Münchner Cafés:Die Lizenz zum Kaffeekochen und Bewirten

Das alte Cafe Luitpold

Prachtvoll präsentierte sich das Café Luitpold früher, das heute noch in kleinerer Form existiert.

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Vor 300 Jahren bestimmte in München noch der Kurfürst, wer ein Café eröffnen darf. Seitdem haben sich viele Anekdoten angesammelt - davon erzählt Christine Riedl-Valder in einem Buch.

Von Franz Kotteder

Eines kann man schon mal festhalten: München kommt heute mit 350 Cafés - laut dem Branchentelefonbuch "Gelbe Seiten" - dann doch auf eine deutlich höhere Anzahl derartiger Einrichtungen als Paris. Also, Paris vor gut 300 Jahren. Frankreichs Hauptstadt besaß 1712 nämlich nach amtlicher Zählung rund 300 Etablissements, in denen Kaffee ausgeschenkt wurde. In München waren es etwa zur selben Zeit gerade einmal drei.

Es hat also ein bisschen gedauert, bis sich in München die Kaffeehauskultur durchsetzte. Dabei kamen Adel und Bürgertum hier spätestens seit der Hochzeit von Kurfürst Ferdinand Maria mit Henriette Adelheid Maria von Savoyen 1650 auf den Geschmack. Denn die Prinzessin hatte aus Turin auch italienische Kaffeesieder, wie man den Beruf damals noch nannte, in die Ehe eingebracht. Was daraus erwuchs, das erzählt Christine Riedl-Valder in dem kleinen Band "Caféhäuser in München" mit viel Liebe zum Detail und zur Anekdote. Und weil ein Kaffeehaus unter anderem auch Ausdruck der gesellschaftlichen Zustände einer Zeit ist, gibt es wirklich viel zu erzählen aus den vergangenen 300 Jahren.

Die Lizenz zum Kaffeekochen und Bewirten vergab anfangs der Kurfürst an ehemalige, verdiente Mitarbeiter des Hofes, das kam ihm billiger als eine Rente. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts aber kamen Cafés so richtig in Mode. 1785 eröffnete das erste reine "Zeitungscafé" in der Stadt, in dem es den neuesten Lesestoff gab. "Man war damals der Auffassung", heißt es im Buch, "dass der Cafetier nicht nur für das leibliche, sondern auch für das geistige Wohl seiner Gäste zu sorgen hatte". Ein richtiger Prominententreff aber wurde das Lokal des Schokolateurs Luigi Tambosi am Hofgarten. Das Tambosi war wohl so etwas wie das Schumann's des beginnenden 19. Jahrhunderts, nur war der Chef vermutlich nicht so ein Grantler wie Charles Schumann heute. Jedenfalls loben die Zeitgenossen den Laden in den höchsten Tönen, zum Beispiel der Wiener Komödiendichter Ferdinand Raimund mit den lustigen Reimen: "Beim Hirschen und bei Hahn/ isst man wie ein Gourmand. / Und dann der famosi / Kaffee beim Tambosi."

Von da an ging es jedenfalls bergauf. Die Münchner gingen ins Café, lasen stundenlang Zeitungen oder spielten Billard, über viele Jahrzehnte hinweg die klassische Beschäftigung im Kaffeehaus. Manche gaben gar neben ihrer Wohnung auch ihr Stammcafé als Adresse an. Es ging nicht immer fein zu dort; der Schweizer Literat Victor Tissot bemängelt 1878, dass die Münchner Kaffeehausgäste gebrauchte Zahnstocher einfach wieder an den alten Platz zurücksteckten, und: "Der Rauch ist so dicht, dass man das Hemd wechseln könnte, ohne die Schamhaftigkeit seiner Nachbarn zu verletzen." Da war Tissot wohl am falschen Ort, denn Nichtrauchercafés gab es in der Stadt bereits seit 1840.

Solche Details erfährt man viele in Riedl-Valders Buch. Die Autorin lässt die Zeit der großen Prachtcafés aufleben, mit dem noch heute in kleinerer Form existierenden Café Luitpold. Sie erzählt von der Schwabinger Boheme, die sich in den Kaffeehäusern traf, von den italienischen Eiscafés der Nachkriegszeit bis hin zu den aufkommenden Coffeeshopketten. Zwei davon sind sogar in München gegründet worden, die San Francisco Coffee Company und die Coffee Fellows. Und heute? Erlebt das Café eine Renaissance. "Viele kreative Betreiber", schreibt Riedl-Valder, "eröffneten neue Lokale mit individuellem Ambiente und regionalen, oft hausgemachten Produkten". Es gibt isländische Kaffeekultur im Café Bla in der Lilienstraße, Spielzimmer für Kinder im Café de Bambini in der Marktstraße und das erste Katzencafé Deutschlands, den Katzentempel, in der Türkenstraße. Das Kaffeehaus erfindet sich eben immer wieder neu und ist ein Spiegel des Zeitgeists.

Christine Riedl-Valder: Caféhäuser in München - Geschichte(n) aus drei Jahrhunderten, Verlag Friedrich Pustet, 160 Seiten, 12,95 Euro

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