Süddeutsche Zeitung

Vorwurf der Schleichwerbung:Wen täuscht Cathy Hummels überhaupt?

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Aus dem Gericht von Stephan Handel

Das Gebäude des Landgerichts München I verfügt über zwei nicht besonders geräumige Aufzüge, und diese Tatsache verschafft am Montag morgen etwa 30 Fotografen und Kameraleuten einen Sprint über die Wendeltreppe in den sechsten Stock: Sie mussten dokumentieren, wie Cathy Hummels das Haus betritt und an der Personenkontrolle ihre Handtasche öffnet. Danach mussten sie schneller als der Lift nach oben rennen, denn abgebildet musste selbstverständlich auch werden, wie Frau Hummels, Influencerin und Bloggerin, im Sitzungssaal 601 Platz am Beklagtentisch nimmt.

Während Fotos von Cathy Hummels sonst bei eher randständigen Anlässen entstehen, zum Beispiel, wenn sie in ihrer Funktion als Ehefrau des Fußballspielers Mats Hummels das Oktoberfest besucht, ist der Grund ihres Erscheinens vor Gericht weniger banal: Der "Verband Sozialer Wettbewerb" hat sie verklagt, weil sie auf ihrem Instagram-Account Werbung für Firmen gemacht haben soll, ohne diese als solche zu kennzeichnen. Das wäre ein klassischer Fall von - verbotener - Schleichwerbung.

Aber so einfach ist es nicht. Hummels nämlich gibt an, für die beanstandeten Posts keine Gegenleistung der jeweiligen Firmen bekommen zu haben, womit die Definition von Werbung aus dem Rundfunkstaatsvertrag schon nicht greife. Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb hingegen geht es zusätzlich um den Begriff der Irreführung - aber auch das führe nicht weiter, wie Monika Rhein sagt, die Vorsitzende Richterin: "Wer wird über was getäuscht?" Die 465 000 Menschen, die dem Account folgen, könnten ja nicht ernsthaft glauben, "dass sie mit Cathy Hummels befreundet sind".

Das Problem ist, dass Hummels auf ihrem Account sowohl tatsächlich Dinge postet, für die sie bezahlt wird, und diese auch so kennzeichnet, daneben aber auch "private" Angelegenheiten, die trotzdem jeder sehen kann. So gibt es ein Foto mit Sohn Ludwig. Weil sie aber sein Gesicht nicht zeigen möchte, hält sie einen blauen Spielzeug-Elefanten davor. Sehr deutlich ist zu erkennen, dass dieser vom bekannten Plüschtierausstopfer Steiff hergestellt wurde. Allerdings ist er ein Geschenk von Tante und Cousine zu Ludwigs Taufe.

Auch Mäntel, Schuhe und Pullis nicht ganz unbekannter Marken hat Hummels nach eigener Aussage selbst gekauft - und wer wollte einer Frau verbieten, ihrer Freude darüber digitalen Ausdruck zu verleihen, dass sie sich Valentino-Schuhe leisten kann?

Nach Hummels Versicherung, für die Nennung der inkriminierten Artikel kein Geld bekommen zu haben, liegt es nun beim Kläger, das Gegenteil zu beweisen. Er hat zwei Wochen Zeit, sich das zu überlegen. Wenn er seine Klage weiterverfolgt, wird dem Gericht nichts übrig bleiben, als beispielsweise die Geschäftsführer der Firmen, um die es geht, als Zeugen zu laden.

Ob es so weitergeht - oder der Kläger aufgibt -, wird das Gericht Ende April verkünden. Als die Verhandlung nach 45 Minuten zu Ende ist, hat Hummels natürlich nichts einzuwenden, beim Verlassen des Gerichtssaals fotografiert zu werden. Denn das Geschäft von Influencern ist nun mal Werbung - und sei es für sich selbst.

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