Bußgeldverfahren gegen Vinzenzmurr:Schweigen und klagen

Warum wehrt sich Vinzenzmurr so vehement dagegen, dass die Stadt über 29 Bußgeldverfahren wegen Hygienemängeln informiert? Das Unternehmen sagt, es will eine "Vorverurteilung" verhindern. So kann jedoch niemand einschätzen, was wirklich passiert ist.

Bernd Kastner

Mit Steaks weiß Markus Brandl umzugehen. Erst vor Kurzem hat er in einer Münchner Zeitung Tipps gegeben, wie man aus einem gereiften Stück Fleisch ein leckeres Mahl zaubert. Natürlich gibt es "Dry Aged Steak" in Brandls Metzgereien, also fast überall in Südbayern, denn Brandl ist einer der Geschäftsführer von Vinzenzmurr. Gar nichts dagegen erfährt man von Vinzenzmurr, wenn man nach der Hygiene im Betrieb fragt.

Zeitung: Hygienemaengel in Grossmetzgerei Vinzenzmurr

Durch Klagen versucht Vinzenrmurr zu verhindern, dass die Stadt Informationen zu einem Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen herausgibt.

(Foto: dapd)

Hier scheint das Rezept zu sein: Schweigen und klagen. Klagen gegen die Stadt München, die dem Unternehmen Verstöße gegen Hygienevorschriften vorwirft und, so sieht es die Vinzenzmurr-Familie, dies zu Unrecht der Süddeutschen Zeitung mitgeteilt hat. Und schweigen gegenüber einer Öffentlichkeit, die gerne wissen möchte, in welcher Dimension sich diese angeblichen Mängel bewegen.

Bei einer Kontrolle von 24 Münchner Filialen Ende März 2011 haben städtische Lebensmittelexperten die mutmaßlichen lebensmittelrechtlichen Verstöße protokolliert. Die 29 Bußgeldbescheide gegen Metzgerei-Verantwortliche sind noch nicht rechtskräftig, die Großmetzgerei will sich dagegen juristisch wehren. Zurück bleiben ratlose Kunden: Sie sind ob der zahlreichen Lebensmittelskandale der Vergangenheit sensibilisiert. Wie ist es bestellt um die Großmetzgerei, die in München mehr als 100 Filialen betreibt und außerhalb der Stadt nochmals gut 170?

Die Familie Brandl, die die Metzgereikette in vierter Generation führt, hätte auf die aktuellen Fragen vorbereitet sein können. Vor knapp eineinhalb Jahren schon haben Zeitungen über die Kritik der Kontrolleure berichtet. Die Geschäftsführung war bis zuletzt sehr bemüht, entsprechende Berichte von damals aus der Welt zu schaffen, sprich: aus dem Internet. Vergeblich. Offen ist nun, wie der juristische Kampf gegen die Bußgeldbescheide ausgeht - diese liegen zwischen 100 und 4800 Euro. Dieses Ringen, bei dem es für die Metzgerei um viel geht, spielte sich bisher im Verborgenen ab. Anhörungsverfahren nennt sich das Procedere, es dauerte eineinhalb Jahre. Allein diese Länge deutet schon auf die Vehemenz hin, mit der die Metzgerei-Anwälte kämpften. Vergeblich, denn das KVR erließ die Bußgeldbescheide.

Auf regelmäßige Anfragen der SZ zum Stand des Verfahrens äußerte sich das KVR erst am Montag vergangener Woche schriftlich. Die Juristen im KVR haben sich jedes Wort überlegt; zu groß ist die Sorge, von Vinzenzmurr womöglich in Haftung genommen zu werden für Rufschädigung und Gewinneinbußen. Was die Stadt zu veröffentlichen wagte, war dann auch sehr vage: "Verstöße gegen Hygienevorschriften", "Aufsichtspflichtverletzungen", aber keine Gesundheitsgefahr und keine Ware im Umlauf, die für den Verzehr ungeeignet ist. 16 lange gereifte, magere Zeilen waren das, die Vinzenzmurr aber gar nicht gefielen.

Tags darauf kündigte die Metzgerei an, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht zu stellen. Man wollte der Stadt strikt verbieten, Informationen über den Verdacht öffentlich zu machen. Das KVR gab fortan überhaupt keine Infos mehr raus, Medienanfragen blieben unbeantwortet.

