SZ-Serie: Pixelhelden:"Afterthought" - Kunst im nächsten Level

Afterthought

Die Collagen-Optik von "Afterthought" haben die Macher aus Fotos und Zeichnungen komponiert, inspiriert wurden sie durch Filme und bildende Kunst.

(Foto: Studio Moondowner)

Die kreativsten Köpfe und erfolgreichsten Macher in Bayerns Welt der Computerspiele. Heute: Der junge Designer Andy Tran hat zusammen mit dem Programmierer Leo Traub "Afterthought" entwickelt

Von Jürgen Moises

Routine. Das ist etwas, das es in Krisenzeiten braucht. Das heißt: Etwas, das uns Halt oder Struktur gibt, und das Gefühl, nicht die Kontrolle zu verlieren. Routine, sie spielt auch allgemein im Leben, in der Natur eine zentrale Rolle. Geburt und Tod, Tag und Nacht, die Jahreszeiten, das alles kommt regelmäßig wieder. Weswegen man vom Leben als ewigem Kreislauf spricht. Bei Video- und Computerspielen ist das ähnlich. Auch dort gibt es Dinge, die sich ständig wiederholen oder die man wiederholen muss. Beim "Speedrun", bei dem es ein Spiel in einer Rekordzeit durchzuspielen gilt, wird das Ganze noch gesteigert. Denn um das zu schaffen, muss man üben, üben, üben, das heißt: das Spiel immer und immer wieder durchspielen.

Wie man das alles kreativ oder künstlerisch zusammenbringt, das hat sich der junge Designer Andy Tran aus Brunnthal bei München gefragt. Denn warum wir uns im Leben ständig wiederholen, das hat auch ihn jahrelang beschäftigt, wie er beim Skype-Gespräch über "Afterthought" erzählt. "Afterthought", das ist ein Computerspiel, das der 23-Jährige zusammen mit dem Programmierer Leo Traub entwickelt. Seit etwa sechs Jahren arbeiten die ehemaligen Schulfreunde als Studio Moondowner daran. Erst war es nur ein Hobby, seit zwei oder drei Jahren ist es "eine handfeste Sache", an der neben Tran und Straub auch ein paar Freelancer beteiligt sind. Und wenn alles klappt, wird das Spiel im nächsten Jahr herauskommen.

Kultur im Spiel

Die Frage, ob Videospiele Kunst sind oder Kunst sein können, wurde schon vielfach diskutiert. Keine Frage ist jedenfalls, dass sie die Kultur entscheidend prägen und beeinflussen. Sei es in Form von Videospiel-Verfilmungen oder Romanen, die auf Spielen basieren - oder umgekehrt. Hinzu kommt, dass in der Gamesbranche Programmierer, Designer, Künstler, Autoren und Musiker oft eng zusammenarbeiten, und das teilweise an Projekten, die an Aufwand große Hollywood-Produktionen in den Schatten stellen.

Und sieht man es wirtschaftlich, da haben Computer- und Videospiele Musik und Kino, was die Umsatzzahlen betrifft, längst eingeholt. Außerdem: Der Durchschnitts-Computerspieler in Deutschland ist laut einer Statistik des Branchenverbandes Game kein Kind mehr, sondern 37,5 Jahre alt. 48 Prozent der Gamer sind Frauen. Und die Zahl der über 60-jährigen Spieler ist in nur einem Jahr um 700 000 gestiegen.

