Condrobs-Gründer Alexander Eberth:Aus Überzeugung gut

Condrobs-Gründer Alexander Eberth: Anwalt Eberth wurde für seinen Einsatz bei Condrobs ausgezeichnet

Anwalt Eberth wurde für seinen Einsatz bei Condrobs ausgezeichnet

(Foto: Stephan Rumpf)

Alexander Eberth hat vor 40 Jahren in München die Drogenberatung Condrobs gegründet. Er hat Mehmet verteidigt - einst "Staatsfeind Nummer eins" in Bayern - und einen Mann, dem vorgeworfen wird, ein Vergewaltiger zu sein. Jetzt hat der Anwalt das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Von Philipp Crone

Alexander Eberth übergibt seinem Mandanten den Geldbeutel, ohne zu lachen. Der Mann hat sein Portemonnaie in der Schwabinger Kanzlei vergessen. Oft lachen die Beteiligten ja in so einer Situation, zumindest lächeln sie, denn es ist schon etwas peinlich, den Geldbeutel liegen zu lassen. Doch in Eberths Gesicht, das von einem weißen Vollbart und weißem Haar umrandet ist und in dem normalerweise immer ein leichtes Lächeln liegt, regt sich nichts. Er kennt diese Momente nur zu gut.

Der Mann nimmt das Portemonnaie an sich und geht. "Die Leute sind oft durch den Wind, wenn sie hier rausgehen, vor allem, wenn sie nicht das hören, was sie hören wollen", sagt Eberth. Und das passiert oft, wenn man das Büro eines Strafverteidigers verlässt.

Rechtsanwalt Eberth sagt nicht, was jemand hören will, er sagt und tut, wovon er überzeugt ist. Das sagt er zumindest. Und offenbar ist das sehr häufig das Richtige. Der 68-Jährige hat vor einigen Wochen das Bundesverdienstkreuz bekommen, für sein Engagement in der Drogenberatung Condrobs. Der Präventions- und Suchthilfeverein kümmert sich mit 450 Mitarbeitern in 30 Einrichtungen jährlich um 7000 Menschen. Eberth hat Condrobs vor 40 Jahren gegründet. Seit damals bewegt er sich zwischen zwei Welten, die einander fremd waren, und es noch immer sind.

In der einen Welt, im Justizwesen, geht es um exakte Formulierungen, und auch um Distanz. "Im Gegensatz zur sehr genauen Juristensprache ist die der Sozialarbeiter ganz locker." In deren Welt braucht man Empathie und Nähe. "Man muss den Abhängigen Verständnis entgegenbringen, bis zu einer gewissen Grenze", sagt Eberth mit weich geformten Konsonanten. Die Leute müssen einem vertrauen, da hilft es, wenn der Jurist auch die lockere, gar nicht exakte Sprache der Straße beherrscht. So war es zum Beispiel in dem Fall vor einiger Zeit, als ein Klient anrief und Eberth drohte, er werde sich umbringen. Die Pistole hatte er schon. "Aber ich wusste, er wollte mich." Eberth fuhr hin, sie redeten lange, die Pistole wurde weggelegt. Eberth hatte die Botschaft verstanden.

Überzeugungen, Prinzipien, sie treiben den Mann an

Warum geht er so ein Risiko ein? Warum setzt sich Eberth derart für Drogenabhängige ein? Warum hat er vor Jahren den türkischen Jugendlichen Muhlis A., bekannt als Mehmet, verteidigt? Warum verteidigte er im Januar einen Mann, dem vorgeworfen wurde, eine Frau vergewaltigt zu haben? "Ich kannte den Mann seit 15 Jahren und war von seiner Version der Geschichte überzeugt", sagt Eberth.

In dessen Version war es einvernehmlicher Sex. Auch seine Motivation, Mehmet zu verteidigen, endet mit dem gleichen Satz: Er war davon überzeugt. Davon, dass dem Jugendlichen nicht Recht getan werde, wenn er abgeschoben würde. Überzeugungen, Prinzipien, sie treiben den Mann an, dessen Gang ein wenig an Angela Merkel erinnert, mit seinen leicht watscheligen Bewegungen. Allerdings ziert Eberths Gesicht im Gegensatz zu dem der Kanzlerin eben meist ein Lächeln. Außer, er spricht über die Justiz in Bayern und ihren Umgang mit Drogenabhängigen.

"Man geht strafrechtlich zu hart gegen Drogenabhängige vor." Eberth zittert mit dem Kopf beim Sprechen, wenn ihm etwas besonders wichtig ist. Seine Überzeugung ist eine andere als die in den Ministerien. "Ausgrenzen hilft nicht." Deshalb kämpft er bei der Suche nach Objekten für Condrobs-Einrichtungen darum, dass die "nicht auf der grünen Wiese" stehen, sondern in das Stadtleben integriert werden. Das führt meist zu Protesten und Ängsten bei den Anwohnern. "Man muss akzeptieren, dass die Leute Ängste haben. Aber ich kenne keinen Fall, bei dem in der Nachbarschaft jemand beeinträchtigt worden wäre."

