Clowns im Prinzregententheater:"In jedem steckt ein Clown"

Humor kann man üben: Der Weltklasse-Clown Peter Shub erklärt, wie man lustiger werden kann, was an einer Tortenschlacht so spaßig ist und warum fehlende Konflikte den Tod bedeuten.

Sarina Märschel. Mit Video von Marcel Kammermayer

Peter Shub, 50 Jahre, erzählt seine Geschichten normalerweise ohne Worte. Der gebürtige Amerikaner ist Weltklasse-Clown, freier Schauspieler und Regisseur. Er war lange Jahre Publikumsliebling im Zirkus Roncalli, hat mit vielen Organisationen und Künstlern zusammengearbeitet und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So bekam er den Preis der Jury beim Internationalen Theater-Festival in Cannes für sein Comedy-Solo "Nice Night for an Evening". Der Comedian aus Philadelphia hält außerdem Workshops, in denen er erklärt, warum Menschen lachen - und zeigt, wie man sie dazu bringt.

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(Foto: Foto: petershub.com)

Noch bis zum 17. April ist er jeweils um 19.30 Uhr (außer Montag) in der Gala "Clowns! - Kunst des Lachens" im Prinzregententheater zu sehen.

sueddeutsche.de: Herr Shub, können Sie uns ein paar Tipps geben, wie man lustiger wird?

Peter Shub: Sie müssen Menschen beobachten. Wenn Sie etwas Lustiges machen wollen, muss es etwas sein, das wir wiedererkennen, etwas Vertrautes.

sueddeutsche.de: Und dann ist man schon lustig?

Shub: Etwas Lustiges passiert meist zufällig. Wenn man Komiker ist, muss man einen Spaß aber wiederholen können. Man muss die Leute wieder und wieder zum Lachen bringen, jeden Abend. Komiker sind deshalb wie Humor-Ingenieure: Sie analysieren die Struktur und das System von Humor.

sueddeutsche.de: Was gehört noch zum Humor-System?

Shub: Ein Clown braucht Konflikte. Denn ein Konflikt bietet ein Grundgerüst für Komik. Ohne Konflikte bist du tot. Du bist langweilig. Als Clown muss man herausfinden, welche Regeln die Gesellschaft hat. Indem der Clown diese Regeln dann bricht, entsteht Komik.

sueddeutsche.de: Zum Beispiel?

Shub: Kinder wollen mit Essen experimentieren, wollen dessen Beschaffenheit fühlen. Aber die Eltern sagen: Spiel nicht mit dem Essen! Das ist eine Regel, die wir schon früh lernen. Wenn wir älter werden, bezahlen wir viel Geld, um in den Zirkus zu gehen und was zu sehen? Menschen, die mit Essen spielen! Ich werfe einem anderen Clown eine Torte ins Gesicht und die Leute lachen. Sie lachen, weil ich etwas mache, das ihnen nicht erlaubt ist oder das sie sich nicht trauen würden.

sueddeutsche.de: Warum machen Sie eigentlich diesen Job?

Shub: Warum ich Menschen zum Lachen bringe?

sueddeutsche.de: Ja, genau.

Shub: Es ist mein Beruf. Sie sind Journalistin, sie drücken sich dadurch aus, dass sie schreiben, ich drücke mich eben durch meine Ideen und meinen ganzen Körper aus. Ich bin erfolgreich, wenn die Menschen lachen.

Im zweiten Abschnitt: Wie Peter Shub feststellte, dass er hauptberuflich lustig sein will und warum ihn seine Lehrer öfters beiseitegenommen haben.

"In jedem steckt ein Clown"

sueddeutsche.de: Wie wurden Sie Clown?

Shub: Die Gesellschaft hat mich so geformt. Ich habe mit ernsthafter Schauspielerei begonnnen, ich wollte in Paris Schauspiel studieren. Aber die Leute haben immer gelacht, wenn ich ernsthafte Dinge gemacht habe, zum Beispiel sobald ich versucht habe, Shakespeare zu spielen. Nach einer Weile ist mir klargeworden: Das ist meine Stärke!

sueddeutsche.de: Das ist Ihnen nicht früher aufgefallen?

Shub: Doch, eigentlich schon. Ich war acht Jahre alt. Ich saß mit einem Freund, der ebenfalls acht Jahre alt war, auf einer Parkbank und wir aßen Kekse und Salzstangen und hatten eine Menge Spaß. Mein Freund hatte den ganzen Mund voller Salzstangen. Als ich etwas Lustiges gesagt habe, spuckte er mir alles ins Gesicht. In dem Moment wurde mir klar: Ich möchte hauptberuflich lustig sein.

sueddeutsche.de: Haben Ihre Klassenkameraden schon in der Schule über sie gelacht?

