Süddeutsche Zeitung

Circus Krone:"Wir brauchen nur Wasser und Zuschauer"

Das größte reisende Zelt der Welt steht derzeit auf der Theresienwiese. Von der Stromversorgung über den Schulwagen bis zur Küche: Der Circus-Krone-Tross ist fast eine autonome Kleinstadt - und zieht bald um

Von Barbara Hordych

Wer in diesen Tagen den Weg zur Theresienwiese einschlägt, dem bietet sich ein ungewohnter Anblick: Noch bis zum 15. April steht dort der "Blaue Dom", in dem vor 3000 Zuschauern die Krone-Jubiläumsshow "Mandana" gezeigt wird. Ausnahmsweise können die Münchner ihren Zirkus, den sie normalerweise im steinernen Stammhaus besuchen, so erleben wie die übrige Bevölkerung - im größten reisenden Zelt der Welt. Geht man am Zelt vorbei, öffnet sich der Blick auf die Stallungen der Pferde, der Exoten wie Lamas und Kamele und die Außengehege der Raubkatzen. Daran anschließend sortieren sich die Wohnwagen der knapp 200 Circusleute, Artisten und Mitarbeiter sowie die Spezialwagen wie Küche, Feuerwehr, Tanklaster, Sattlerei und Schneiderei. Und natürlich ist auch die mobile Schule für die Sprösslinge der Artisten und Angestellten in Wagen Nummer 49 mit dabei, wenn 22 Zugmaschinen die insgesamt 260 Wohn-, Pack- und Gerätewagen in der kommenden Woche nach Landshut transportieren, wo am 18. April Premiere in der ersten Gastspielstadt der Saison ist. "Wir brauchen nur Wasser und Zuschauer - alles andere haben wir dabei", sagt Krone-Sprecher Andreas Kielbassa beim Rundgang über die Theresienwiese.

Freilich eine gewaltige logistische Herausforderung. "Auch für unsere erfahrensten Mitarbeiter, denn wir haben eine komplett neue Innenausstattung, mit der Palastfassade, dem Holzboden und einer neuen Licht- und Soundanlage", berichtet Direktorin Jana Mandana Lacey-Krone, als sie mit ihrem Mann Martin Lacey Jr. hinzukommt. In Jeans und Kakijacken, denn sie sind auf dem Weg in die Ställe, die nächste Show ist noch ein paar Stunden entfernt.

"Hier auf der Theresienwiese mögen wir wie ein kleiner Wanderzirkus aussehen. In den anderen Städten merkt man erst, welch ein gewaltiges Ausmaß unsere rollende Stadt hat", sagt Kielbassa. Der Messepark in Landshut sei als Standplatz sehr weitläufig, der Volksfestplatz in Günzburg, der zweite Gastspielort, dagegen kleiner. "Da stehen dann die Wagen enger, und man bekommt viel mehr vom Nachbarn mit", sagt Kielbassa. Die Krone-City führt sogar ihren eigenen Strom mit: In einem Zwölf-Meter-Hänger befinden sich zwei Dieselmotoren à 550 PS und zwei Lichtmaschinen. Zusammen erbringen sie 1 000 Kilowatt Leistung - genug, um eine Kleinstadt mit Strom zu versorgen.

An diesem Freitag bricht bereits das "Krone-Vorkommando" nach Landshut auf. Wenn dann der Wagentross ankommt, sind die Stallungen der Tiere schon aufgebaut. Die gibt es nämlich in doppelter Ausführung, "eingestreut und mit Wasser und Salzleckstein versehen, alles steht parat, sofort, wenn die Tiere eintreffen", sagt Kielbassa. Das gilt auch für die vier, je 22 Meter hohen Hauptmasten des Zelts, die es ebenfalls in doppelter Ausführung gibt. Das Zelt allerdings ist ein Unikat. Damit daran unterwegs im Falle eines Falles etwas ausgebessert werden kann, werde noch eine uralte, riesige Nähmaschine mitgeführt, sagt Kielbassa. "Sollte in Frankfurt oder Husum etwas reißen, können wir die Plane schlecht zum Flicken nach Hause schicken." Kleinere Teile wie die Uniformen der Requisiteure und des Einlasspersonals werden in der Herrenschneiderei instandgesetzt und ausgegeben - täglich sind das bis zu 50 Stück, die gebraucht werden.

Die Verpflegung liegt fest in den Händen von Ionela Denk und ihren drei Mitarbeitern. Um sechs Uhr hat der Küchendienst im Kantinenwagen begonnen, drei Mahlzeiten am Tag werden ausgegeben. Zumeist gibt es deutsch-rumänische Hausmannskost wie Bohnensuppe, Hühnerfrikassee oder Gulasch, gekocht wird in drei großen Kesseln (200, 180 und 50 Liter) sowie einem Heißluftdampfgerät. Am Auf- und Abbautag sind die Mahlzeiten immer besonders reichhaltig und fleischlastig, "da hole ich mir schon mal nur eine halbe Portion, als sitzender Büromensch verbraucht man ja weniger", so Kielbassa. Die Artisten verköstigen sich in den Campingwagen-Küchen meistens selbst, sie haben andere Zeiten, essen etwa erst nach der zweiten Vorstellung am späteren Abend. Und den Speiseplan des Direktorenpaars besorgt eine Haushälterin, die schon Christel Sembach-Krones Mahlzeiten plante. Um 18 Uhr gibt es ein gemeinsames Abendbrot der Krone-Familie im Direktionswagen, Nummer 80: Auch die Kinder, Sohn Alexis und seine Cousine Shirin, die Tochter von Janas Schwester Nina, sind dabei. "Schon früher fragte die Chefin immer die Kinder um ihre Meinung; eine Tradition, die wir jetzt fortsetzen", sagt Jana Mandana Lacey-Krone. Aber sie setzt auch auf Modernität: Beispielsweise auf eine mobile Pferdeführanlage, wie sie sonst nur in modernen Reitergestüten zum Einsatz kommt. Bis zu vier Pferde können darin nach einem individuell erstellten Plan bewegt werden, nicht von Hand geführt, aber unter Beobachtung eines Tierpflegers.

Die Raubkatzen ihres Mannes Martin verschlingen im Monat Fleisch für 20 000 Euro. Es wird in einem eigenen Kühlwagen gelagert und von einem Metzger aus Bad Windsheim an jeden Gastspielort geliefert. Meistens handelt es sich um Rindfleisch, es sei denn, Lacey setzt einen "Chicken Day" an, einen Hähnchen-Tag. Das Direktorenpaar freut sich schon sehr auf die Tournee. Bestimmt drei Jahre werden sie mit der neuen Show unterwegs sein, mutmaßen sie. Nur nicht mehr in München. "Unser Stammpublikum wird wie jeden Winter wieder drei wechselnde Programme erleben", sagt die Direktorin.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2019
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