Weich und hart, entspannt und energisch

Eberth vermittelt, zwischen Juristen und Abhängigen, zwischen Anwohnern und Mitarbeitern, seit er 1971 mit dem Thema Drogenabhängigkeit konfrontiert wurde. "Ich war 27, hatte gerade einen Fall mit einem Ausreißer und habe einen Sozialarbeiter um Rat gefragt. Der war mit anderen gerade dabei, einen Verein zur Drogenprävention zu gründen." Eberth war schnell überzeugt von diesem Projekt. Und wenn er von etwas überzeugt ist, dann engagiert er sich.

Der Jurist hat dann die Satzung geschrieben und ließ sich an die Spitze stellen. Für den Mann vom Bodensee, der in Jugendgruppen sozialisiert wurde, war es zudem die Chance, sich sozial zu engagieren. Und die anderen Condrobs-Initiatoren waren froh, eine Art Gütesiegel zu haben. Damals sagte ein Kollege zu ihm, als er sich in Ämtern um die ersten Räume von Condrobs bemühte: "Sie als Jurist, das macht einen guten Eindruck." Denn das war eines der Probleme in den Anfangsjahren der Drogenberatung: Die wenigen Beratungsstellen, die es gab, hatten ein schreckliches Image. "Da wusste man zum Teil nicht, wer Helfer und wer Klient ist."

Eberths Beruf ist es, zu reden und andere zu überzeugen. Wenn er in seinem Büro mit den Möbeln aus dunklem Holz mit jemandem spricht, dann nur am runden Beitisch. Der Schreibtisch ist vollständig bedeckt mit Aktenordnern, gespickt mit Einmerkerzetteln in Signalfarben. "Da wollen die TV-Teams immer ihre Interviews machen."

Eberth, Sohn eines Anwalts, kann den einfühlsamen Zuhörer geben. Aber "wenn eine Grenze überschritten wird, kann er auch sehr bestimmt auftreten", sagt Florian Willeitner, Finanzvorstand bei Condrobs. Und Joachim Lorenz, Gesundheitsreferent der Stadt München, sagt: "Eberth ist ein engagierter Münchner, der sich deutlich für die Rechte von Minderheiten positioniert. Ein mutiger Verteidiger, der auch unpopuläre Positionen nicht scheut."

Weich und hart, entspannt und energisch. Eberth sitzt in seinem Büro, den rechten Arm locker über die Rücklehne des Stuhls gelegt, die Finger seiner linken Hand klacken ratternd auf dem Holz. Entspannt und energisch.

Um Erfolg zu haben, braucht man eine Bandbreite an Umgangsformen. Mit den Nachbarn der Einrichtungen spricht der nette Herr Eberth, auch mit den Eltern, die ihm erklären, dass ihr Sohn keine Geheimnisse vor ihnen hätte. Unter vier Augen erzählt dann der Sohn, was er seinen Eltern verschweigt. Und vor Gericht spricht der unnachgiebige Jurist, der von sich behauptet: "Mein Naturell ist: Das, was ich sage, glaube ich." Regelmäßig passiert es, dass die anderen das am Ende auch glauben, oder akzeptieren müssen.

Jeder Koffer ein Fall

Eberth erzählt gerne von früheren Condrobs-Klienten, die sich Jahre später bei ihm melden, nur um zum Beispiel ihre Kinder vorzustellen. Außerdem kritisiert er gerne, vor allem staatliche Institutionen, die neue Drogen damit bekämpfen, indem sie sie für illegal erklären. Und er erzählt gerne, was er alles bewegt hat in den vergangenen 40 Jahren. Etwa, dass es nun ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter gibt, daran habe er maßgeblich mitgewirkt. Oder dass heute externe Suchtberater in den Gefängnissen installiert sind.

Eberth, der Vermittler, leitet einen Arbeitskreis von Juristen und Therapeuten. Und für den Verteidiger von Mehmet, "dem damaligen Staatsfeind Nummer eins", ist es dann schon auch eine besondere Freude, dass er von diesem Staat mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

Eberth und die Prinzipien. Eines lautet: "Kleider machen Leute, ich gehe immer mit Krawatte ins Gericht." Er sitzt auch mit Krawatte im Büro, zwischen den geöffneten Aktenkoffern. Jeder Koffer ein Fall. "Ich will besser präpariert sein als andere." Noch ein Prinzip. Ebenso wie das Abschalten. Wenn Eberth nicht gerade, wie zuletzt, vier Wochen nach Australien fährt, um seinen Sohn zu besuchen, dann entspannt er sich bei der Gartenarbeit. Nicht reden, nicht überzeugen, nicht vorbereiten müssen, nicht streiten, nicht mit Problemen und Befindlichkeiten jonglieren. Einfach still die Pflanzen gießen, und dabei blüht auch immer das leichte Lächeln auf, bis es wieder fest in seinem Gesicht sitzt.

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