Probleme mit der Legalisierung:Münchner Staatsanwälte kritisieren Cannabis-Gesetz

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Die teilweise Legalisierung von Cannabis stößt bei den Strafverfolgern auf Kritik (Symbolfoto). (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Prävention und Strafverfolgung würden durch die neuen Regeln erschwert, heißt es aus der Behörde – eine Arbeitserleichterung sei dagegen kaum zu erkennen.

Von Martin Bernstein

Viel Arbeit, wenig Ertrag – und in etlichen Aspekten sogar kontraproduktive Ergebnisse: So lässt sich zusammenfassen, wie die Verantwortlichen in der Staatsanwaltschaft München I nach einem Vierteljahr über die Teil-Legalisierung von Cannabis denken. Es sei ja nicht Aufgabe einer Staatsanwaltschaft, über Gesetze zu urteilen, sagte Behördenleiter Hans Kornprobst am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Um direkt anschließend dann genau das zu tun. Für „sehr fragwürdig“ hält Kornprobst manche Auswirkungen des neuen Gesetzes.

„Das leuchtet mir persönlich nur schwer ein“, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt etwa über das Argument, durch die Neuregelung werde die Drogen-Prävention verbessert. Im Gegenteil: Vor dem 1. April habe man strafrechtliche Mittel gehabt, jugendliche Konsumenten zum Besuch einer Beratungsstelle zu zwingen. Diese Möglichkeit gebe es nun nicht mehr.

Auch die Strafverfolgung beim Handel mit Cannabis „im großen Stil und durch kriminelle Organisationen“ sei durch die Herabsetzung des Strafrahmens deutlich erschwert worden. Staatsanwältin Regina Leitner sieht das ähnlich. Sie schilderte die Probleme am Beispiel der Situation im Alten Botanischen Garten. Habe die Polizei dort früher einen Verdächtigen mit Cannabis erwischt, sei es einfacher gewesen, einen Haftbefehl zu erwirken – oder einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung. Dort habe man in vielen Fällen dann weiteres Rauschgift gefunden. Jetzt seien die Hürden für derartige Maßnahmen erheblich höher, auch wenn die Polizei den Verdacht habe, es mit einem Dealer zu tun zu haben.

Für den Cannabis-Schwarzmarkt sieht die Münchner Staatsanwaltschaft „eine Vielzahl begünstigender Faktoren“, die eigentlich angestrebte Eindämmung des illegalen Drogenhandels sei momentan nicht zu erkennen. Im Gegenteil würden große Mengen aus Spanien und den Niederlanden eingeführt, weil sich der Markt vergrößert habe, sagt Kornprobst. „Woher soll es denn kommen?“

Auch die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung der Strafverfolgung sei bestenfalls „punktuell“, kritisieren die für Stadt und Landkreis München zuständigen Staatsanwälte. Der Besitz von Kleinmengen zum Eigenkonsum sei früher zwar zahlenmäßig sehr häufig gewesen. Die allermeisten Fälle seien jedoch nicht vor Gericht gelandet, sondern als Bagatellsachen eingestellt worden.

Dem stehe nun ein hoher Arbeitsaufwand gegenüber, den die Gesetzesänderung mit sich gebracht habe. Mehr als 8000 Altfälle hätten überprüft werden müssen, in mehr als 200 Münchner Fällen waren Neufestsetzungen möglich. „Dafür müssen sie in jede Akte schauen“, sagt Staatsanwältin Leitner. Und so eine Akte könne schon mal den Umfang eines Umzugskartons haben. Dass der Konsum von Cannabis angeblich weniger gefährlich sei als früher – auch das bestreitet die Münchner Staatsanwaltschaft. Das Gegenteil sei der Fall: „Wegen des über die Jahre stetig und massiv gewachsenen Wirkstoffgehalts“ sei Cannabis so gefährlich wie noch nie.

Und es gebe seit dem 1. April „erhebliche Unsicherheiten“, die von höchsten Gerichten erst geklärt werden müssten und die die Strafverfolger derzeit vor große Probleme stellen. So gebe es zwischen der erlaubten Menge Cannabis und der „nicht geringen Menge“, die dann sogar strafverschärfende Auswirkungen habe, nur noch einen kleinen Spielraum.

Was das alles im Hinblick auf das Münchner Oktoberfest bedeutet, darüber will Kornprobst auf Nachfrage nicht spekulieren. Seine Hoffnung: Dort sei der Konsum nach dem bayerischen „Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz“ ja weiterhin verboten. Immerhin etwas, das bleibt, wie es war.

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