Der Apotheker
Auch der Apotheker möchte nicht, dass er oder seine Apotheke im Zentrum Münchens namentlich in der Zeitung auftauchen. Zu groß ist die Angst vor Einbrüchen, hat er doch oft medizinisches Cannabis im Tresor gelagert. Etwa zehn Patienten lösen momentan Rezepte bei ihm ein. Immer wieder telefoniert der Apotheker mit Lieferanten und fragt, welche Sorten überhaupt vorrätig sind. Vier bis sechs Wochen dauert es meist, bis Cannabis geliefert wird.
Der Apotheker formuliert es vorsichtig: "Es sieht so aus, als sei der Bedarf unterschätzt worden." Schon zu Zeiten der Ausnahmegenehmigung kam es immer wieder zu Engpässen, doch seit der Gesetzesänderung seien die Lieferschwierigkeiten enorm. Lieferzeiten und Mengen schwankten extrem, auch bekomme er meist nur eine Sorte. Fünf Gramm Cannabisblüten kosten bei ihm aktuell um die 113 Euro. Viele Patienten, die Cannabis über ein Privatrezept beziehen, können sich das auf Dauer nicht leisten. Sie schicken ihr Rezept an eine Apotheke außerhalb Bayerns, die vermutlich einzige im ganzen Land, die medizinisches Cannabis per Post verschickt - zu deutlich günstigeren Preisen.
Die Polizei
Ein 25-Jähriger, der wegen einer ADHS-Diagnose legal kiffen darf, wurde im August stundenlang in einer Münchner Polizeiwache festgehalten. Das Cannabis im Originaldöschen aus der Apotheke bekam er erst vier Wochen später zurück. "Man muss mit Kontrollen leben", sagt Polizeisprecher Thomas Baumann. Schließlich sei Cannabis eine illegale Droge und bei niemandem stehe "Cannabispatient" auf der Stirn. Auch seien Arztbescheinigungen schon benutzt worden, um illegal mit Cannabis Handel zu treiben.
Michael Siefener, Sprecher des bayerischen Innenministeriums, betont, dass Cannabis in erster Linie eine Droge sei und Bayern gut damit fahre, selbst den Besitz kleiner Mengen konsequent zu verfolgen. Daher müssten Patienten hinnehmen, dass Kopien von Rezepten oder Arztbescheinigungen geprüft werden. Ein amtliches Dokument, mit dem sich Cannabispatienten fälschungssicher ausweisen könnten, gibt es nicht.
Die Krankenkassen
"Das Patienteninteresse an Cannabis-Arzneimitteln ist deutlich spürbar", sagt Vedrana Romanovic von der AOK Bayern. Mit vier Millionen Versicherten ist sie die größte gesetzliche Krankenkasse in Bayern, 1300 Anträge auf Kostenübernahme gingen bisher ein. 81 Prozent wurden genehmigt, elf Prozent abgelehnt, die restlichen Anträge sind noch in der Bearbeitung. Wie viele Menschen in Bayern Cannabis zu medizinischen Zwecken einnehmen, ist nicht erfasst. Nicht alle Krankenkassen können Zahlen liefern, die Verordnungen per Privatrezept zählt niemand.
Die meisten Kassen leiten Anträge auf Kostenübernahme an den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) weiter. Der MDK Bayern prüfte seit Ende Juni 1600 Anträge und befürwortete die Gabe von Cannabis in 58 Prozent der Fälle. Bei 13 Prozent lehnte er ab, beim Rest wurde eine Alternativtherapie oder ein neuer Antrag mit anderen Unterlagen empfohlen. Wäre das Gesetz konkreter, wäre der Weg über den MDK häufig nicht nötig, kritisieren auch andere Versicherer. Die Situation sei für alle Beteiligten "sehr unbefriedigend".