Stabwechsel bei Verdi:Die Frau an der Spitze der Gewerkschaft

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Claudia Weber ist seit diesem Sommer Geschäftsführerin von Verdi München. (Foto: Catherina Hess)

Claudia Weber ist seit diesem Sommer neue Geschäftsführerin in München. Für die nächsten Tarifrunden weiß sie: Die Kommune ist klamm.

Von Catherine Hoffmann

Das Reich von Claudia Weber ist riesig: Seit 1. Juli ist die Volkswirtin neue Geschäftsführerin bei Verdi München. Die Dienstleistungsgesellschaft kümmert sich um Banken und Versicherungen, IT und Telekommunikation, Versorger und Entsorger, Groß- und Einzelhandel, Post und Logistik, Gesundheit, Hochschulen und noch ein paar Wirtschaftszweige mehr. Als ob das nicht schon genug wäre, gehört auch der öffentliche Dienst zu den Aufgaben von Verdi und seiner Chefin Weber.

Manch eine würde die Last der Verantwortung erdrückend empfinden. Weber macht nicht den Eindruck, dass ihr das zusetzt. Ob sie einmal nachgezählt habe, für wie viele Beschäftigte sie und ihre Mitstreiter bei Verdi Löhne und Arbeitsbedingungen verhandeln? Die überraschende Antwort: „Nein, da gibt es keine Zahl“, so Weber. Vielleicht ist sie so gelassen, weil sie mit der Aufgabe vertraut ist: Weber war seit 2007 Stellvertreterin ihres Vorgängers Heinrich Birner, der im Sommer in den Ruhestand gegangen ist.

Weber ist „schon ewig“ bei der Gewerkschaft. Sie kommt aus einer Generation, da ist man als Auszubildende eingetreten und ein Leben lang dabeigeblieben. Das gibt es nur noch selten. Heute ist das Verhältnis zur Gewerkschaft weniger von Treue als von Opportunismus geprägt. „Wir gewinnen immer wieder neue Mitglieder, etwa bei der Post oder im Paketbereich“, sagt Weber. Da sich die Arbeitsbedingungen dort spürbar verschlechterten, suchten sich die Leute aber schnell bessere Jobs in anderen Branchen – und kündigten ihre Mitgliedschaft bei Verdi. „Viele schauen, was die Gewerkschaft für sie macht, werden vor Tarifverhandlungen Mitglied und gehen danach wieder“, sagt Weber. „Da gibt es eine gewisse Anspruchshaltung.“ Insgesamt sei der Organisationsgrad bei den einstigen Staatsunternehmen Post und Telekom aber noch recht hoch.

Weber selbst hat 1984 bei der Deutschen Bundespost Fernmeldehandwerkerin gelernt, seither ist sie Gewerkschaftsmitglied. „Ich wollte unbedingt einen technischen Beruf erlernen“, sagt sie. Das sei für Frauen vor 40 Jahren noch sehr schwierig gewesen. Auch bei der Post waren sie eine Ausnahmeerscheinung: Unter den 500 Auszubildenden im Münchner Norden fanden sich damals über alle drei Lehrjahre hinweg lediglich 18 Frauen. „Es war eine total schöne Zeit“, erinnert sich Weber. Danach habe sie lange Zeit als Technikerin im Olympiaturm gearbeitet. „Unsere Büros waren unter dem Restaurant. Von dort aus wurde das analoge Fernsehen übertragen“, sagt Weber. „Einmal durfte ich mit Gurten gesichert bis ganz oben auf die Spitze hinaufklettern und auf 295 Metern die Lampen auswechseln.“ Heute besteigt Weber lieber Berge und trainiert ihre Ausdauer im Fitnessstudio.

Weber ist in ihrer gesamten Berufszeit gewerkschaftlich aktiv, wird Jugendvertreterin und Personalrätin. Sie macht auf dem zweiten Bildungsweg ihren Hochschulabschluss, studiert im schottischen Dundee und in Hamburg Volkswirtschaftslehre und arbeitet danach als Gewerkschaftssekretärin bei der Deutschen Postgewerkschaft in Frankfurt am Main, wo sie Arbeitnehmervertreter berät, die sich in Aufsichtsräten und Wirtschaftsausschüssen engagieren. 2001 wechselt sie – damals alleinerziehende Mutter – nach München, wo ihre inzwischen verstorbenen Eltern leben, und wird Gewerkschaftssekretärin bei Verdi mit dem Schwerpunkt Post, Spedition, Logistik.

Weber weiß, die Haushaltslage Münchens ist angespannt

Aktuell beschäftigen sie vor allem die anstehenden Tarifrunden im öffentlichen Dienst. Gerade werden die Beschäftigten nach ihren Wünschen befragt. Die Umfrage läuft noch bis 10. Oktober, dann beschließt die Gewerkschaft ihre Forderungen. Beim letzten Mal konnte sie 10,5 Prozent heraushandeln, plus Einmalzahlungen. So üppig dürfte das Lohnplus diesmal nicht ausfallen. „Die Kommune ist klamm, das macht es für uns schwierig“, sagt Weber und verweist auf die angespannte Haushaltslage Münchens. Die Kommune ist mit rund 40 000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Stadt.

Die Arbeitsbelastung sei in vielen Bereichen hoch, die Personaldecke dünn, entsprechend groß sei der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung. 4800 Stellen seien derzeit bei der Stadt nicht besetzt – sie sollen jetzt gestrichen werden, angesichts der leeren Stadtkasse. Nicht nur in den Kitas und Pflegeheimen mangele es an Personal, auch in der Verwaltung. Die Stadt müsse an ihrer Attraktivität als Arbeitgeber arbeiten und „gute Arbeitsbedingungen, gute Arbeitszeiten und gute Löhne“ ermöglichen. Schließlich sorgen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst dafür, dass München lebenswert ist: Sie bringen den Müll weg, fahren die U-Bahn oder bewachen das Schwimmbecken.

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