Christkindlmärkte:Ist der Christkindlmarkt am Marienplatz nur etwas für Touristen?

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Für manche sind sie einfach nur Kitsch, für andere Kommerz - und doch hat jeder Christkindlmarkt seine treuen Anhänger.

Von Laura Kaufmann

Der Christkindlmarkt am Marienplatz hat einen ähnlichen Ruf wie das Hofbräuhaus. Es gibt Münchner, die jenes noch nie betreten haben, und die glauben, das Wirtshaus sei eine reine Touristenattraktion. Dieselben ätzen gern, die Atmosphäre auf dem Marienplatz gleiche der eines Bahnhofs, und die Buden mitsamt Touristen stünden dem, der einkaufen muss, nur im Weg.

Für Familien mit Kindern sei der Weihnachtsmarkt in der Residenz viel schöner. Die alternativ Angehauchten gehen aufs Tollwood oder zum Märchenbasar im Viehhof. Der Mittelaltermarkt am Wittelsbacherplatz ist besonders, und am Rindermarkt leuchten die Sterne in den Bäumen so schön. Und was hat der Marienplatz? Gut, den Christbaum. Der heuer ausnahmsweise nicht so aussieht, als hätte sich ein Wildschweinrudel an ihm gescheuert.

Nun ist es ja so, dass sich im Hofbräuhaus allen Unkenrufen zum Trotz durchaus eine lustige Zeit verbringen lässt. Alteingesessene Münchner sind dort Stammgäste, und es sitzen Menschen aus aller Welt da, die sich von bayerischem Brauchtum begeistern lassen, was für Einheimische wiederum spaßig zu beobachten ist, während sie ihre Weißwurst ordnungsgemäß aus der Haut zuzeln und ohne Ketchup essen. Und der Weihnachtsmarkt am Marienplatz?

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"Manchmal haben wir Gäste, die sagen, sie haben hier bei uns ihren allerersten Glühwein getrunken, mit ihren Eltern", sagt Beate Pelzer. Sie steht mit einer Kollegin, dick in Westen eingepackt, in der Bude, die mit "Gregor's Glühwein Treff" überschrieben ist. Neben ihr dampft der Kessel Glühwein, selbstverständlich hausgemacht, ausgeschenkt in Weihnachtsstiefelchen aus Porzellan. Die Bude steht hier seit über 40 Jahren in der Adventszeit.

Seit es den Christkindlmarkt am Marienplatz gibt. Pelzer, Marktfrau durch und durch, hat sie vor 16 Jahren vom Vorpächter übernommen. Ein Gregor schenkt nicht mehr aus, dafür kommen Menschen, die schon vor 40 Jahren hier Glühwein getrunken haben. Münchner, natürlich, auch Stammgäste aus Hamburg, die jedes Jahr zu Besuch kommen. Und die Touristen, die Italiener, die offenbar in jeder Region einen anderen Begriff für "Pfand" haben. Beate Pelzer erklärt den Begriff immer wieder. Es macht ihr nichts aus. Sie hat Spaß mit all ihren Gästen, egal wo sie herkommen. "Das ist mehr Berufung als Beruf."

Tagsüber an Wochentagen bummeln viele ältere Leute über den Markt. Kaufen kleine Strohsterne und Wachsengerl für den Christbaum. Begutachten Werkzeug aus Schokolade, vielleicht ein Mitbringsel für den Enkel? "Mei, ist das schön hier", sagt eine zu ihrer Freundin. Eine Gruppe Rheinländer erkennt eine andere und johlt sich zu, Auszubildende trinken einen frühen Feierabendglühwein. "Wie heißt das auf Italienisch?", fragt einer seine Freundin und deutet auf eine Christbaumkugel. Eine Asiatin verrenkt sich zu lustigen Ballettfiguren vor dem Christbaum für die Smartphone-Kamera ihrer Begleitung.

Der Baum stammt dieses Jahr von der Gemeinde Weiler-Simmerberg-Ellhofen im Allgäu, im Gegenzug darf die Gemeinde im Rathausinnenhof Glühwein ausschenken. Im Innenhof, der unter Münchnern oft als Geheimtipp gehandelt wird, um dem Stadttrubel zu entgehen und gemütlich einen Glühwein zu trinken. Dieses Jahr fühlt sich das Trinken hier ein wenig wie ein Messebesuch an; inmitten jedes Stehtisches schraubt sich aufdringlich ein knallblauer Würfel empor, auf dem Allgäu geschrieben steht. Ein überdachter Flatscreen zeigt Werbebilder aus der Region, die offenbar bekannt ist für Blondinen mit Heidizöpfen, die sich halbnackt in der Heusauna räkeln und auf weiten Wiesen Gänseblümchen zupfen. Wenig weihnachtlich, getrunken wird hier trotzdem.

Theresia Galle verkauft im Herbst Andenken auf der Wiesn, bevor sie in der Vorweihnachtszeit ihren "Bayerischen Puppenbasar" auf dem Marienplatz aufsperrt, seit 30 Jahren. Touristen ist sie in ganz anderen Mengen gewohnt als sie hier über den Platz ziehen. Den Amerikanern gefallen ihre Puppen in Tracht. "Wo die Leute alle herkommen, das glaubt man gar nicht", sagt sie, aus Amerika eben und Asien, aus Spanien, und natürlich viele Italiener. "Sie fotografieren meinen Stand auch gern", sagt sie. Ihr macht das nichts aus, eher macht es sie ein wenig stolz. Und den Marienplatz als Standort würde sie nicht tauschen wollen. "Hier ist einfach das Zentrum. Hier trifft sich alles."

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Hier biegen die Menschen ihren Rücken durch, um den Baum in seiner ganzen Pracht mitsamt Rathaus auf das Bild zu bekommen, für Instagram. München und Weihnachten in einem Bild. Dunkelheit senkt sich herab, und um die Buden wird es voller, lauter. Die Rentner sind nach Hause gegangen, die Feierabendmenschen noch da. Dann klappen die Buden ihre Fensterläden zu, zwei Verkäuferinnen genehmigen sich selbst eine dampfende Tasse voll und eine Zigarette.

Teenagermädchen haben einen Kreis um den Stamm der Tanne gebildet, sie halten sich an den Händen, starren verzückt nach oben in die Lichter und kichern. Vor dem Rathaus steht eine Touristengruppe beieinander, Kameras um den Hals, und halten ihren letzten Glühwein des Abends in den Händen. Sie singen ein Weihnachtslied zusammen, in zarten Stimmen. Die Sprache fremd, die Besinnlichkeit auch so zu hören. Sie stehen dort, mitten in der Stadt, die sie so beseelt, die Stadt und ihr Glühwein, und singen in die Nacht hinein. Menschen, Münchner vielleicht oder nicht, gehen, lächelnd ob des Anblicks, an ihnen vorbei, nach Hause.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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