Comic:Auferstanden aus Ruinen

Lange musste die Münchner Zeichnerin Sabrina Schmatz um Anerkennung kämpfen. Nun erscheint ihre Comic-Serie "München 1945" als Deluxe-Ausgabe im Carlsen Verlag.

Von Dirk Wagner

Wie eine Blume, die den Asphalt durchbricht, muten die kleinen Zärtlichkeiten an, die die Comiczeichnerin und Autorin Sabrina Schmatz in den Ruinen einer vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadt inszeniert. "München 1945" heißt die Comic-Serie der gebürtigen Münchnerin, die bereits in sechs Bänden beim Weimarer Comicverlag Schwarzer Turm erschienen ist. Zusätzlich kommt das gesamte Werk nun in einer überarbeiteten Version als zweibändige Deluxe-Edition beim renommierten Carlsen Verlag heraus. Einige Seiten der ansonsten nur mit Bleistift gezeichneten Geschichte hat Schmatz dafür coloriert. Außerdem wurde der erste Band mit weiteren Zeichnungen der Künstlerin angereichert. Ausgearbeitete Bilder aus dem Skizzenbuch der Autorin sowie eine exklusiv für die Gesamtausgabe angefertigte Illustration sind ebenso darunter wie erste Entwürfe und verworfene Skizzen zur Fortsetzungsgeschichte.

Aber auch die eigentliche Geschichte hat Schmatz für Carlsen noch einmal gründlich inspiziert und überarbeitet. Die farbigen Titelseiten der sechsbändigen Schwarzer-Turm-Ausgabe fehlen indes. "Dafür war im ersten Buch kein Platz mehr. Alle Titelseiten werden darum erst im zweiten Band wieder zu sehen sein. Der erscheint aber erst am 3. Mai 2022", sagt Sabrina Schmatz, die aktuell noch am besagten zweiten Band arbeitet. Zugleich blickt sie stolz auf den jüngst erschienenen und wirklich edel gefassten ersten Band ihres in Sepia-Tönung gedruckten Comics.

Sabrina Schmatz

Die Münchner Zeichnerin Sabrina Schmatz.

(Foto: Carlsen Verlag)

Mit einer solchen Aufwertung ihrer Zeichnungen hatte sie freilich nicht gerechnet, als sie vor Jahren die Geschichte in kurzen Abschnitten auf dem Online-Portal Animexx gestartet hatte. Damals hatte die Manga-Zeichnerin - sie ist Jahrgang 1983 - es aufgegeben, sich bei Verlagen vorzustellen. "In Wahrheit war ich da wohl auch noch gar nicht so gut gewesen, wie ich es mir eingeredet hatte", urteilt Schmatz heute selbst. Aber zu jener Zeit habe sie größenwahnsinnig einen Comic schaffen wollen, der alles vereint, was sie selbst an Comics begeisterte. Seien es die semirealen Zeichnungen japanischer Manga-Artisten wie Hiroaki Samura oder Takehiko Inoue, oder seien es die herausragenden Tuschearbeiten des US-amerikanischen Zeichners und Inkers Sean Gordon Murphy.

Nachdem ein solcher Supercomic aber keine Verleger begeistern konnte, versuchte sich Schmatz auf jener Internet-Seite Animexx, auf der Comiczeichner eigenverantwortlich ihre Werke einer Öffentlichkeit vorstellen können. Und diese Öffentlichkeit bekundete Interesse an ihren Zeichnungen. Rückmeldungen der Leser lobten und kritisierten die Geschichte, die Schmatz nun auf jener Internetseite in kurzen Abschnitten entwickelte. Verbesserungsvorschläge wurden gemacht, die die Autorin dann auch verinnerlichte und zum Teil sogar befolgte. Aber auch Zusprüche waren zu lesen, die sie in ihrem Vorhaben bestärkten.

