Münchens OB und die Olympiabewerbung:Wie die Spiele Christian Ude verändert haben

Ironie und intelligenter Spott - damit begegnet Christian Ude stets seinen Kritikern. Bei der Münchner Olympiabewerbung reagiert er hingegen gereizt. Da hört für ihn der Spaß auf. Die Geschichte der Veränderung eines Mannes.

Dominik Hutter, Silke Lode und Christian Mayer

Wie schwierig der Weg hin zu Olympischen Spielen sein würde, hat Christian Ude nicht ahnen können, und vielleicht hat er auch unterschätzt, wie sehr die ganze Bewerbung, die teilweise einer Tortur glich, seine Kräfte in Anspruch nehmen, wie stark die olympische Vision den Realpolitiker fordern würde.

123rd IOC Session Durban 2011

Katarina Witt und Christian Ude in Durban: Für den Münchner Oberbürgermeister war der Weg der Bewerbung beschwerlich.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Diesen einen Satz kann der Münchner Oberbürgermeister bis heute nicht vergessen: "Hier in Garmisch sind alle dafür, Sie müssen nur noch die Münchner überzeugen", das hatten die Skilegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther dem Gast aus München erklärt, der zu Besuch auf ihrer Almhütte war.

Im Jahr 2000 war das, und merkwürdigerweise ließ den Rathausprofi damals sein politisches Gespür im Stich. Denn der Aufstand in Garmisch-Partenkirchen, der freilich viel mit der politischen Gemengelage in der zerstrittenen Marktgemeinde zu tun hatte, markierte die wohl wichtigste Hürde der Münchner Bewerbung. Ude, eigentlich mit diplomatischem Geschick gesegnet, geriet angesichts der oberländischen Gefahr aus der Fassung, bezeichnete die Widerständler rüde als "kleinere Windmaschinen" und den Protest Garmischer Grundstückseigentümer und Umweltschützer als Medienprodukt.

Ähnlich ruppig reagierte er, als Teile der Grünen - gegen den erbitterten Widerstand der Rathaus-Fraktion und des dritten Bürgermeisters Hep Monatzeder - ins Lager der Olympia-Gegner einschwenkten. Der Mann am Marienplatz, der gerne alles unter Kontrolle hat und manchmal zur Autokratie neigt, schäumte vor Wut, weil ihm in Sachen Olympia immer wieder die eigene Ohnmacht, die Grenzen seiner Handlungsspielräume bewusst wurden. Bei Olympia war er eben nur einer im Team, wenn auch die dominante Figur.

Lange Zeit war es ein Wesenszug des Oberbürgermeisters, dass er auf Kritik mit feiner Ironie oder intelligentem Spott reagierte; politische Gegner und Parteifreunde ließ er nach solchen verbalen Attacken oft sprachlos zurück. Wenn das alles nichts half, nahm der rhetorisch brillante Ude Zuflucht in seiner liebsten Nebentätigkeit: Er machte dann aus der Kritik an seiner Politik reines Kabarett - die massiven Probleme bei der Planung einer neuen Fußballarena oder der Bürgerentscheid gegen Hochhäuser fanden Eingang in humoristische Reden und Texte des Oberbürgermeisters und Buchautors.

Beim Thema Olympia, das fällt auf, ist Ude offenbar zu dünnhäutig und innerlich zu angespannt, um der Sache eine heitere Seite abzugewinnen.

Selbst enge Mitarbeiter nahmen während der heißen Bewerbungsphase diesen Wandel besorgt zur Kenntnis: Udes Laune stieg und fiel mit dem aktuellen Zustand der Olympiabewerbung, das Projekt fraß immer mehr Zeit und Nerven. Auf einmal wirkte Ude, der immer so leichthändig auf der Klaviatur der Medien gespielt hatte, sichtlich angefressen.

Das einzige Thema des bekennenden Nicht-Sportlers

Bald gab es kaum noch Veranstaltungen, in denen der einstige Zeitungsredakteur Ude nicht auf die Presse und ihre angeblich aufgebauschten Tendenz-Artikel schimpfte; gelegentlich klang die Gegenkritik wie enttäuschte Liebe. Inzwischen räumt er zu den Garmischer Querelen selbstkritisch ein: "Ich war nicht wirklich gut darauf vorbereitet."

