Der Stuhlkreis in der kleinen Turnhalle an der Rudolf-Diesel-Realschule ist groß. Viele Schüler sind gekommen. Seit Herbst haben die neunten und zehnten Klassen an einem bayerischen Cannabis-Präventionsprojekt teilgenommen, Workshops besucht und sich viel mit den Gefahren und Risiken von Cannabis sowie anderen Drogen auseinandergesetzt. Nun wollen sie mit Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (FW) über das Projekt diskutieren.
Und das tun sie mit großem Engagement und einem Diskussionsstil, von dem sich so manche Politiker eine Scheibe abschneiden könnten. Sie lassen einander ausreden, trotz unterschiedlicher Meinung. Sie hören einander zu. "Ich finde es sehr interessant und gut, heute die Meinungen von anderen Mitschülern zu hören", sagt der 17-jährige Jamil. Er trägt ein Metallica-T-Shirt, während sich sein Zwillingsbruder Ali sogar in Schale geworfen hat und in einem Anzug in die Neuhauser Schule gekommen ist.

Beide sind sich einig: Drogen sind schlecht. Sie tun der Gesundheit nicht gut und lösen keine Probleme. Auch wenn man traurig sei, nicht mehr weiter wisse, könnte, so sagen die beiden 17-Jährigen, Cannabis "keine Lösung sein". Das sehen die meisten Schülerinnen und Schüler, die an der Diskussion teilnehmen, auch so. Aber ob Abschreckungsbeispiele reichen? Aufklärung über die Risiken? Nein, glaubt eine Schülerin. Sie würde sich wünschen, dass man auch die Ursachen für den Drogenkonsum im Blick habe. Warum nimmt ein Schüler Drogen? "Vielleicht weil er eben traurig ist, Sorgen hat und Kummer."

Seit November 2022 gibt es das Cannabis-Präventionsprojekt an den bayerischen Schulen, das auf zwei Jahre angelegt ist und vor allem in der neunten Klasse stattfindet. Mit 1,6 Millionen Euro finanziert die Staatsregierung das Projekt. "Bislang gibt es bundesweit kein vergleichbares", sagt Kultusminister Piazolo. 110 Schulklassen hätten bereits daran teilgenommen. Die Jugendlichen für die Gefahren von Cannabis zu sensibilisieren, sei ein Ziel.
Das andere: Die Schule sollte, so Piazolo weiter, auch "Dinge vermitteln, die für den Alltag junger Menschen wichtig" seien. Mit diesem Projekt der Debatte um die Legalisierung von Cannabis etwas entgegenzusetzen und davor zu warnen, dass Cannabis gesundheitliche, psychische und soziale Folgen haben könne - das ist Klaus Holetschek wichtig. Ein Wahlkampfthema? So offen wie beide Minister an diesem Tag mit den Jugendlichen diskutieren, scheint es ihnen doch eher ein großes Anliegen zu sein.

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Christoph Gieger, 50 Jahre alt, ist Schulsozialarbeiter von Condrobs an der Rudolf-Diesel-Realschule. Er leitet die Workshops, macht mit den Jugendlichen Rollenspiele, spricht über die Wirkung von Cannabis und anderen Drogen und die gesetzliche Lage. Und führt, wie er sagt, "sehr viele Gespräche". Alles finde in einem geschützten Rahmen statt, nichts von dem, was den Jugendlichen auf dem Herzen liegt, dringe nach außen. Und oft sind die Workshops ein Auslöser. Viele Schüler kämen danach zu ihm in das Schulbüro, hätten viele Fragen, wollten noch viel mehr wissen.
In München steigt der Konsum von Drogen, sagt Patrick Hey, Abteilungsleiter für Prävention und ambulante Angebote für Jugend und Familie bei Condrobs. Prävention ist seiner Meinung nach einer der wichtigste Faktoren. Sie müsse, gerade nach Corona, wieder mehr verstärkt werden. "Wenn wir die jungen Menschen in ihren Lebenswelten abholen können, ist schon viel erreicht."
Das Präventionsprojekt soll schon in der siebten Klasse starten
Die 16-jährige Schülersprecherin Ilona findet das Projekt auch sehr gut. "Ich wusste über Cannabis nichts. Jetzt habe ich mich damit auseinandergesetzt." Und wenn ihre Freundin, die gerade neben ihr steht, Drogen nehmen würde? "Dann", so sagt sie , "würde ich ihr klar meine Meinung sagen, dass Drogen nicht gut sind". Riham, ebenfalls 16, lächelt ihre Freundin an, hat aber noch einen Wunsch. Sie fände es gut, wenn man in den Workshops auch noch erfahren würde, wo man Hilfe bekommen und an wen man sich wenden könne.
Eines ist am Ende der Diskussion klar: Das Präventionsprojekt müsste viel früher starten. Nicht erst in der neunten, sondern schon in der siebten Klasse. Die beiden Minister, begeistert von der so gut geführten Diskussion, haben also eine neue Hausaufgabe. Und diese wollen sie auch machen.

