Prozess:Hat Münchens bekanntester Friedensaktivist die verbotene PKK unterstützt?

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Seit mehr als sechs Jahrzehnten demonstriert Claus Schreer gegen Krieg und Rüstung. Nun muss sich der 80-Jährige vor dem Amtsgericht verteidigen - und nutzt die Gelegenheit für eine grundsätzliche Erklärung.

Aus dem Gericht von Thomas Anlauf

Claus Schreer ist wohl Münchens bekanntester Pazifist. Seit mehr als sechs Jahrzehnten demonstriert der mittlerweile 80-Jährige gegen Krieg und Rüstung, aber auch gegen Rassismus und Unterdrückung. Er hat seit den Sechzigerjahren Hunderte Demonstrationen organisiert und geleitet, bei Kundgebungen wird der Grafiker wohl von jedem Münchner Polizeibeamten erkannt.

Ausgerechnet Schreer saß nun am Montag in einem kleinen Sitzungssaal des Amtsgerichts auf der Anklagebank. Ihm wird vorgeworfen, auf der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz im Februar 2018 verbotene Symbole getragen zu haben: einen Wimpel der syrischen Frauenverteidigungseinheiten "YPJ" sowie ein Plakat mit der Abbildung des seit zwei Jahrzehnten in lebenslanger Haft befindlichen PKK-Führers Abdullah Öcalan und dazu die schriftliche Forderung "Freiheit für Öcalan". Damit könnte Schreer theoretisch die in Deutschland verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützt haben.

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Der Friedensaktivist nutzte die Verhandlung am Montag, um eine grundsätzliche Erklärung zu verlesen. So verweist Schreer darauf, dass die von ihm angemeldete Demonstration gegen die Nato-Sicherheitskonferenz am 17. Februar 2018 drei Wochen, nachdem die türkische Armee "unter Bruch des Völkerrechts im nordsyrischen Afrin einmarschiert ist", stattfand. Schreers Anwalt Alexander Hoffmann folgert daraus, dass es bei der Demonstration "ganz klar um pazifistische Forderungen" gegangen sei "und in diesem Moment lag der Fokus ganz klar auf Syrien".

Zu dem Vorwurf, einen YPJ-Wimpel getragen zu haben, erklärt Schreer: Die Volksverteidigungskräfte YPG und die Fraueneinheiten YPJ "gelten weltweit als die entschiedensten Kämpfer, die Nordsyrien von der Schreckensherrschaft der IS-Terrorbanden befreit haben". Dies kurdischen Volksverteidigungsverbände "verdienen unseren Respekt und unsere Solidarität", so Schreer. Die Staatsanwaltschaft unternehme mit der Anklage den Versuch, "diejenigen zu kriminalisieren, die sich mit dem aufopferungsvollen Kampf der Verteidigungskräfte in Nordsyrien solidarisieren". Dabei bediene sich die Staatsanwaltschaft einer absurden Konstruktion, indem sie behaupte, dass die Kennzeichen der YPJ von der PKK "usurpiert" würden.

Tatsächlich ist dies die Haltung des Bundesinnenministeriums. Ein Experte der Bundesbehörde sagte am Montag vor Gericht aus, dass das Ministerium die YPJ und YPG nicht als Organisationen der PKK ansehe, "aber die PKK bedient sich der Kennzeichen ersatzweise". Die bewaffneten kurdischen Milizen in Syrien und deren Kennzeichen seien in Deutschland nicht verboten. Das Zeigen des Porträts Öcalans hingegen sei nur in Ausnahmen nicht verboten. Dann nämlich, wenn es "ganz eindeutig nur um das persönliche Schicksal von Öcalan geht". Schreer meint, dass es das Recht aller Demokraten sei, die Freilassung von Öcalan auch mit einem Porträt in der Hand zu fordern. Er habe so auch vor vier Jahrzehnten die Freilassung Nelson Mandelas gefordert. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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