Olympia 2018 ist eben doch nicht nur irgendein beliebiges Thema in der letzten Amtszeit des bekennenden Nicht-Sportlers, der allerdings Eiskunstlauf als "ästhetisches Vergnügen" empfindet. Die Bewerbung um die Winterspiele ist vor allem Udes Kind - obwohl derzeit eher Katarina Witt im Rampenlicht steht. Sie spielt eine maßgebliche, wenn nicht die entscheidende Rolle in Udes aktuellem Arbeitsleben, auch wenn er das selbst immer wieder relativiert.

Die erste Auslandsreise in seiner langjährigen Amtszeit, deretwegen der OB eine Stadtratssitzung schwänzte, war die Olympia-Präsentation in London. Und als der Stadtrat wegen des neuen Hauptbahnhofs einen hochrangigen Bahnvertreter ausbuhte, weilte der Chef des Hauses in Lausanne - bei einer Olympia-Präsentation. Und bekam deshalb auch nicht mit, dass Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle eine Beschlussvorlage gebastelt hatte, die Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der gesamten Stadt vorsah. Ein brisanter Vorstoß, der dem in der Verkehrspolitik eher pragmatischen Ude überhaupt nicht in den Kram passte.

Es ist nicht zu übersehen: Ude genießt die Rolle auf internationalem Parkett ähnlich wie vor einigen Jahren den Sprung auf die Bundesebene, den er als Chef des Deutschen Städtetags machte. Und so zwängt sich der 63-Jährige immer wieder duldsam in seinen weißen München-2018-Anorak - auch wenn seine Frau Edith findet, er sehe darin aus wie das Michelin-Männchen. Die Tage vor seinem Durban-Aufenthalt hat Ude im Krankenhaus verbracht, mit einer schmerzhaften Darmerkrankung. Zu bremsen war er damit nicht.

Das großartige Finale

Ganz gleich, ob München nun den Zuschlag für Olympia bekommt oder nicht: Das Projekt wäre der Höhepunkt des verdienten Lokalpolitikers, der immer schon über die Landeshauptstadt hinaus strahlen wollte. Zwar betont Ude bei allen möglichen Anlässen, sein Schicksal sei keineswegs mit der Bewerbung verknüpft.

Ein großartiges Finale aber wäre Olympia zweifellos. Denn allzu viele markante Architektur-Symbole hat Udes mehr als 17-jährige Regentschaft nicht im Stadtbild hinterlassen. Er selbst nennt gerne - zu Recht - das Jüdische Zentrum am Jakobsplatz, das ihm eine Herzensangelegenheit ist. Zu erwähnen sind noch die Fünf Höfe, die Allianz-Arena und bald die neue Siemenszentrale, aber die hängen in den Augen der meisten Münchner nicht unmittelbar mit Udes Engagement zusammen. Zu den bedeutenden Leistungen seiner Amtszeit zählen Entscheidungen wie die für den Nicht-Verkauf der Stadtwerke und städtischen Wohnungsgesellschaften.

All diese Leistungen müssen künftige Ude-Biografen wohl berücksichtigen, aber sie sind nur auf den zweiten Blick erkennbar - anders als eine Olympia-Hinterlassenschaft. München 1972, dieses Ereignis ist bis heute mit der Person Hans-Jochen Vogel verknüpft, seiner triumphalen Rückkehr aus Rom 1966. Wenn Christian Ude gefragt wird, ob er sich mit den Winterspielen von 2018 ein Denkmal setzen wolle, dann protestiert er mit seinem typischen Ude-Sound, einer sehr akzentuierten Abfolge von druckreifen Sätzen. Ein Denkmal, aber nicht doch!

Wenn man dann allerdings nachbohrt, spürt man doch eine Begeisterung darüber, was alles bei einem Olympia-Zuschlag möglich wäre: Die zweite Stammstrecke würde rascher und mit mehr Zuschüssen aus Berlin kommen, auch beim dringend benötigten Wohnungsbau in der Stadt gäbe es wohl einen Schub, und die Zukunft des darbenden Olympiaparks, eines Vermächtnisses der Spiele von 1972, wäre auf Jahre hinaus gesichert.

Wie eine Großstadt vom olympischen Prestige und der internationalen Beachtung profitieren kann, hat Turin 2006 gezeigt. Als Olympia-OB könnte Christian Ude noch einige wichtige Entscheidungen in der Stadt treffen, sie würden seiner letzten Amtszeit einen Sinn und eine Richtung geben. Ansonsten könnten die letzten Ude-Jahre eher glanzlos ausfallen: als die eines OBs, dessen Zeit allmählich abläuft. Mitsamt dem unvermeidlichen Autoritätsverlust.

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