Kolumne: Das ist schön:Christo für Bayerns schönste Nackte

Kolumne: Das ist schön: Ganz und gar unverhüllt: Der Barberinische Faun in der Glyptothek am Königsplatz.

Ganz und gar unverhüllt: Der Barberinische Faun in der Glyptothek am Königsplatz.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

In Paris geht an diesem Wochenende die Kunstaktion des "Wrapped. Arc de Triomphe" zu Ende. Für München haben Christo und Jean-Claude ebenfalls eine spektakuläre Verhüllung erdacht. Kaum einer erinnert sich noch daran, wo sie stattfinden soll.

Von Susanne Hermanski, München

An diesem Wochenende geht sie zu Ende, die Verhüllung des Triumphbogens in Paris, zu der Hunderttausende pilgerten. Was alle verpassten, die es nicht dorthin geschafft haben, ahnen nur, die 1995 den verhüllten Reichstag in Berlin sahen oder wenigstens 2016 dank Christo übers Wasser liefen, auf den Floating Piers des Iseosees.

Dass auch München seine eigene Christo-Arbeit hätte haben können, ist nur wenigen bewusst. Ein gutes halbes Jahr vor seinem Tod (31. Mai 2020) war er noch einmal nach in Deutschland gekommen. Stets auf Werbetour für seine nächsten Kunstaktionen. Schließlich finanzierte er diese vor allem durch den Verkauf seiner Zeichnungen, Pläne, Skizzen und Lithografien. Diesmal führte ihn der Weg zu einer "Lecture" bei Giesecke und Devrient, jener Firma, die noch immer als Münchner Gelddruckerei bekannt und doch längst ein weltweit agierender Sicherheitstechnologie-Konzern ist.

Christo sprach dort vor ein paar Hundert Interessierten und Sammlern über frühere Projekte und solche, die verwirklicht werden sollten. Von dem Münchner Projekt, das er schon früh, wohl in den Siebzigerjahren ersonnen hatte, erzählte er nichts. Aufmerksam darauf machte Till Breckner. Neben Guy Pieters, dem jahrzehntelangen Hauptgaleristen von Christo und Jean-Claude, handelt auch er mit Christo-Arbeiten. Das Münchner Projekt hing da an einer Stellwand, bescheiden neben Skizzen vieler anderer.

Christo hatte sich nicht etwa das Siegestor ausgesucht in München. Sein Interesse galt der Glyptothek. Doch nicht ihrer äußeren Hülle. Christo, der in seiner frühen Phase auch Frauen verpackte und allerlei kleinere Objekte, hatten es vielmehr die Statuen im Inneren des Kunsttempels angetan. Verpacken wollte er die Ägineten etwa, die heldenhaften Kämpfer von Troja, die aus dem Giebel des Aphaia-Tempels stammen. Oder die Büsten der edlen römischen Häupter. Und, ja auch den Barberinischen Faun, "die sinnlichste Statue der Welt" (Julien Green).

Wie Christo sich das ausmalte, zeichnete und collagierte er: den nackten Satyr, wie er lasziv hingegossen schlummert, in semitransparente Folie verpackt und mit Schnüren vertäut. Die Münchner Museumschefs konnten sich seinerzeit trotzdem nicht für dieses Vorhaben erwärmen. Der Überlieferung nach lehnten sie dankend ab. Was aber bleibt, ist die Vorstellung. Und die ist schön.

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