Christian Springer:Kabarettist sucht Naziverbrecher

Der Kabarettist Christian "Fonsi" Springer hat jahrelang die Spur des Nazis Alois Brunner verfolgt. Es ist eine gefährliche Suche, die ihn bis nach Syrien führt. In seinem Buch "Nazi, komm raus" entlarvt der Münchner, wie wenig sich die Behörden anstrengen, den Kriegsverbrecher zu finden.

Florian Fuchs

Christian Springer: "Vielleicht ist Brunner sogar einmal hier gewesen, in diesem Gebäude": Christian Springer stellt sein Buch über die Suche nach dem Kriegsverbrecher vor.

"Vielleicht ist Brunner sogar einmal hier gewesen, in diesem Gebäude": Christian Springer stellt sein Buch über die Suche nach dem Kriegsverbrecher vor.

(Foto: Rumpf)

Er war nie zum Spaß da, aber natürlich nahm er trotzdem nie alles ernst. Christian Springer ist oft nach Damaskus gefahren, er kennt sich aus in der Stadt, und er hatte ein Ziel: Alois Brunner finden, den Helfer von Adolf Eichmann. Nazi-Scherge, nach dem Krieg in Syrien untergetaucht, verantwortlich für den Tod von mehr als 120.000 Menschen. Es ist kein alltägliches Hobby, das sich Springer ausgesucht hat, und ein gefährliches dazu, mit all den Geheimdiensten, versteckten Tonbandaufnahmen und Gesprächen in Hinterzimmern. Aber den ein oder anderen Scherz, den wollte er sich nicht verkneifen. "In arabischen Ländern wird gerne nach den Vornamen der Eltern gefragt, um die Herkunft zu untermauern", erzählt der Kabarettist. Und so heißen sein Vater und seine Mutter in manchen Gegenden Syriens nun "Hänsel und Gretel" und in anderen "Hanni und Nanni".

Christian Springer, das ist eigentlich der Fonsi, der auf dem Oktoberfest grantelt und als Autor für Ottis Schlachthof arbeitet. Am Montagabend hat Springer im Polizeipräsidium sein Buch "Nazi, komm raus" vorgestellt, in dem er seine Suche nach dem Massenmörder auf 260 Seiten nachzeichnet.

"Vielleicht ist Brunner sogar einmal hier gewesen, in diesem Gebäude", sagt der Kabarettist zu Beginn der Lesung. Kann ja durchaus sein, in München, der Hauptstadt der Bewegung. Was Springer sicher weiß: "Ich bin bisher nur einmal im Präsidium gewesen: Am Nockherberg hatte ich zwei Eier auf Franz Josef Strauß geworfen."

Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer, Wirtschaftsreferent Dieter Reiter (SPD) und Löwenbräu-Wirt Wiggerl Hagn sind unter den Gästen, sie müssen mehr als einmal schmunzeln. Aber natürlich ist das kein Klamauk hier, im Gegenteil. Es ist einfach so, dass überbordender Respekt vor der Obrigkeit nicht Springers Sache ist. Wohl deshalb hat er überhaupt den Mut aufgebracht, in Syrien nach einem von der Diktatur gedeckten Nazi zu suchen und auch ein Verhör in einem Polizeikeller zu überstehen.

Und der Kabarettist hat in seinem Buch wie in seinem Vortrag am Montagabend geschafft, was nicht leicht zu schaffen ist: Er prangert in aller gebotenen moralischen Schärfe an, dass ein Massenmörder noch Jahrzehnte nach dem Krieg weitgehend ungestört in Syrien leben kann, obwohl seinen Wohnort jeder kennt. Und Springer schreibt das so leicht auf, auch mit vielen Anekdoten, dass der Leser trotzdem immer wieder lächeln muss.

Springer zieht die Sache durch

Das Ziel seiner Suche, Alois Brunner, kam 1938 zur "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" nach Wien. Fortan ist er der engste Mitarbeiter von Adolf Eichmann, seine Aufgabe ist "die Erledigung der Judenfrage". Noch im Juli 1944 lässt er in Paris mehr als 1300 jüdische Kinder verhaften und deportieren, da ist die Wehrmacht schon auf dem Rückzug. Als der Krieg vorbei ist, taucht Brunner unter, zunächst in Deutschland unter dem Namen Alois Schmaldienst. Im Dachauer Raum fährt er nach Springers Recherchen sogar Lastwagen für die Amerikaner. Als die falsche Identität 1954 auffliegt, flieht er nach Syrien: Nun heißt er Dr. Georg Fischer.

Alois Brunner, 1941

Alois Brunner in einer Aufnahme von 1941.

(Foto: SZ Photo)

Im Jahr 1985 erscheint im Klatschmagazin Bunte ein Interview mit Brunner, dem nach zwei Attentaten ein Auge und vier Finger fehlen. Spätestens da ist der Mann enttarnt. Trotzdem geschieht nichts. Syrien leugnet bis heute, dass der Deutsche je im Land gewesen sei. In Deutschland kursieren Gerüchte, dass der Nazi für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet hat, weshalb er einen gewissen Schutz genoss.

Bewiesen ist das nicht, liest man Springers Buch, fängt man an zu glauben: Mit 21 Jahren reist der Kabarettist, der semitische Sprachen studiert und so sein Interesse für das Land und die Suche nach dem Nazi entwickelt hat, zum ersten Mal nach Syrien. Dort verkabelt er sich und befragt Passanten, Journalisten, Ladenbesitzer und irgendwann sogar Polizisten, was ihm besagtes Verhör einbrachte. Es ist eine ernste Sache, hätten sie ihn mit Mikrofon und Aufnahmegerät erwischt, sie hätten ihn als Spion verhaften können. Aber Springer zieht die Sache durch.

Bei zahlreichen Besuchen fragt er sich bis zur angeblichen Adresse Brunners durch, er findet Besitzer von Kiosken, Wäschereien und andere Einheimische in der Umgebung, die ihm von Brunner erzählen. "Es war zur Sucht geworden", sagt Springer, "natürlich halte ich mich dabei für bekloppt." In Deutschland nervt er Staatsanwälte und Politiker mit seiner Hartnäckigkeit und entlarvt dabei, wie wenig sich die Behörden anstrengen bei der Suche nach dem Kriegsverbrecher. Einmal trifft er dabei Zielfahnder des Bundeskriminalamts, die Brunner angeblich mit Werbebroschüren für Glasaugen locken wollen.

Schließlich nimmt Achmed Khammas, Sohn einer Sekretärin von Hitlers Außenminister Joachim von Ribbentrop, Kontakt mit Springer auf und spielt ihm das Testament von Brunner zu. Angeblich ist der Nazi 2001 gestorben, ob das stimmt, weiß niemand so genau. Springer ist nie bis zu Brunner vorgedrungen, das Buch war ihm trotzdem ein Anliegen. Weil die Sache mit dem Nazi "eine viele Jahrzehnte unter den Teppich gekehrte Sauerei" gewesen sei, schreibt der Kabarettist auf der letzten Seite. "Und gegen eine Sauerei hilft nur eins: Zivilcourage."

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