Münchner Momente:Ausweitung der Senffleck-Zone

Der Christkindlmarkt breitet sich heuer aus wie nie zuvor. Der kollektive Adventsrausch kann kommen.

Von Andreas Schubert

Wer den Advent 2020 in den vergangenen zehn Monaten nicht völlig verdrängt hat, darf sich an eine überaus spannende stade Zeit erinnern. Was war das für ein Nervenkitzel, als man sich mit Thermoskanne und Lebkuchen ausgerüstet unter Isar-Brücken zu illegalen Glühwein-Raves traf. Wer in vorweihnachtlichem Übermut allzu inbrünstig "Ihr Kinderlein kommet" oder "Herbei, oh ihr Gläubigen" anstimmte, musste stets damit rechnen, dass da plötzlich eine Hundertschaft Ordnungshüter auf der Matte stand und einen nach guter alter Krampus-Art zum Schweigen brachte. Dass die Staatsregierung im Dezember wieder die Rute auspackt und alle um 21 Uhr ins Bett schickt, damit ist heuer nicht zu rechnen. Der kollektive Adventsrausch soll wieder in geordneten Bahnen verlaufen, die Christkindlmärkte dürfen wieder öffnen. Und wie nun bekannt wurde, wird der städtische Markt im Zentrum flächenmäßig so groß und zeitlich so lang wie nie zuvor.

Bis zum 9. Januar soll das große Würschtl-Fressen dauern. Die Senfflecken-Zone erstreckt sich diesmal von der Sendlinger Straße über den Marienplatz bis zum Stachus. Danach kann man im Grunde gleich nahtlos die Nikolaus-Mütze durch die Narrenkappe ersetzen, weil dann ja fast schon Fasching ist.

Dass Christkindlmarktreferent Clemens Baumgärtner aus Freude über den diesjährigen XXL-Budenzauber den Nikolaus gibt und auf städtische Kosten Nüsschen verteilt, ist eher unwahrscheinlich. An diesem Mittwoch wird er immerhin wieder den Christbaum für den Marienplatz vorstellen, der diesmal aus Peiting im Pfaffenwinkel kommt. Ob das für Baumgärtner eine angenehme oder eher lästige Pflicht sein wird, wird sich erst herausstellen, wenn der Baum steht. Vergangenes Jahr war die Fichte ganz hübsch und mangels Marktbuden hatten die Münchner einen guten Blick darauf. Sollte es sich - womit erfahrungsgemäß immer zu rechnen ist - mal wieder um eine Art krummer Besenstil mit Nadeln dran handeln, werden die Leute wieder das tun, was sie in so einem Fall früher immer getan haben, vergangenes Jahr aber gar nicht hätten tun dürfen: nämlich sich den Baum schön saufen. Diese Adventstradition dürfte so mancher Münchner schmerzlicher vermisst haben als alle Weihnachts-, Winter- oder Jahresendmärkte dieser Welt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: