Süddeutsche Zeitung

Christen in München:Katholische und evangelische Kirchen verlieren massiv Mitglieder

  • Die christlichen Kirchen verlieren in Bayern weiterhin Mitglieder.
  • Allerdings lassen sich mehr Menschen in den Kirchen trauen und taufen ihre Kinder.
  • Münchens Kardinal Marx will die Zeichen ernst nehmen und sich um neue Konzepte kümmern.

Von Christian Krügel

Die großen Kirchen in München verlieren weiterhin stark an Mitgliedern. 20 282 Katholiken im Erzbistum München und Freising und 5359 evangelische Christen im Dekanatsbezirk haben im vergangenen Jahr ihre Kirche verlassen. Damit fallen die Austrittszahlen zwar etwas niedriger aus als in den Vorjahren.

Im bayern- und bundesweiten Vergleich schneidet München aber noch immer schlecht ab. Keine andere deutsche Diözese verlor so viele Mitglieder wie das Erzbistum. In Bayern sind die Zahlen auch im Bistum Passau bemerkenswert schlecht. Es ist das einzige, das fast gar keinen Rückgang der Austrittzahlen verzeichnen konnte. In ganz Bayern verließen etwa 78 200 Mitglieder die Kirchen, im Vorjahr waren es 85 500.

Münchens Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, kündigte an, den Trend ernst zu nehmen und sich verstärkt um neue pastorale Konzepte und individuelle Seelsorge kümmern zu wollen. Denn offenbar gebe es trotz allem ein großes Interesse an der Kirche und den Sakramenten. Der lässt sich auch statistisch nachweisen: Trotz der vielen Austritte ist im Erzbistum die Zahl der Taufen um 3,6 Prozent auf 14 215 gestiegen, die der kirchlichen Trauungen um 1,3 Prozent auf 3482. Für die evangelische Kirche in München liegen noch keine Zahlen vor, man sehe aber einen ähnlichen Trend.

Beide Kirchen profitieren zudem vom starken Zuzug nach München. Vor allem aus Polen, Ungarn, Kroatien und Italien seien viele Katholiken ins Erzbistum gezogen, so dass deren Gesamtzahl insgesamt nur um rund 7102 auf 1,73 Millionen Menschen sank. Die evangelische Kirche profitiert vor allem von protestantischem Zuzug aus Norddeutschland. Im Dekanatsbezirk München, der ein deutlich kleineres Gebiet als das Erzbistum umfasst, leben 255 008 evangelische Christen.

Die katholische Laienbewegung "Wir sind Kirche" forderte am Freitag angesichts der Zahlen, mit der Zusammenlegung von Pfarreien aufzuhören und sich um bessere Seelsorgearbeit zu kümmern. Kardinal Marx hatte das bereits am Abend zuvor bei seinem Jahresempfang vor 600 Vertretern aus Kirche und Gesellschaft angekündigt: Man müsse sich um eine anspruchsvolle Seelsorge kümmern, "die den unterschiedlichen Lebenswelten der Menschen gerecht werden will".

Erzbistum will sich mehr kümmern

Zudem müsse die Kirche in Zeiten wachsender, nationalistischer Ressentiments unmissverständlich klar machen, dass sie immer auf der Seite der Armen, Schwachen und Geflüchteten stehe. Kardinal Marx kündigte bei dem Empfang in der Katholischen Akademie auch an, dass sich das Erzbistum verstärkt um Wohnungsprobleme und die Zukunft der Stadt kümmern wolle, auch mit eigenen Projekten.

Hans Tremmel, als Diözesanratsvorsitzender oberster Vertreter der Laien im Erzbistum, forderte beim Empfang, "vermeintliche Denkverbote zum Wohle der Gesamtkirche" aufzubrechen. Papst Franziskus selbst habe das Diakonat der Frau ins Gespräch gebracht, also müsse darüber auch diskutiert werden. Tremmel forderte zudem, den Reichtum des Erzbistums sinnvoll einzusetzen und damit ein Zeichen zu geben: Es gehe "nicht um Pfründe und Privilegien für eitle Kleriker", sondern um Verkündigung, Bildung und "das caritative und kulturelle Engagement der Kirche für alle Menschen und nicht nur für die eigene Klientel".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3080875
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.07.2016/vewo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.