Kritik:In der Blase

Ein kluges Stück Musiktheater: Caitlin van der Maas' "Karl im All zu Hause" im Schwere Reiter in München.

Von Egbert Tholl, München

Karl ist allein zu Hause. Dort lebt er wie in einem Anbetungsschrein, liebevoll erbaut von Nanako Oizumi, die Angebetete ist Pamela. Pamela ist gerade bei ihrer Girlband rausgeworfen worden, was nun? Sie könne doch nichts, wisse nichts. Sagt Pamela über sich selbst. Pamela wohnt hier im Schwere Reiter gleich neben Karl, ihre Wohnung ist bedeutend karger. Und auch wenn sie sich nie sehen, bestenfalls die falsch gelieferten Essensbestellungen vor die jeweils andere Wohnungstür stellen, sind ihre Leben eng miteinander verknüpft.

Caitlin van der Maas hat mit "Karl im All zu Hause" ein kluges Stück Musiktheater entworfen. Und dabei ein Riesenpech gehabt, denn ihr Komponist Claas Krause verschwand urplötzlich, zog sich in sein offenbar nicht gut aufgeräumtes Innere zurück und hinterließ halbfertige Soundfiles, die zwar von etwas Großem künden, aber in der vorliegenden Form auch nicht einfach in die Hände anderer Musiker übergeben werden konnten. Aber aus diversen Gründen musste die Produktion jetzt raus - man kann nur hoffen, dass sie eine Wiederaufnahme mit Liveband erleben kann.

Denn auch so ist viel Faszinierendes in diesem Abend. Angelika Krautzberger spielt den Karl, mit perfekt angemaltem Bart und der Langsamkeit, die ein Incel entwickelt, wenn er sechs Jahre seine Wohnung nicht verließ. Karl erfindet im Netz eine neue Karriere für Pamela, weltumspannend, wie man in vielen Videos sieht. Pamela ist Sofieke de Kater, das sympathischste Wesen, das man sich vorstellen kann. Sie entdeckt die eigene Geschichte bei "Peer Gynt", singt fabelhaft in allen Stilen, reflektiert das eigene Dasein, bricht aus ihrer Blase aus, aus der Lügenwolke des Internets, wo nichts stimmt, nur Schein, kein Sein.

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