Shub: Ja, ich war der Klassenclown. Die Lehrer haben mich manchmal zur Seite genommen und gesagt: Du solltest dich besser benehmen, sonst endest du noch als Clown im Zirkus - willst du das etwa? Ich wusste damals noch nicht, dass ich genau das wollte.

sueddeutsche.de: Haben Sie Ihre Lehrer später mal wiedergetroffen?

Shub: Nein, aber vielleicht haben sie mich im Fernsehen gesehen. Und fühlen sich jetzt verantwortlich.

sueddeutsche.de: Im Moment arbeiten Sie bei der Gala "Clowns! - Kunst des Lachens" mit anderen Kollegen zusammen. Wie sind die so?

Shub: Ich habe selten die Gelegenheit dazu, meistens bin ich alleine unterwegs. Das wird ganz schön einsam mit der Zeit ... Ich bin ganz alleine (das sagt er auf Deutsch, ganz leise). Meine Kollegen sind sehr lustige Menschen, auf und hinter der Bühne. Sehr interessante, intelligente Persönlichkeiten, und es ist mir ein Vergnügen, ihnen zuzusehen. Es ist wunderbar.

sueddeutsche.de: Ich weiß ja nicht, ob alle Clowns so sind wie Sie ...

Shub: (er unterbricht) Ich bin wahrscheinlich einer der Besten.

sueddeutsche.de: ... jedenfalls wirken Sie im Gespräch ziemlich locker.

Shub: Ich bin innerlich ja vielleicht auch steif, aber von außen bin ich ganz unverkrampft. Ich kann meine Steifheit verbergen, das ist Training. Auf der Bühne muss ich lustig und vergnügt sein. Die Leute kümmert es nicht, ob ich Probleme mit mir habe oder mit der Welt, in der ich lebe. Sie wollen Spaß haben, im Moment leben.

sueddeutsche.de: Sind eigentlich alle Menschen innerlich verkrampft?

Shub: Ich glaube ja. Aber andererseits haben alle Leute etwas Lustiges an sich. Tief in jedem der Menschen da draußen steckt ein Clown. Meistens kommt er nicht zum Vorschein. Das ist gut für mich, sonst hätte ich viel mehr Konkurrenten. Ich bin so erfolgreich als Komiker, weil es nicht so viele Leute gibt, die sich trauen, davon zu leben, andere zum Lachen zu bringen.

Im dritten Abschnitt lesen Sie, warum die Leute nicht zu lustig werden sollten und was dem Clown an den Münchnern aufgefallen ist.

"In jedem steckt ein Clown"

sueddeutsche.de: Sie geben aber doch Workshops ...

Shub: Ja, ich bringe anderen Leuten bei, lustig zu sein. Aber ich will nicht, dass sie zu lustig werden, sonst nehmen sie mir ja die Arbeit weg.

sueddeutsche.de: Wie geht das denn jetzt ganz praktisch vonstatten, dass Sie Leuten beibringen, lustig zu sein?

Shub: Der Workshop beginnt damit, dass die Teilnehmer nicht lustig sind. Einer sitzt vor der Gruppe auf einem Stuhl und macht gar nichts, die anderen 25 Leute klatschen. Das ist vielleicht das einzige Mal im Leben, dass man gemocht wird, ohne etwas dafür zu tun. Es ist ein gutes Gefühl und schafft Vertrauen. Und dann finden wir Schritt für Schritt gemeinsam raus, wie diese Person lustig sein kann.

sueddeutsche.de: Und wie genau findet man das heraus?

Shub: Wir lassen die Person zum Beispiel ein Kindergartenlied singen. Wenn die Leute lachen, versuchen wir zu analysieren: Warum haben sie gelacht?

sueddeutsche.de: Sie treten gerade im Münchner Prinzregententheater auf. Wie war die Show gestern?

Shub: Es war die Premiere. Es waren viele geladene Gäste dort - ein schwierigeres Publikum. Solche Leute kommen vielleicht gar nicht, weil sie speziell die Künstler sehen wollen, sondern weil sie eine Einladung für die Show bekommen haben. Aber ich denke, wir haben sie überzeugt und ihre Herzen gewonnen. Sie haben viel gelacht, es gab am Ende drei oder vier Zugaben.

sueddeutsche.de: Ist Ihnen an den Münchnern eigentlich irgendetwas Besonderes aufgefallen?

Shub: Die Menschen hier reden mit ihren Tieren. Ich habe heute eine Frau gesehen, die hat ihren Hund gefragt: "Wie oft habe ich nein gesagt?" Ich hätte mir so gewünscht, dass der Hund gesagt hätte: "Ich weiß nicht, vielleicht drei-, vierhundert Mal?" Hier in München übernachte ich bei einer Bekannten mit einem großen Hund. Er hat die ganze Wohnung vollgekackt, und sie hat zu ihm gesagt: "Komm her, hast du das gemacht?" Mir hat der Hund leidgetan, deshalb habe ich gesagt: "Nein, nein, ich war's."

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