Club: Bullitt:Klang-Ekstase im Morgengrauen

Nachdem sich das Harry Klein vom Untergrund zum Mainstream verabschiedet hat, haben die Technojünger im Club Bullitt eine neue Heimat gefunden: Ein Ort, wo die Klofrau Lollis und Umarmungen unter das Volk bringt, während die Masse bis in den frühen Morgen ausgelassen feiert - notfalls auch im Regen.

Benjamin Krischke

Der Bass hämmert einem bereits am Parkplatz in den Optimolwerken entgegen. Nur ein paar Meter bis zum Ziel, an den Türstehern vorbei, und man steht im Außenbereich, wo bereits ausgelassen zu Technosound gefeiert wird. Man wird nicht gemustert, nicht von oben bis unten angesehen. Aussehen? Egal. Kleidung? Nicht wichtig. Hier zählt nur der Sound: Das Harry Klein, ganz so wie früher - ein Déjá-vu.

club bullit, bullit

Harry-Klein-Nachfolger in den Optimolwerken: Das Bullit gibt es seit genau einem Jahr. Der Club lockt mit zwei Areas, gutem Sound und einer feierwütigen Menge.

(Foto: bullit)

Doch das Harry von einst gibt es nicht mehr. Der Club hat sich seit längerer Zeit schon in die Mainstream-Partyliga in Richtung Sonnenstraße verabschiedet, und zählt heute die Indie-Location Cord und die Milchbar zu seinen Nachbarn: Weniger "dreckig", aber auch weniger Charakter. Das treue Publikum von einst, hat sich deshalb eine neue Anlaufstelle gesucht und auch gefunden: das Bullitt. Geistiger Erbe und Nachmieter, der in die verlassenen Räumlichkeiten des alten Harry Kleins gezogen ist.

Ein altbekanntes Technophänomen

Karotte, Paul Kalkbrenner, Antony Rother: Große DJ-Namen, wie sie im Harry auf der Liste stehen, kann das Bullitt noch nicht bieten. Hauptsächlich stehen hier Unbekannte bis mittelmäßig bekannte Electro-DJs hinter dem Pult. An diesem Abend hat sich DJ Mendo eingefunden. Unterstützt wird er von den Residents Chris Zeitlmeier und Monty (Plattenkonferenz).

Zwei runde Tische, zwei große Schirme, ein Strandkorb für zwei Personen und einige Bierbänke: Das ist der Außenbereich des Bullitt. Bei gutem Wetter trifft man den Haupt-Act draußen, den Support drinnen an. Das Wetter an diesem Samstagabend ist jedoch eher bescheiden. Es ist kühl und es regnet: also erst mal rein in den Club. Ein Blick auf die Uhr: zwei Uhr morgens.

Der First Floor des Bullitt ist ein viereckiger, dunkler Raum, an dessen Wände abstrakte Bilder und Kunstwerke projiziert werden, die sich bewegen, wechseln, ineinander fließen. Auf der rechten Seite steht längs die Bar, die Tanzfläche befindet sich auf der linken Seite. Dass diese noch äußerst übersichtlich ist, stört die wenigen Besucher, die bereits im Rhythmus der elektronischen Klänge tanzen, wenig. Es zeichnet sich ein altbekanntes Technophänomen ab: Je mehr Untergrund ein Club ist, desto später kommen die Gäste; man kommt spät und geht noch viel später. Die Partys erleben ihren Höhepunkt irgendwann zwischen 5 und 7 Uhr, dann also, wenn andere Clubs schon Bestrebungen nachgehen, ihre Gäste vor die Tür zu setzen.

Nichts für Schüchterne

Tanzen im Nieselregen

Vier Uhr Morgens: Im Bullitt geht man freiwillig vor die Tür, aber nicht, um nach Hause zu gehen, sondern um zu feiern. Denn trotz grauem Himmel und Nieselregen bewegt sich der Partymittelpunkt im Laufe des Abends stetig in den Außenbereich, auf den Second Floor, wo der Sound nicht leiser ist als im Club - und von den mittlerweile zahlreich erschienenen Gästen erst recht nicht leiser zelebriert wird: Jedes Mal, wenn der Beat kurzzeitig der Melodie weicht, begrüßt die tanzende Menge die Rückkehr der tiefen Dröhnung mit lautstarker Freudebekundung und dem obligatorischen "Whooo!". Mitten in der Stadt könnte sich das Bullitt bei diesem Geräuschpegel wohl regelmäßig eine neue Location suchen. Aber in den Optimolwerken stört die ausgelassene Feierei niemanden.

Das Miteinander unter den Bullitt-Besuchern ist einwandfrei. Die Gäste gehen völlig ungezwungen aufeinander zu, ständig redet einen jemand an, und man kommt ins Gespräch über das Harry Klein von damals und heute, oder die weltberühmten Techno-Clubs auf Ibiza. Wer eher schüchtern und zurückhaltend ist, und sich nach Münchner Manier gerne im kleinen Grüppchen isoliert, der wird ein wenig Zeit brauchen, um sich in die Atmosphäre einzufinden. Geschmackssache eben, aber einen Vorteil hat das Ganze: Von Aggression oder Hahnenkämpfen keine Spur.

Inhaber des Clubs ist Ali Escobar, der bereits seit 24 Jahren als DJ und Veranstalter unterwegs ist. Seine Motivation das Bullitt zu betreiben, fast er so zusammen: "Ich habe viele großartige Nächte im alten Harry Klein erlebt, und auch den Außenbereich fand ich schon immer großartig." Also warum die Location brach liegen lassen?

Einziges Manko, aber ein gewichtiges

Die Getränkepreise im Bullitt sind einigermaßen moderat: Die 0,5 Literflasche Bier kostet vier Euro, Mixgetränke wie Vodka-Bull liegen bei 8,50 Euro, den Shot Jägermeister hingegen gibt es für günstige zwei Euro. Und wer nett zu der Dame vor dem Klo ist, der bekommt einen Lolli, oder sogar eine herzliche Umarmung - beides natürlich gratis. Die Damen und Herren hinter der Bar sind überaus freundlich und die Versorgung mit Drinks verläuft ohne lange Wartezeiten.

Das ist leider auch mehr als nötig. Denn wenn man es lieber indoor, anstatt outdoor krachen lassen möchte, fühlt man sich nach kurzer Zeit wie in einer finnischen Sauna: Die Temperaturen im Club sind, vorsichtig gesagt, äußerst gewöhnungsbedürftig - das einzige Manko des Bullitt, aber leider auch ein gewichtiges. Denn, was machen, wenn es draußen zu kalt ist zum Feiern?

Sechs Uhr Morgens: Die Stimmung ist am Höhepunkt angekommen: Unter dröhnenden Bassklängen begrüßt die Meute die ersten Sonnenstrahlen, als endlich der Nieselregen aufhört. Zwei Partygänger sind so in Klang-Ekstase, dass sie sich bei einer Umarmung vor lauter Enthusiasmus gegenseitig zu Boden reißen. Einfach wieder aufstehen, weiter geht die Party. Der Himmel zieht auf, die Menge jubelt und tanzt noch stundenlang in den Sonntag hinein. Ganz wie im alten Harry eben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: