Trickfilmfestival:Die Helden aus der Schachtel

Trickfilmfestival: Caroline Hamann an ihrem Schreibtisch, wo sie mit ruhigen Händen die Figuren ihre Filmes "Criss Cross! animiert hat.

Caroline Hamann an ihrem Schreibtisch, wo sie mit ruhigen Händen die Figuren ihre Filmes "Criss Cross! animiert hat.

(Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

Die Zeichnerin und Animationsfilmerin Caroline Hamann hat bei vielen internationalen Produktionen mitgearbeitet. Nun organisiert sie mit Hilfe aus dem Kollegenkreis Münchens erstes Trickfilmfestival.

Von Sabine Buchwald

Caroline Hamann kann möglich machen, wovon sie träumt. Wovon vielleicht auch andere träumen. Fantasie, das ist das Zauberwort. Damit geht viel, wenn man Animationsfilmerin ist wie Caroline Hamann. Die 41-Jährige ist aber auch Zeichnerin, Netzwerkerin und Organisatorin von Münchens erstem Trickfilmfestival. Der 11. Juni könnte Spuren hinterlassen im jährlichen Kulturkalender der Stadt. Dieses Mal wird es nur ein Ein-Tages-Festival, angedockt ans Münchner Comicfestival, sein. Hamann fängt klein an. Ihre Beziehungen zu anderen Trickfilmern ermöglichen diesen Tag. "Ich habe noch keine Mittel. Ich kann für die Filme noch nichts zahlen", sagt sie. Aber danach wird sie an die Türen des Kulturreferats klopfen und um Unterstützung werben - wohl nicht nur dort.

Hamann wünscht sich mehr für die kommenden Jahre. Mehr Filme zeigen zu können, überhaupt mehr Aufmerksamkeit für das Genre in der Stadt, vielleicht einen Wettbewerb und die Möglichkeit für Premieren und Uraufführungen. Wenn die Münchnerin etwas will, dann klappt das auch ganz oft, denn sie ist hartnäckig. Vorbilder gäbe es genug: das internationale Trickfilm-Festival in Stuttgart (ITFS) etwa, das heuer sechs Tage lang gedauert hat, oder gar das Festival d'Animation im französischen Annecy, das weltweit größte Festival seiner Art, das parallel zum Münchner Festival am 11. Juni anläuft. Hamann wird an der Seite der Regisseurin Katrin Rothe dort sein. Der Collagen-Film über den deutschen Collagen-Künstler John Heartfield hat in Annecy Weltpremiere.

Am Festivaltag im Werkstattkino aber gibt es nun erstmal 15 Kurzfilme zu sehen, die "allesamt Preise gewonnen haben", wie Hamann sagt. Von 14.30 Uhr an laufen eine Stunde lang Filme für Kinder, um etwa 15.45 Uhr beginnt dann ein Programm nur für Erwachsene. Die Sand-Animateurin Alla Churikova kommt mit ihren Geschichten, Steffen Haas mit seiner animierten Nagetiershow. Matthias Schäfer präsentiert amerikanische Cartoons des "Golden Age", die teilweise 100 Jahre alt sind, und zum Abschluss wird "Alois Nebel" gezeigt, die abendfüllende Adaption der düsteren wie genialen Graphic Novel von Jaromir 99. Frances Jackson vom tschechischen Zentrum in München kommt und wird ein paar einstimmende Worte sprechen. Der Eintritt ist für das alles frei.

"Die Kinder werden verzaubert das Kino verlassen und sehr viel lachen", sagt Hamann. Das hofft sie, nein, das vermutet sie stark, weil sie selbst zwei Kinder hat, im Grundschul- und Kita-Alter. Sie freut sich wahnsinnig, all die Filme zeigen zu können. Die meisten haben eine zweijährige Festivalreise hinter sich. Auch ihr eigener Film "Criss Cross" ist durch die Welt getourt. 50 Termine hat er hinter sich, fast alle zu Corona-Zeiten. Am 29. Februar 2020 hatte er Premiere. Für Hamann war es deshalb kaum möglich, live miterleben können, wie er beim Publikum ankommt.

Sie weiß nicht, ob sie ihren eigen Film zeigt

Wird er auf dem Münchner Festival zu sehen sein? Man stellt ihr diese Frage an einem Vormittag in einem Café in Haidhausen. Zwei Stunden nimmt sie sich Zeit, bevor sie zum nächsten Termin muss. In einer flachen Schachtel hat sie die Helden ihres Filmes mitgebracht. Sie hält es für unbescheiden, ihr eigenes Werk ins Programm aufzunehmen. Sie wolle doch die Kollegen zeigen. Aber wenn nicht für sie selbst, wäre die Vorführung ja auch für Fritz Penzlin, mit dem sie drei Jahre an "Criss Cross" gearbeitet hat, gibt man zu bedenken. "Ein begnadeter Animator. Ein Geschenk, dass er mit mir arbeitet", sagt Hamann über ihn.

Der Gedanke setzt sich fest in ihrem Kopf, sie wird stumm, während sie den Kartondeckel lüpft und die Scherenschnitt-Figuren ans Licht holt. Eine Frau, ein Mann, eine Kuh, etwa so hoch wie ein Din-A-5-Heft, und die LPG 2000. Das ist eine "Wundermaschine", die zum Aufzug werden kann und zum Bohrer, plötzlich eine Greifhand hat, einen Stiefel, eine Baggerschaufel, einen Passstempel. Im Trickfilm ist alles möglich. Es ist eine Liebesgeschichte, es geht um die Überwindung einer Grenze. Es ist eine deutsche Geschichte, aber nicht nur. Man hat Hamann erzählt, dass der Film in Mexiko besonders gut angekommen sei.

Trickfilmfestival: Mit einer feinen Schere, schneidet Hamann die Figuren aus. Arme, Beine und sogar der Zopf der Dame lassen sich bewegen.

Mit einer feinen Schere, schneidet Hamann die Figuren aus. Arme, Beine und sogar der Zopf der Dame lassen sich bewegen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für die Beweglichkeit der Protagonisten aus schwarzem Papier sorgt ein gedrehter Kupferdraht an den Gliedmaßen. Der Film ist in Legetechnik auf einer Glasplatte entstanden, in sogenannter Zweibildweise. Das heißt 24 Bilder pro Sekunde, dafür zwölf Mal minimal verändert, jede Position mit der Kamera aufgenommen. Das macht 5400 Positionen und doppelt so viele Klicks für siebeneinhalb Minuten, nicht am Computer, sondern analog. Penzlin hat die Musik dazu komponiert, Geräusche und Töne verleihen den stummen Figuren bei jeder Bewegung Lebendigkeit.

Wer so arbeitet, braucht unendlich viel Geduld, muss beharrlich und ausdauernd sein wie ein Marathonläufer. Und leidenschaftlich. Alles da bei Hamann. Sie erzählt unaufgeregt, sehr ruhig und klar, wenn es um sie selbst und den Trickfilm geht. Neben ihr entschleunigt sich die Welt.

Hamann ist in München und Newcastle aufgewachsen. Als sie 14 war, zogen ihre Eltern nach England. Nach dem Abitur hat sie in London am Camberwell College of Arts studiert. Auch die ersten Praktika machte sie Anfang der 2000er-Jahre in England. Damals existierten noch gedruckte Register von Trickfilmstudios, sagt sie. Sie habe bei A angefangen, um nachzufragen, ob man sie brauchen könne. "Ich bin da furchtlos", sagt Hamann. Letztlich war es eine Firma mit T, die sie nahm.

Ein Job bei Warner Brothers - sie kann es kaum fassen

Sie landete für sechs Wochen bei Tandem Films, dann kam ein Tipp von einem Kollegen, es bei Warner Brothers in London zu versuchen. Dort wurde gerade "Corps Bride" gedreht. Sie nervte neun Monate lang mit ihren wöchentlichen Anrufen, bis sie vorsprechen durfte. Für vier Wochen wurde sie dann Praktikantin. Danach wollte sie als "Runner" weitermachen, als Mädchen für alles, nur um weiter dabei sein zu können. "Wir können uns dich nicht als Runner vorstellen", hörte sie aber. Doch bevor sich die Enttäuschung in ihr festsetzt, bekommt sie dort einen Job als Animationsassistentin. Hamann kann es kaum fassen. Sie darf sich bei der Tim-Burton-Produktion um die Figuren kümmern, soll die gut 70 Puppen testen und für den Dreh bereithalten. "Da wurde viel ausprobiert, verworfen, neu erfunden. Es war einfach nur schön." Der Film wurde 2006 für den Oscar nominiert.

Trickfilmfestival: Die Arbeit am elektronischen Zeichentisch ist Hamann ebenso vertraut wie Papierarbeit.

Die Arbeit am elektronischen Zeichentisch ist Hamann ebenso vertraut wie Papierarbeit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Danach zog Hamman weiter nach Seoul, Hamburg, Frankfurt, Lodz, Berlin. Sie arbeitete mit an dem Trickfilm "Tomte Tummetott und der Fuchs" bei Trikk17, der 2008 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Sie ist bei Projekten für die "Sendung mit der Maus" dabei und unterrichtet als Dozentin an der Sächsischen Medienakademie. Sie schnuppert auch bei Aardman rein, wo "Shaun das Schaf" und "Wallace und Gromit" produziert werden. "Man kommt viel rum, wenn man von diesem Genre leben möchte", sagt Hamann. Und das möchte sie.

Seit 2014 lebt sie wieder in München. Sie arbeitet nun überwiegend als Illustratorin und Storyboard-Zeichnerin wie jetzt zuletzt für Katrin Rothes animierte Dokumentation über John Heartfield, in der Puppen, Fotos, Zeitungstexte und Aufnahmen von Zeitzeugen einen Film ergeben. Das sogenannte Storyboard ist ein gezeichnetes Drehbuch, in dem die Kameraeinstellungen festgelegt werden. Die Zeichnerin entscheidet, wie die Geschichte in Bilder umgesetzt wird. "Ich habe der Regisseurin sehr lange zugehört, wie sie sich das vorstellt", erklärt Hamann. Am Ende müssen sich alle Beteiligten auf das Storyboard verlassen können. "Eine schöne, große Verantwortung, für die man die Filmsprache beherrschen muss."

Sie hat einen Stammtisch für Münchner Trickfilmer gegründet

In München, sagt Hamann, gebe es viele talentierte Trickfilm-Leute. Viele sichern sich mit festen Jobs bei Verlagen oder Werbeagenturen ihren Lebensunterhalt. Damit man sich findet, austauscht und gegenseitig unterstützt, hat Hamann vor fünf Jahren einen Trickfilmer-Stammtisch gegründet. Alle vier bis sechs Wochen ruft sie ihre Kollegen zusammen. Es ist kein öffentlicher Ort, den sie dafür gefunden hat, aber es gibt einen Beamer dort. "Um das Treffen und das Netzwerk auszuweiten, bräuchte ich Geld", sagt Hamann.

Ihr Lebensunterhalt ist jetzt erst einmal durch ein Stipendium und Fördergeld gesichert. Zusammen mit ihrem Mann und den Kindern geht sie Anfang Juli nach Fukuoka in Japan. Dort wird sie zusammen mit Fritz Penzlin ein neues Projekt beginnen. Ein Film für Kinder über die Krankheit Krebs. Kurz vor dem Festival nochmal ein Anruf bei Hamann. Wird sie ihren Film "Criss Cross" nun zeigen? Ja, sagt sie, und dass sie nervös sei. "Ich bin eigentlich ein introvertierter Mensch."

Das erste Münchner Trickfilmfestival findet am Sonntag, 11. Juni, im Werkstattkino im Hinterhof der Fraunhoferstraße 9 statt. Beginn 14.30 Uhr. www.animationsfilmfestivalmunich.de; das Comicfestival läuft noch bis 11. Juni im Gasteig HP8 und an verschiedenen anderen Standorten in München; comicfestival-muenchen.de.

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