Das alles zeigt: Computer- und Videospiele sind als Medium längst etabliert und demokratisiert. Deshalb sollen in der neuen Games-Serie der SZ auch keine weiteren Grundsatzdiskussionen oder "Jugendverderber-Debatten" geführt werden. Hier soll keine Konkurrenz zwischen den Künsten oder Medien aufgemacht werden, sondern stattdessen wird ein auszugsweiser Blick auf die bayerische Gamesbranche geworfen und gezeigt: Was entstehen hier für Spiele, wer sind ihre Entwickler und was treibt sie an. Mit Blick auf den "Kulturverlust" in der Corona-Krise, darf man zahlreiche der vorgestellten Spiele zudem als Empfehlung für die "stade" Zeit verstehen. Oder anders formuliert: Wir wünschen viel Spaß beim Spielen! jmo

"Afterthought", das ist aber nicht nur ein Spiel, sondern ein Herzensprojekt. Das hat vielleicht auch der Film-Fernseh-Fonds Bayern gemerkt, als er Studio Moondowner im Februar mit 70000 Euro für die Produktion gefördert hat. Genauso dürfte die Jury aber auch die auf der Website studiomoondowner.com downloadbare Beta-Version überzeugt haben. Darin kann man vier der 64 geplanten Levels schon mal kennenlernen, das Design, die weibliche Hauptfigur, das Spielprinzip. Und man kann sehen: "Afterthought" ist zweifellos etwas Besonderes. Es hat ein eigenes Flair, eine herausragende Grafik. Und: Es kostet einige Übung, bis man die für das Spiel nötigen Skills, heißt Fähigkeiten drauf hat.

Andy Tran

Designer Andy Tran hat Ideen für zahlreiche Projekte, gerade arbeitet er noch an "Afterthought"

(Foto: Studio Moondowner)

Für die sehr atmosphärische, aus Zeichnungen und Fotos entwickelte Collage-Optik nennt Tran Spiele wie "Hotline Miami" oder "No More Heroes", Filmemacher wie Wong Kar-Wai oder Alejandro Jodorowsky und Künstler wie Arnold Böcklin als Einfluss. Und er ergänzt, dass er den "Punk-Spirit" sehr schätzt. Damit meine er aber nicht: "Ich breche alle Regeln". Sondern dass man das nur in einem bestimmten, richtigen Moment macht - und damit die Leute überrascht. Da sei bei Videospielen jedenfalls noch einiges möglich, meint der Designer, der an einer privaten Kunsthochschule studiert und danach bereits erste Jobs gemacht hat, sich aktuell aber komplett wieder auf "Afterthought" konzentrieren will. Er verspricht: "Ein paar der Designs werden wirklich wild."

Leo Traub

Leo Traub programmiert das Computerspiel, das er seit sechs Jahren mit Andy Tran entwickelt.

(Foto: Studio Moondowner)

Dass die Kombination aus künstlerischen und "Speedrun"-Elementen einige irritieren könnte, ist Tran und Leo Traub bewusst. Gleichzeitig sind sie mit Blick auf Beispiele wie "Journey" überzeugt, dass sich künstlerische Spiele auch verkaufen. "Afterthought" wollen sie jedenfalls, komme was wolle, fertigstellen. Die FFF-Förderung sei dabei eine große Hilfe. Eine weitere ist die, dass sie mithilfe eines Algorithmus' ein Verfahren entwickelt haben, um Levels relativ schnell zu erstellen. Die Hauptintention sei im Moment jedenfalls, "das Gameplay so gut wie möglich zu machen". Die Story über eine Frau, die wie in einer Zeitschleife immer wieder auf derselben Bank aufwacht und dann verschiedene Welten durchläuft, soll erst danach Schritt für Schritt einfließen.

Und dann? Wäre der Traum, "zehn Millionen Einheiten des Spiels zu verkaufen", sagt Andy Tran und lacht. Und ein weiterer: sich eine Games-Existenz in München aufzubauen. Ideen für zukünftige Projekte hätten sie jedenfalls genug. So viele, meint der Designer, dass er Angst hat, er könne sie "in einer Lebenszeit nicht alle umsetzen". Ein zweites, drittes, viertes oder fünftes Leben wäre dafür ja vielleicht die Lösung. Aber so etwas gibt es dann doch nur im Computerspiel.

"Afterthought" ist aktuell in einer Beta-Testversion über die Website studiomoondowner.com erhältlich.

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