Umweltschutz:"Ein Strohhalm in einem Latte macchiato ist überflüssig"

Umweltschutz: Gut und böse - Café-Betreiber Andreas Berndl mit einer herkömmlichen Plastikverpackung (rechts) und der neuen aus Glas.

Gut und böse - Café-Betreiber Andreas Berndl mit einer herkömmlichen Plastikverpackung (rechts) und der neuen aus Glas.

(Foto: Robert Haas)

Andreas Berndl versucht, das erste plastikfreie Café in München zu etablieren. Ein Gespräch über die Vor- und Nachteile von Glas und den Genuss eines Coffee-to-stay.

Interview von Lea Binzer

37 Kilogramm. So viel Plastikmüll produziert jeder Deutsche im Jahresdurchschnitt. Mit seinen Cafés, den ersten ohne Plastik in München, versucht Andreas Berndl, 49, seit einem Monat, dem entgegenzuwirken. 1998 eröffnete der Diplombetriebswirt die Café-Kette Deli Star mit drei Filialen.

SZ: Herr Berndl, wie viel Plastik haben Sie bislang im Jahr weggeworfen?

Andreas Berndl: Das waren pro Filiale etwa 1000 Müllsäcke mit je einem Kubikmeter Volumen. Damit kann man das halbe Olympia-Schwimmbecken füllen.

Also täglich vier Säcke in einer Filiale.

Da wurde mir das Thema Müll im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt. Durch die Medien bekomme ich fast täglich mit, dass Plastik nicht mehr aus der Umwelt wegzukriegen ist. Wir können nur noch verhindern, dass neues nachkommt.

Wie dachten Sie früher über Plastik?

Ich habe immer den gesamten Energiefußabdruck eines Produktes gesehen. Da ist zum Beispiel eine Papiertüte deutlich schlechter als eine aus Plastik. Zur Papierherstellung wird viel mehr Wasser benötigt als bei der Plastikherstellung.

Aber dann kam das Umdenken.

Ich habe selbst zwei Kinder. Und jeder mit ein bisschen Verantwortungsbewusstsein für die nächsten Generationen muss weg vom Plastik.

Bis vor einem Monat hatten Sie noch Becher, Strohhalme, Besteck und Salatschüsseln aus Plastik.

Seitdem sind wir fast komplett auf Glas umgestiegen, auf Papierstrohhalme und Holzbesteck. Getränke beziehen wir nur noch in Glasflaschen. Und für die Heißgetränke greifen wir auf das Recup-System zurück. Das ist ein Mehrweg-Pfandsystem mit Bechern, die zwar aus Plastik sind, aber bis zu 500 Mal gespült werden. Insgesamt ist das allerdings immer noch nicht der Weg, den ich mir wünschen würde.

Sondern?

Beispielsweise wird das Holzbesteck momentan nach einmaligem Gebrauch noch weggeworfen. Pfandbesteck wäre da eventuell eine Möglichkeit. Am besten wäre allerdings: Die Kunden konsumieren das Produkt vor Ort im Café oder nehmen es mit nach Hause und benutzen ihr eigenes Besteck.

Das machen vielleicht noch nicht viele Kunden mit. Für die Recups, ein Münchner Start-up, existiert ja schon ein Pfandsystem. Wie ist das bei den Gläsern geplant?

Die Recups kaufen wir für einen Euro und erheben darauf einen Euro Pfand. Für die Gläser haben wir ein eigenes Pfandsystem entwickelt: 1,50 Euro auf das Glas plus 50 Cent auf einen wiederverwendbaren Deckel aus einer Kunststoff-Kautschuk-Mischung. Bei der Rückgabe bekommt man dann entweder seine zwei Euro zurück oder eine Ware im Wert von drei Euro, quasi als Belohnung.

"Das Feedback ist zu 90 Prozent positiv"

Gab es Schwierigkeiten bei der Umstellung?

Ein Papierstrohhalm hält nicht stundenlang in einer Flüssigkeit und ist für Heißgetränke gar nicht einsetzbar. Aber ein Strohhalm in einem Latte macchiato ist sowieso überflüssig. Am Anfang habe ich keine Papierstrohhalme gefunden. Neulich ging eine Geschichte durch die sozialen Netzwerke über Starbucks. Die haben angefangen, Papierstrohhalme anzubieten. Allerdings haben sie dann jeden einzelnen Papierstrohhalm wieder in Plastik eingeschweißt, mit mehr Plastik, als sie für einen Strohhalm gebraucht hätten.

Was sagen denn Ihre Kunden zu der Umstellung?

Das Feedback ist zu 90 Prozent positiv. Andererseits kommen unzufriedene Kunden eben einfach nicht mehr, deren Unmut bekomme ich dann wahrscheinlich gar nicht mit. Klar ist, nicht jeder will ein schweres Glas mit sich herumtragen. Plastik ist viel leichter und bequemer. Man schmeißt es eben einfach weg.

Sie haben derzeit neben den Recups noch die üblichen Becher aus kunststoffbeschichteter Pappe als To-go-Becher. So ganz trauen Sie sich also doch nicht.

Bei dieser kompletten Umstellung habe ich tatsächlich die größten wirtschaftlichen Bedenken. Kaffee zum Mitnehmen in Pappbechern ist leider ein riesiges Thema. Wir sind an einem Universitätsstandort, die Studenten wollen es unkompliziert, also nehmen sie Kunststoff. Deshalb zögern wir das noch etwas hinaus.

Was ist mit biologisch abbaubaren Bechern?

Solche Becher, zum Beispiel die aus Maisstärke, wollten wir nicht, weil es sich beim Anbau solcher Produkte wie Mais oft um Monokulturen handelt, wofür Regenwald abgeholzt wird. Auch nicht gut. Außerdem ist es ein Lebensmittel, das wir dann wegwerfen würden.

Ist die Umstellung weg vom Plastik denn rentabel?

Die größte Investition waren 7000 Euro für 4500 Gläser. Die Papierstrohhalme sind zwar viermal so teuer wie die aus Plastik. Aber das fällt nicht sonderlich ins Gewicht. Für den Kunden werden die Produkte nicht teurer. Nur das Pfand kommt eben hinzu. Deutlich höhere Kosten haben wir aber durch die Umstellung der Logistik. Die Frage war vor allem, wie man solche Gläser transportiert. Plastik ist leichter. Wir müssen die Gläser zudem auch einlagern, spülen und vorrätig halten.

Haben Sie bereits weitere Schritte geplant?

Wir wollen auch unsere Zulieferer überzeugen, mit Mehrwegsystemen zu arbeiten. Denn momentan werden wir noch in Plastik beliefert.

Welche Chancen könnten sich denn für die Kunden durch plastikfreie Cafés ergeben?

Dass sich die Leute wieder mehr Zeit nehmen zum Beispiel, den Kaffee hier trinken. Ich glaube auch, dass sich die Verzehrquote vor Ort erhöhen wird und wir somit automatisch weniger Einweggeschirr brauchen. Am besten ist es sowieso, die Leute kommen mit ihrem eigenen Kaffeebecher zu uns. Das wird dann auch mit zehn Cent honoriert. Damit haben wir am wenigsten Aufwand. Denn wir müssen jedes zurückgebrachte Pfandgut aus hygienischen Gründen bei 90 Grad spülen. Der eigene Becher wird aber vermutlich mehrmals verwendet und vielleicht einmal pro Woche in der Spülmaschine bei 45 Grad gespült. Der eigene Becher, das wäre der Königsweg.

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