Theater:Feinde fürs Leben

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Das Kinderprojekt "Butterbrote Besseresser Oper" mit dem Jewish Chamber Orchestra Munich zeigt, wie wichtig Toleranz ist.

Von Anne Fritsch

Der Titel ist ein Zungenbrecher: "Butterbrote Besseresser Oper". Doch so kompliziert der Name, so einfach, ja banal, ist der zugrundeliegende Konflikt: Wie isst man sein Butterbrot? Brot nach oben, sagen die Flauser. Butter nach oben, die Schnauser. Beide sind überzeugt: die eigene Art sei die "einzig richtige". Nun könnte man sich fragen: Ist das nicht völlig egal? Wen stört es, wie herum jemand sein Brot isst? Andererseits: Es stört ja auch nicht wenige, wen oder wie jemand anderes liebt. Wie jemand anderes sich selbst sieht und definiert. Woran einer glaubt oder auf welche Toilette eine geht.

Das Kinderopernprojekt, das jetzt am Münchner Volkstheater als Koproduktion mit dem Jewish Chamber Orchestra Munich Premiere hatte, beschäftigt sich mit dem Streiten, der Provokation und dem Krieg, der im schlimmsten Fall daraus resultiert. Die Komposition stammt von Gustavo Strauss, das Libretto von Nadia Budde, die Künstlerische Leitung hat Daniel Grossmann übernommen, die Regie Sapir Heller. Das partizipative Projekt richtete sich an sozial benachteiligte oder geflüchtete Kinder und Jugendliche. Zwischen sechs und 18 Jahre alt sind die fast 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Mehrere Monate haben sie geprobt, im Orchester, im Chor, auf der Bühne. Unterstützt werden sie von den Profis Nadja Kaiserseder (Mezzosopran) und Daniel Schmitt di Prinzio (Bariton).

"Nur bei uns macht man es richtig", lernen die Kinder in der Schule

Wo in Kinderopern gerne Märchenstoffe dominieren oder große Opern kleingeschrieben werden, wird hier eine originäre und aktuelle Geschichte inszeniert. Gustavo Strauss hat dazu eine große Orchestermusik komponiert, die mal die Sprechgesänge mit Percussion vorantreibt, mal auf klassische Solo- und Orchesterpartien setzt. Die beiden Kindergruppen stehen sich auf der Bühne gegenüber, gekleidet wie die Brote, die sie essen: die einen braune Hosen zu gelben Shirts, die anderen gelbe Hosen zu braunen Shirts. In klaren Szenen wird deutlich, wie Gruppenzugehörigkeit erzeugt wird und mit ihr Feindbilder, wie Indoktrination funktioniert. "Nur bei uns macht man es richtig", lernen die Kinder in der Schule. "Bei denen ist alles verkehrt." Aus Kisten bauen sie eine Mauer zwischen sich auf, sie feuern sich an, steigern sich rein und gehen mit fantasievollen zweidimensionalen Kampfmaschinen aufeinander los. Dass der Vergleich zu den erwachsenen Konflikten und Kriegen dabei allzu klar auf der Hand liegt, ist bitter.

Es dauert, aber zumindest hier kommen nach und nach die richtigen Fragen und Zweifel auf: Ist unsere Art denn wirklich so viel besser? Ist es im Grunde nicht immer ein Butterbrot, wie man es nun dreht? Auch wenn wir in der Realität weit von ihr entfernt sind: Am Ende dieser Aufführung bricht sie an, die "neue Zeit", in der einfach jeder isst, was ihm schmeckt. Ohne eine Doktrin daraus zu machen. Oder gar einen Krieg. Aus der Butterbrot-Frage erwächst eine Utopie der Toleranz und des Miteinanders. Schade, dass dieses tolle Projekt zumindest vorerst nur viermal auf dem Spielplan steht.

Butterbrote Besseresser Oper , noch Di., 8. und Mi., 9. November, 17 Uhr, Volkstheater

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