Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum:Der über sich selbst lacht

Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum: "Das Messer in der Brust" aus der Serie "Tode zum Lachen" von Christian Boltanski im Valentin-Karlstadt-Musäum.

"Das Messer in der Brust" aus der Serie "Tode zum Lachen" von Christian Boltanski im Valentin-Karlstadt-Musäum.

(Foto: Münchner Stadtmuseum; Valentin-Karlstadt-Musäum)

Christian Boltanski war von Karl Valentin so beeindruckt, dass er sich für zwei Jahre gänzlich der Komik verschrieb - und dem Münchner Valentin-Karlstadt-Musäum sein clowneskes Frühwerk schenkte. Nun ist es zum ersten Todestag des französischen Künstlers dort zu sehen.

Von Evelyn Vogel

Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum: "Das Erhängen" aus der Serie "Tode zum Lachen" von Christian Boltanski im Valentin-Karlstadt-Musäum.

"Das Erhängen" aus der Serie "Tode zum Lachen" von Christian Boltanski im Valentin-Karlstadt-Musäum.

(Foto: Münchner Stadtmuseum; Valentin-Karlstadt-Musäum)
Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum: "Das Ertrinken" aus der Serie "Tode zum Lachen" von Christian Boltanski im Valentin-Karlstadt-Musäum.

"Das Ertrinken" aus der Serie "Tode zum Lachen" von Christian Boltanski im Valentin-Karlstadt-Musäum.

(Foto: Münchner Stadtmuseum; Valentin-Karlstadt-Musäum)

Ein Filmabend Anfang der Siebzigerjahre in Paris sollte sein Arbeiten schlagartig für eine gewissen Zeit verändern. Der als "Spurensicherer" bekannte französische Konzeptkünstler Christian Boltanski hatte gemeinsam mit dem befreundeten deutschen Kunsthistoriker Günter Metken eine Karl-Valentin-Retrospektive im Goethe-Institut besucht. Die Filme des Münchner Komikers beeindruckten Boltanski so sehr, dass er sich für etwa zwei Jahre einer radikal anderen Kunst verschrieb: der Komik, dem Absurden, dem Clownesken. Oder wie er später schrieb: "Die Folge war, dass ich meinen eigenen Stil zerstören wollte, ... ich bin nicht der, den ihr zu kennen glaubt, ... und ich werde es euch beweisen, indem ich es ins Clowneske verwandle." Nachzulesen ist dieses Bekenntnis im Katalog zur Ausstellung "Christian Boltanski - Tode zum Lachen", die am Donnerstag zum ersten Todestag des im vergangenen Jahr im Alter von 76 Jahren verstorbenen Künstlers im Münchner Valentin-Karlstadt-Musäum eröffnet wurde.

Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum: Die Puppe "Petit Christian" schuf Christian Boltanski als Alter Ego.

Die Puppe "Petit Christian" schuf Christian Boltanski als Alter Ego.

(Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum)

Filme, Fotografien, Bühnenbilder, Requisiten, Plakate und Plakatentwürfe, persönliche Gegenstände, Schallplatten und die Entwürfe für die Hüllen, Handzettel, Einladungskarten und die kindergroße Puppe "Petit Christian" (das Alter Ego Boltanskis), mit der er in den Filmen agiert - rund 180 Exponate sind hier zu sehen. Vor allem aber ist ein Selbstdarsteller zu erleben, der am meisten über sich selbst lacht - wenn er beispielsweise die verschiedenen Arten der Selbsttötung, eben jene "Tode zum Lachen", vorführt: Erhängen, ertrinken, erstechen, vergiften, erschießen. Herrlich auch, wenn er vermeintliche Kindheitserinnerungen mit dem Großvater, der Mutter, dem Vater darstellt. Alles sprüht vor absurder Komik, durch die hindurch aber immer wieder viel tiefgründige Trauer schimmert.

Kuratiert hat die Ausstellung Sabine Rinberger, Direktorin des Valentin-Karlstadt-Musäums. Und sie hat nicht nur die Bilder, Filme und Objekte ausgestellt, sondern auch versucht, die gedankliche Verbindung zwischen Valentin und Boltanski mit Hilfe von Valentin-Zitaten aufzuzeigen. Das wohl wichtigste, das der Ausstellung auch den Titel gegeben hat: "Wissen S', i kannt scho no lustiger sein, aber des will ma ja net, dass sich die Leut' totlachen!"

Boltanskis Leben war geprägt von der Erinnerung an den Holocaust

Der Tod war im Werk Christian Boltanskis immer präsent, sein Leben geprägt von der Erinnerung an den Holocaust. Der jüdische Vater hatte im von den Nazis besetzten Paris zwei Jahre in einem Versteck im Zwischenboden der eigenen Wohnung überlebt. Ein Trauma, das ein Leben lang auf der ganzen Familie lastete, wie man später durch das Buch "Das Versteck" von Boltanskis Neffen Christoph erfuhr. Als Christian am 6. September 1944 geboren wurde, feierte man in Paris gerade die Befreiung. So gaben ihm die Eltern als zweiten Vornamen "Liberté".

Mit seinen raumgreifenden Installationen sowie Sammlungen und Archiven von Verstorbenen kämpfte Christian Boltanski in seinem Hauptwerk gegen das Vergessen an. Auf Grund dieser Arbeiten nahm er an mehreren Documenta-Ausstellungen in Kassel teil, wurde 2011 eingeladen, den französischen Pavillon auf der Biennale in Venedig zu gestalten, erhielt zahlreiche bedeutende Auszeichnungen in Frankreich, Deutschland und Japan. In München wurden seine Arbeiten 1997 parallel zur Gestaltung der Edition No.46 des SZ-Magazins mit "Verloren in München" im Haus der Kunst gezeigt. 2017 waren aktuelle, inhaltlich tief traurige, aber optisch bezaubernd poetische Videoarbeiten aus der Serie "Animitas" im Espace Louis Vuitton zu sehen.

Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum: Boltanski-Plakat "Der Rasende".

Boltanski-Plakat "Der Rasende".

(Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum)
Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum: Boltanski-Plakat "Der Spaßvogel".

Boltanski-Plakat "Der Spaßvogel".

(Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum)

Das komische, von Valentin inspirierte Frühwerk aus den Jahren 1974 - 75 blieb ein Solitär. Aber auch dieses war in weiten Teilen schon einmal in München zu sehen, im April 1993. Nach der Ausstellung schenkte Boltanski alle Exponate - allen voran die Puppe "Petit Christian" - dem Valentin-Karlstadt-Musäum und machte selbst daraus eine komische Nummer: Die historisch aufgemachte Schenkungs-Urkunde hängt gleich am Eingang zur Ausstellung. Darin bezeichnet er sich "als langjähriger Freund Karl Valentins und gleichzeitig als Schüler dieses Lehrmeisters". Das Dokument trägt nicht nur Boltanskis Unterschrift, sondern ist auch mit dem Vermerk versehen: "Schätzwert: 250.000,-- DM". Groteske des Schicksals: Die Werke des französischen Konzeptkünstlers Christian Boltanski, die auf Archiven von Verstorbenen basieren, dürften nach seinem Tod vermutlich sehr viel teurer geworden sein. Auch das clowneske Frühwerk. Eine städtische Institution wie das Valentin-Karlstadt-Musäum hätte sich ein Archiv dieses Verstorbenen wohl niemals leisten können.

Christian Boltanski - Tode zum Lachen, Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor, Tal 50, bis 15. November, der gleichnamige Katalog, hg. von Sabine Rinberger, ist im Verlag Antje Kunstmann erschienen.

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