Für ihren Comic hat Sabrina Schmatz auch im NS-Dokumentationszentrum recherchiert

Inspiriert von der Fernsehserie "Band of Brothers" beschreibt Schmatz in ihrem Comic, wie München 1945 von US-amerikanischen Soldaten befreit wurde. Sie beschreibt aber auch, dass nicht alle Münchner das als Befreiung erlebten. Sei es, weil sie selbst Nationalsozialisten waren, die nun nicht nur ihre zerbombte Heimatstadt, sondern auch ihre Ideale in Trümmern sahen. Oder sei es, dass sie von den US-Soldaten aus ihren Wohnungen geschmissen wurden, weil diese nun von der US-Armee genutzt wurden. Dergleichen hat Schmatz in den Geschichtsbüchern ebenso recherchiert wie im NS-Dokumentationszentrum München.

Nun ist "München 1945" allerdings keine Comic-Adaption solcher Geschichtsbücher. Derlei historische Gegebenheiten bilden nur die Kulisse für eine Liebesgeschichte zwischen einem US-amerikanischen Sanitäter und einer deutschen Krankenschwester. Und deren Liebe muss sich erst einmal gegen Misstrauen und hasserfüllte Vorbehalte behaupten, die von den Deutschen ebenso geschürt werden wie von den US-Soldaten. Ohne Münchens Nazi-Vergangenheit zu leugnen, gelingt es Schmatz in ihrem Werk, die Mitwirkenden eben nicht pauschal in Täter und Opfer aufzuteilen. Wohl aber unterteilt Schmatz ihre Charaktere in deutsch respektive bairisch sprechende und englisch sprechende Figuren. Um den Comic nicht mit dem erdrückenden Anhang einer wissenschaftlichen Arbeit zu belasten, verzichtet die Autorin dabei auf deutsche Übersetzungen. Das könnte für einige Leser freilich eine Hürde sein, gleichwohl die Zeichnungen selbst sehr ausdrucksstark gelingen.

Comic: Als die Serie "München 1945" zuerst im Verlag Schwarzer Turm erschien, waren die einzelnen Bände mit farbigen Titelblättern ausgestattet.

Als die Serie "München 1945" zuerst im Verlag Schwarzer Turm erschien, waren die einzelnen Bände mit farbigen Titelblättern ausgestattet.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Als die Serie dann im Verlag Schwarzer Turm erschien, erfuhr sie auch auf Comic-Messen Aufmerksamkeit. Immerhin wurden die ersten beiden Bände bereits 2017 mit dem Icom Independent Comic Preis in der Kategorie "Herausragendes Artwork" ausgezeichnet. Icom ist in dem Fall der 1981 gegründete Interessenverband Comic, Cartoon, Illustration und Trickfilm. Auch wenn "München 1945" grafisch mehr einem westlichen Comic entspricht als einem japanischen Manga, genügten die Manga-Anteile in Schmatz' Illustrationen, um auch das Interesse von Carlsens Manga-Programmleiter Kai-Steffen Schwarz zu wecken: "Wir kannten Sabrina Schmatz und ihre Werke schon seit Jahren und haben ihre Serie in der Erstveröffentlichung beim Schwarzen Turm in sechs Alben mitverfolgt. Wir sind dann mit ihr ins Gespräch gegangen, ob sie sich nach Komplettierung der Erstveröffentlichung dort eine andere Ausgabe von ,München1945' bei Carlsen vorstellen kann", sagt Schwarz.

Tatsächlich war es Schmatz nämlich ein persönliches Anliegen, die Serie erst einmal dankbar beim Schwarzen Turm zu Ende zu bringen. "Carlsen eröffnet mir da natürlich einen viel größeren Markt. Trotzdem hätte ich es als unfair empfunden, wenn ich inmitten der Serie den Verlag gewechselt hätte", sagt Schmatz. Möglicherweise ist es auch solcher Fairness zu danken, dass nunmehr selbst der Schwarze Turm auf seiner Internetseite die bei der Konkurrenz erscheinende Gesamtausgabe von "München 1945" bewirbt. Vielleicht ist das aber auch nur eine Frage des guten Geschmacks.

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