Süddeutsche Zeitung

Café und Restaurant Museum:Im Bayerischen Nationalmuseum gibt es Kunstwerke auch auf dem Teller

Küchenchef Reimer Röbel schafft es im neuen Restaurant, gehobene Küche zu durchaus angemessenen Preisen zu zelebrieren.

Von Felix Mostrich

Essen im Museum - was in englischsprachigen Ländern seit Langem selbstverständlich, ja in Städten wie London richtig Kult ist, blieb den Besuchern der Museen in Deutschland bislang weitgehend verwehrt. Am drastischsten war die Diskrepanz zwischen kunsthistorischem und gastronomischem Angebot wohl im Bayerischen Nationalmuseum in München, einem der weltweit reichsten Museen für Skulptur und Kunsthandwerk: Dort standen den unermesslichen Schätzen, die in 130 Sälen verwahrt wurden, im zugig-kalten Foyer ein paar schäbige Kaffeehaustischchen gegenüber.

Als aber die Museumsleitung einige der gewölbten Räume im Erdgeschoss für gastronomische Zwecke räumen ließ, konnte das Nationalmuseum plötzlich mit einem großen eleganten Tagescafé, einem noblen Restaurant und draußen im gepflegten sonnigen Gartenhof sogar mit einer aufwendig begrünten Terrasse prunken.

Dieses großzügige gastronomische Ensemble ist im vergangenen Sommer technisch und stilistisch neu ausgestattet, akustisch deutlich verbessert und einem neuen Betreiber übergeben worden. In den unterschiedlich zugeschnittenen, vornehm ausgestatteten Räumen bedient das gut geschulte Team tagsüber die Besucher des Museumscafés. Im Restauranttrakt aber kann Küchenchef Reimer Röbel - er hat in Sternelokalen das Handwerk gelernt - seine international inspirierte Version der gehobenen Küche bei durchaus angemessenen Preisen zelebrieren.

Die Auswahl der auf die Jahreszeit abgestimmten Gerichte ist von schöner Vielfalt. Bei den Vorspeisen gesellt sich zu Lonza, einem luftgetrockneten, seidenzarten Speck, der in einem italienischen Alpental hergestellt wird, etwa eine herzhafte Kartoffel-Lauchsuppe mit Räucherfisch (6,50 Euro), oder aber gegrillter Pulpo mit Avocadocreme und einem Mus aus weißen Bohnen sowie Blattsalat.

Natürlich wird im "Museum" auch mit rohen Materialien gearbeitet. Die Scheiben vom Schwertfisch etwa sind nur sekundenkurz angebraten und kommen mit Topinambur, der hier auffällig mild schmeckt, und würziger Kapernremoulade auf den Tisch. Das fein marinierte Kalbscarpaccio aber ist mit Stücken vom gebackenen Kalbsbries, einem Wachtelspiegelei und Zuckerschoten, die beißfest als Salat angemacht sind, zu einer interessanten Vorspeisen-Komposition vereinigt (15,50).

Gerne zurückgreifen wird man auch auf das wie Risotto zubereitete Pasta-Gericht aus Fregola Sarda, also den kleinen kugeligen Hartweizen-Nudeln aus Sardinien, die bei der Herstellung geröstet werden. Mit gegrillten Fenchelscheiben, Pecorinospänen und einem beigelegten Häufchen aus Olivenkrümeln kann jeder, der das Gericht bestellt, den herbstaromatischen Geschmack nach seinen Vorstellungen variieren (11,50).

Bei den Hauptspeisen hält sich der Küchenchef meist an Bewährtes. Das Zweierlei vom Poltinger Lamm ist inzwischen in vielen bayrischen Restaurants ein Klassiker. Keule und Rücken werden verschieden zubereitet und entwickeln ganz individuellen Geschmack. An unserem Tag waren die Stücke mit gebackenen Auberginenscheiben und gebratenen Shiitake-Pilzen angerichtet (28). Beim Rinderfilet, das wir "englisch" bestellt hatten, bildeten die über das rosig-zarte Fleisch gestreuten groben Salzkristalle die haptisch-geschmackliche Pointe. Aus Spitzpaprika und Zuckerschoten hatten die Köche eine Beilage gezaubert, die beiden Bestandteilen geschmacklich und in der Konsistenz gerecht wurde und doch einen zusätzlichen Reiz entwickelte.

Ganz ähnlich war das Erlebnis, das der makellos frische und perfekt zubereitete Zander bot: In der cremigen Beilage waren die Bestandteile Schwarzwurzel, Stangensellerie und Kartoffel sowohl in ihrer Festigkeit als auch in ihrem Feingeschmack gut zu unterscheiden. Die Fisch-Variante am anderen Tag sah folgendermaßen aus: Das Filet vom Adlerfisch, das auf der Haut knusprig gebraten war, begegnete auf dem Teller einem Klacks Süßkartoffelpüree, einem ausschließlich aus den Blättern von Cime di Rape gekochten spinatgrünen Gemüse und kleinen beißfesten Brocken vom Blumenkohl (25). Der Gaumen wurde also auf vielfältige Weise angeregt und gereizt.

Die Portionen im Restaurant des Bayerischen Nationalmuseums sind so bemessen, dass man nach Vorspeise und Hauptgang die angebotenen Desserts nicht, wie in so manchen Lokalen, erschöpft oder entrüstet ablehnen muss. Die Abstecher in die unterste Region der Speisekarte sind auch durchaus lohnend. Tagsüber, wenn Museumsgäste das Café bevölkern, rücken süße Spezialitäten ohnehin ins Zentrum des Geschehens.

Das karamelisierte Griesflammeri-Brulée mit Sauermilcheis und gezuckerten Erdbeeren dürfte auch Leuten, die als Kinder durch Griesbrei traumatisiert worden sind, schmecken. Und die bestreute "Christbaumkugel" aus Maronen und Schokolade - sie ist außen hart, weiter innen weich und ganz innen flüssig - kann als Kunstwerk des Patisserie-Handwerks gefeiert werden.

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SZ vom 30.11.2017/imei
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