal wir finden." Es werde darauf ankommen, es in kürzester Zeit zum Normalbetrieb zu schaffen, wenn die Clubs öffnen dürfen. "Sonst wird es wirklich eng."

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SZ vom 22.07.2021/kafe
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