Contra:Viel geredet, nichts zu sagen

Pro & Contra

Beiräte dürfen nicht entscheiden und finden kein Gehör - solche Gremien sind im politischen Prozess überflüssig

Von Sven Loerzer

Wer Menschen das Gefühl geben will, sie hätten etwas zu sagen, der installiert einen Beirat. Ein Beirat, das ist ein Gremium mit beratender Funktion. Und genau darin liegt schon das grundsätzliche Problem. Der Beirat darf zwar etwas sagen, aber diejenigen, die tatsächlich das Sagen haben, also entscheiden dürfen, interessiert das in der Regel allenfalls mäßig. In Fachbeiräten, etwa dem Gesundheitsbeirat, sind Experten und, wie es heißt, die Akteure des Gesundheitswesens unterschiedlichster Interessensausrichtung eingebunden. Man kennt sich, diskutiert hin und her, betont, wie wichtig die Vernetzung ist. Kommt es tatsächlich zu einer Stellungnahme oder einer Empfehlung, dann werden zwar viele Worte bemüht, aber der Erkenntniswert erschließt sich Außenstehenden meist nur schwerlich. Denn im Bemühen, alle Beteiligten einzubinden, bleibt eine klare Haltung auf der Strecke. Die Papiere wandern als Anhang zu den Akten, verstopfen Regale ebenso wie elektronische Speichermedien. Historiker werden einmal aus den Protokollen rekonstruieren können, wie alt viele Erkenntnisse schon sind, ohne dass sie Folgen hatten. Von dem ritualisierten Diskurs in den Fachbeiräten bekommt die Öffentlichkeit nur wenig mit.

Aber selbst dort, wo es direkt gewählte Beiräte gibt, die Stadtrat und Verwaltung beraten sollen, wie etwa der Migrations- und der Seniorenbeirat, läuft das nicht besser. Die Direktwahl sollte stärkere Beachtung und mehr Einfluss bringen, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Beiräte sind geschwächt durch die geringe Wahlbeteiligung - 6,24 Prozent Beteiligung bei der letzten Wahl zum Ausländerbeirat machen es nun mal leicht, an der Legitimation von Anträgen oder Stellungnahmen eines Gremiums zu zweifeln, das laut Satzung die Interessen der ausländischen Bevölkerung Münchens vertreten und die Integration fördern soll. Aber auch die Seniorenvertretung kam bei der Wahl im Jahr 2013 auf nur etwas mehr als 20 Prozent Beteiligung - das spricht nicht für einen großen Rückhalt in der wahlberechtigten Bevölkerung im Alter von über 60 Jahren.

Nun ist das nicht die Schuld derer, die sich in solchen Gremien ehrenamtlich abmühen, dass die Bedürfnisse ihrer Bevölkerungsgruppe Berücksichtigung finden. Eine Interessensvertretung wählen zu dürfen, bei deren Vielzahl von Kandidaten sich kaum auf die Schnelle feststellen lässt, wofür sie überhaupt stehen, ist alles andere als ein überzeugendes Angebot zur Beteiligung und Mitwirkung an der Willensbildung. Bleibt dann noch der erklärte Wille des Beirats ohne Einfluss auf die Entscheidung, dann ist das doppelt demotivierend: Für jene, die einen Beirat wählen sollen, und vor allem für die, die sich der Wahl zum Beirat stellen. Gremien dieser Art braucht es nicht. Interessenvertreter von Senioren und Migranten gehören dorthin, wo sie etwas zu sagen und zu entscheiden haben: in den Stadtrat, den Landtag, den Bundestag.

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