Christian Springer erklärt an diesem Abend immer wieder, dass es ganz einfach sei. Dass er nur mache, wie er es von seiner Mama gelernt habe: Wenn einer hinfällt, dann hilft man ihm wieder auf. Egal, wie er aussieht, welche Sprache er spricht, welches Geschlecht oder welche Religion er hat. Freilich ist es in der Praxis etwas komplizierter, wenn man gleich einer halben Weltregion wieder aufzuhelfen versucht. Wie das Springer mit der kompletten Zeit und Energie tut, die ihm sein durchaus fordernder Beruf als Kabarettist und Autor übrig lässt. Und das seit mehr als zwölf Jahren.
Am 1. April 2012 hat Springer seinen Verein „Orienthelfer“ eintragen lassen. Um im syrischen Bürgerkrieg Menschen besser helfen zu können, in dem Land, das der ehemalige Semitistik-Student bei vielen Aufenthalten kennen und schätzen gelernt hatte. Aus dem Einzeltäter ist dann schnell ein erstaunliches Netzwerk von Helfern in Deutschland, Syrien, Jordanien und Libanon geworden. Wenn so etwas zehn Jahre hält, darf man schon feiern – leider kam seinerzeit Corona dazwischen. Also kommt die große Gala, für die Thomas Linsmayer „selbstverständlich“ sein Deutsches Theater freigeräumt hat, streng genommen zwei Jahre zu spät. Aber erstens muss man die Feste feiern, wie sie fallen. Zweitens ist es als Benefizveranstaltung ja für einen guten Zweck. Und drittens sieht es leider nicht so aus, als wäre das die letzte Geburtstagsfeier des Vereins.
Eine beachtliche Zahl an Gratulanten reicht am Montagabend auf der Bühne den Stab weiter, schwungvoll, witzig und souverän moderiert von Caro Matzko. Nach dem Willkommensgruß von Thomas Linsmayer spricht der Schirmherr das Grußwort, Oberbürgermeister Dieter Reiter. Später wird auch noch Innenminister Joachim Herrmann dazustoßen und sich so gut und feurig schlagen wie selten. Video-Grüße (aus der Berliner Bahn-Zentrale) gibt’s unter anderem von Ex-Bürgermeisterin Katrin Habenschaden.
Uschi Glas tritt nicht nur als Schauspiel-Institution ans Pult, sondern auch als jemand, der das Ganze aus der Sicht einer ebenfalls erfolgreichen Vereinsgründerin („Brotzeit“, der inzwischen täglich Tausende Schulkindern mit gesundem Frühstück versorgt) einordnet. Die Feuerwehrpräsidenten von München und Beirut sind da, samt Vertretern von einigen der Feuerwehren, die bis heute Dutzende Fahrzeuge und Tonnen von Material gespendet haben.

Freilich haben die „normalen“ Gäste dafür wohl nicht ihre Eintrittskarten gekauft. Sondern für die mindestens so eindrucksvolle Künstlerschar, die anrückt. Springers Kabarett-KollegInnen Willy Astor (am witzigsten), Wolfgang Krebs (als Stoiber, und am tiefsinnigsten), Angela Ascher (am bodenständigsten), Simon Pearce (am plastischsten) und Christoph Süß (am kürzesten). Die Musiker Julia von Miller, Andrea Jörg, Claudia Koreck, Reini Hoffmann (von Haindling) und Tobias Pfülb. Und gleich in Personalunion als Weltklasse-Tubist, Kabarettist und Spendeneintreiber – der aus seiner eigenen Benefizreihe am Waginger See fulminante 50 000 Euro an Springer überreichen kann – Andreas Martin Hofmeir.
Ob aber Politiker, Priester oder Künstler – der Tenor ist bei allen gleich: Respekt vor und Dank für den Mut, die Ausdauer und das ansteckende Vorbild von Springer und seinen Mitstreitern. Der versucht im Gegenzug nicht, witzig zu sein. Stattdessen erklärt er eindringlich, was und warum gemacht wird, was die Orienthelfer machen. Im Großen und Ganzen und pars pro toto: Berührende Geschichten von Ala oder Mohammed (auch im Saal) werden zum Plädoyer für die Einzelfall-Hilfe, die sich angeblich nicht lohnt.
Einzig nicht gewürdigt wird der Zauberer Christian Springer, der aus zweimal 60 Minuten vier Stunden werden lässt. Lustige und mitreißende, aber auch berührende und beschämende. Wie gut geht es uns doch, und wie wenig wissen wir das zu schätzen. Was die vielen freien Plätze im Saal unterstreichen. Wer stattdessen mit Black Week und Weihnachtsgeschenken beschäftigt war, darf nun wenigstens auf die Spendennummer der Orienthelfer zugreifen.