Von der SZ am Montag vergangener Woche mit den Bußgeldern konfrontiert, erging sich Vinzenzmurr in Schweigen. Am nächsten Tag sagte eine Mitarbeiterin zumindest, dass man nichts sage. Das war am Mittag. Drei Stunden später aber meldete sich eine Dame, die sich als "Kollegin" von Vinzenzmurr vorstellte, als "ehemalige Journalistin", und, wie sie sagte, mal den Kontakt herstellen wollte. Einfach mal reden wollte sie darüber, dass das Familienunternehmen ja keine Pressestelle habe, dass man überfordert sei mit dieser Situation, und dass man eine Vorverurteilung verhindern wolle.

Offenbar hatte die Metzgerei auf die Schnelle eine Krisen-Kommunikatorin engagiert, die ihr Wissen um die richtigen Worte in schweren Zeiten auch schon in Seminaren und Vorträgen kundtut. Die Geschäftsleitung hätte die Externe jetzt über die Krise reden lassen können, über das, was vor eineinhalb Jahren bemängelt wurde und was man seither vielleicht verbessert hat. Die Sprecherin aber betonte, keine Sprecherin zu sein, sie verstehe sich als "Moderatorin" zwischen Firma und Presse. Sprechen wollte oder durfte sie denn auch nicht, nicht einmal ihre Telefonnummer wollte die PR-Frau verraten. Kommunikation à la Vinzenzmurr.

Immerhin verschickte die Geschäftsleitung eine schriftliche Stellungnahme: Darin ist vom "umfangreichen Qualitätsmanagement" die Rede und dass man zum laufenden Verfahren nichts sage. "Wir bitten Sie um Verständnis." Das Unternehmen hat bisher auf Nachfrage nicht einmal verraten, wie viele Mitarbeiter es beschäftigt, von Umsatzzahlen ganz zu schweigen.

In erster Instanz lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gegen die Stadt ab, es folgte eine zweite Stellungnahme der Geschäftsleitung: "Vinzenzmurr stellt sich vor seine Filialen und tritt für seine Qualität ein." Man wolle einer "unzulässigen Verdachtsberichterstattung und der damit verbundenen Vorverurteilung im laufenden Verfahren entgegen" treten. Deshalb Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Vordergründig ist die Strategie der Großmetzgerei erfolgreich. Die Stadt nämlich muss weiter schweigen, weil es der VGH so will: Vor einer endgültigen Entscheidung in zweiter Instanz bitte keine Infos mehr an die Öffentlichkeit.

Ehe der Schlagabtausch am VGH aber so richtig beginnt, muss erst das Verwaltungsgericht seine Entscheidung zugunsten des KVR schriftlich begründen. Das dauert. Entsprechend selten und wenig liest man in anderen Zeitungen über die Hygiene-Vorwürfe. Die PR-Frau von Vinzenzmurr, die keine Sprecherin sein will oder darf, sagte am Mittwoch auf SZ-Anfrage nur, dass es demnächst wieder ein Statement der Geschäftsleitung geben werde, bloß wann das sein wird, das wusste sie nicht zu sagen.

"Bei etwa 90 Grad gute 30 Minuten in den Ofen geben." So geht Markus Brandls Rezept für sein "Dry Aged Steak". Danach ein paar Minuten in die Pfanne, Krautsalat als Beilage, "ansonsten braucht es nicht viel". Ob dagegen das Rezept der Familie Brandl gegen kritische Fragen und Berichte auf lange Sicht den Kunden schmeckt, wird sich zeigen. Der aktuelle Informationsstand lässt viel Raum für Spekulationen, und dieser Zustand dürfte noch eine ganze Weile andauern, Entscheidungen der Justiz sind bisweilen, ehe sie ergehen, gut abgehangen.

So bleibt nicht nur die Frage offen, was genau gefunden wurde in den zwei Dutzend Metzgereifilialen, damals, vor eineinhalb Jahren. Es drängt sich auch die Frage auf, ob die Metzgereidynastie ihr Schweigen und Mauern am Ende nicht viel mehr kostet als es offene, aufklärende Worte tun würden. Auf dem Spiel steht Vertrauen, und dieses Vertrauen ist beinahe unbezahlbar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: