Christopher Street Day:Politik auf Pumps

Dragqueens, Discoklänge und politische Forderungen: Auf dem Christopher Street Day in der Münchner Innenstadt geht es bunt zu.

Lisa Sonnabend

Jeanette hat sich die Haare frisch geföhnt, die Augen sind dunkel geschminkt. An ihren Ohren baumeln große Ohrringe in Herzform, an der Brust eine Blumenbrosche. Sie trägt ein blaues Kostüm. Mit tiefer Stimme sagt sie: "Ich bin Jeanette, im normalen Leben heiße ich jedoch Walter."

CSD 2009, München

Etwa 2000 Schwule, Lesben und Freunde ziehen durch die Straßen der Innenstadt, um zu feiern, aber auch um auf die Probleme aufmerksam zu machen, unter denen Homosexuelle in München leiden.

(Foto: Foto: dpa)

Jeanette nimmt am Samstag beim Christopher Street Day in München teil. Gemeinsam mit rund 2000 Schwulen, Lesben und Freunden zieht sie durch die Straßen der Innenstadt, um zu feiern, aber auch um auf die Probleme aufmerksam zu machen, unter denen Homosexuelle in München leiden.

Gerade stoppt der Zug am Gärtnerplatz. Vor ihr halten zwei Männer in Lederkluft Händchen, hinter ihr tanzt ein Mann in Minirock zu den Rhythmen, die von den Wagen erklingen. Am Rande küssen sich zwei Frauen. "Ich spüre immer noch eine Intoleranz im alltäglichen Leben", sagt Jeanette. In der Arbeit, beim Ausgehen, beim Einkaufen, gelegentlich sogar im Freundeskreis. "Deswegen bin ich hier."

Das Motto in diesem Jahr lautet "Lust auf Leben" - und ist keineswegs unpolitisch gemeint. Der Slogan nimmt Bezug auf das 25-jährige Bestehen der Münchner Aids-Hilfe und deren Motto "25 Jahre Lebenslust".

Und bei der politischen Kundgebung nach dem Umzug steht natürlich wieder Oberbürgermeister Christian Ude auf der Bühne vor dem Rathaus. Seit Jahren setzt sich Ude für die Rechte Homosexueller ein, zum 17. Mal ist er Schirmherr der Veranstaltung. Ein langer Applaus ist ihm sicher.

"Zwar ist der CSD inzwischen von Dragqueens und Discosound beherrscht", sagt Ude. Aber es bleibe eine politische Veranstaltung, weil die Teilnehmer spüren würden: Wir sind viele. "Die tolerante Stimmung muss das ganze Jahr über weitergetragen werden", fordert Ude. Als Zeichen hat die Stadt auch in diesem Jahr die Türen des Rathauses geöffnet. Dort feiern die Teilnehmer des Christopher Street Days am Samstag bis spät in die Nacht.

Thomas Niederbühl, Stadtrat der Rosa Liste, sagt: "Noch nie waren wir so akzeptiert wie heute. Aber wir wollen absolute Gleichbehandlung." Von August an dürfen Bayerns Schwule eine Lebenspartnerschaft schließen, der Ehe ist diese allerdings nicht gleichgestellt. Schwulen Paaren ist es zudem nicht erlaubt, Kinder zu adoptieren. Niederbühl forderte außerdem, das Grundgesetz zu erweitern und einen Paragrafen aufzunehmen, dass man wegen seiner sexuellen Orientierung nicht benachteiligt werden dürfe.

Auch Ramona Leiß, Moderatorin des ZDF-Fernsehgartens, spricht auf der Bühne vor dem Rathaus. Vor einem Jahr hat sie sich geoutet. Sie ermahnt, das Thema Aids ernst zu nehmen.

Aber auch viele Teilnehmer machen deutlich, dass es ihnen um mehr geht als um eine gelungene Feier. Dietmar Holzapfel, Besitzer der Deutschen Eiche, hat in diesem Jahr keine Papstpuppe mitgebracht, sondern einen Wagen, auf dem steht: "Todesstrafe für Schwule - weg damit!" Holzapfel erinnert, dass in islamischen Ländern wie Iran, Saudi-Arabien, Jemen oder Sudan Homosexuelle auch heute noch verfolgt werden.

In Bayern-Trikots protestieren die Mitglieder von "Queerpass", dem schwul-lesbischen Fanclub des FC Bayern. Ihr Vorsitzender Mario sagt: "Es wird sicher noch einige Jahre dauern, bis sich Profispieler zum Schwulsein bekennen." Noch würden sie zu sehr fürchten müssen, von den gegnerischen Fans beschimpft zu werden.

Ein kleiner Junge trägt ein T-Shirt, auf dem steht: "Mein Vater ist schwul, das find ich cool." Andere haben sich in großen Buchstaben ihren Beruf auf das T-Shirt geschrieben. Homosexuell in einem kreativen Beruf zu sein, ist oft leichter als in einem Handwerksbetrieb, in der Verwaltung oder bei der Bundeswehr.

Einige Meter entfernt zücken Passanten ihre Digitalkameras, um eine Dragqueen zu fotografieren, die ein rotes Glitzerkleid trägt und sich überdimensionale Stöckelschuhe auf den Rücken gebunden hat. Als einer der Zuschauer ein Erinnerungsfoto gemeinsam mit ihr machen möchte, wehrt diese jedoch ab und sagt: "I'm a zickige Queen." Der Christopher Street Day ist eben kein Karneval oder Streichelzoo, sondern immer noch eine politische Veranstaltung.

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