Süddeutsche Zeitung

Burschenschaft Danubia:Was junge Männer in rechte Verbindungen zieht

Die Burschenschaft Danubia wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Zu Unrecht, finden die Mitglieder. Ein Besuch im Haus an der Münchner Möhlstraße.

Von Benjamin Breitegger, Moritz Geier, Christopher Gerards und Josef Wirnshofer

Das Haus, in dem sich Münchens umstrittenste Studentenverbindung trifft, ist in die Jahre gekommen. Ausgeblichene Vorhänge, freigelegte Kabel, ein Riss durchzieht die Wand im Treppenhaus. Es ist kurz nach acht an einem Donnerstagabend Anfang des Jahres, als Anton H., der Sprecher der Burschenschaft Danubia, einen Vortrag beginnen möchte. Doch im Saal vor ihm sitzen nur zwei Burschenschafter. H. greift erst einmal zu seinem Bierkrug.

Wer die Danubia in der Möhlstraße besucht, könnte sie leicht für eine etwas skurrile, aber harmlose Gruppe halten. Doch so einfach ist es nicht. Am Montag hat der bayerische Verfassungsschutz seinen neuen Bericht vorgestellt. Darin taucht auch die Aktivitas der Danubia auf, also die derzeit studierenden Mitglieder, unter "Sonstige rechtsextremistische Organisationen".

Im Bericht heißt es, in der Aktivitas engagierten sich "einzelne Personen, die Beziehungen zur rechtsextremistischen Szene unterhalten oder in der Vergangenheit unterhalten haben". Überdies träten dort "seit Jahren auch Referenten aus dem rechtsextremistischen Spektrum auf." Manche Danuben haben inzwischen in der AfD eine politische Heimat gefunden. Alexander Wolf, Alter Herr der Burschenschaft, also ein ehemaliger Aktiver, sitzt seit 2015 in der Hamburger Bürgerschaft. Benjamin Nolte ist im Bezirksvorstand der AfD Oberbayern.

Was sind das für Menschen, die sich bei der Danubia engagieren? Und wie geht es im Haus zu? Etwa zehn Mitglieder habe die Aktivitas, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Die Burschenschaft selbst spricht eigentlich nicht mit Journalisten, schriftliche Presseanfragen beantwortet sie spät oder gar nicht. Doch im Januar macht sie eine Ausnahme und lässt Journalisten in ihr Haus, zum Vortrag von Anton H.

Über den schweren Holztischen im Gemeinschaftssaal kringeln sich Rauchschwaden. Anton H., weißes Hemd, graue Krawatte, steht vor einer Leinwand, der Titel seines Vortrags: "Student sein in München - ein historischer Rundgang anhand zeitgenössischer Bilder und Dokumente". Irgendwie passt das Ambiente zum Thema. An der Wand hängen verblasste Burschenschaftsfahnen neben verstaubten Pokalen und einem Bismarck-Porträt. Schwere Vorhänge in mattem Rot und Grün verdecken die Fensterfassade, es ist kalt. Den alten Fenstern fehlt die Isolierung.

Inzwischen hören sieben Danuben zu, allesamt uniformiert mit Schärpen und Mützen. H., 27, deutet auf Zeichnungen: studentische Demonstrationen aus dem Jahr 1848, historische Stadtansichten, alte Burschenschafter. Wenn er aus einem historischen Dokument zitiert, verfällt er in den pathetischen Tonfall eines Laiendarstellers. Für neue Mitglieder gehört es zur burschenschaftlichen Probezeit, solche Vorträge anzuhören. Kapitel fünf von H.s Vortrag trägt den Titel: "Student sein in der Hauptstadt der Bewegung". Der Name, den Hitler München als Ehrentitel gegeben hatte, steht da ohne Anführungszeichen.

H. spricht auch über Walther Wüst, Rektor der Universität München während des Zweiten Weltkriegs. Ein "trauriges Schicksal" sei dem Familienvater nach Kriegsende widerfahren, drei Jahre Arbeitslager, die berufliche Zukunft zerstört. "Aber jeder möge da urteilen, wie er will", findet H. Wüst war Professor für "Arische Kultur- und Sprachwissenschaft" und einer der führenden nationalsozialistischen Wissenschaftsfunktionäre. Als die Geschwister Scholl verhaftet wurden, war er beteiligt.

Nachfragen der Zuhörer zu diesen Aussagen gibt es nicht. Mehr als zwei Stunden lang verfolgen sie H.s Vortrag still, bisweilen schauen sie unter den Tischen auf ihre Smartphones. "Gebt Bescheid, wenn ihr die Schnauze voll habt", sagt H. einmal, aber keiner meldet sich. Stattdessen springen die Jüngsten immer wieder auf, um ihm, dem Chef, den Bierkrug aufzufüllen.

Was für ein Weltbild hat der Danubia-Sprecher? Ein paar Wochen später spricht H. am Telefon über den Abend, er sagt, er würde niemals den Nationalsozialismus verharmlosen. Schon die Nachfrage hält er für einen Versuch, die Danubia in eine Ecke zu stellen. Seine Meinung zu Wüst? Da sei er nicht mehr in der Thematik, er wisse nichts über ihn. Hauptstadt der Bewegung? "Okay, hätte man in Anführungszeichen setzen können."

In der Vergangenheit ist die Danubia mehrmals in die Schlagzeilen geraten. 2001 fand in ihrem Haus ein Neonazi Unterschlupf, er hatte in der Nacht einen Griechen halb tot geprügelt. Am nächsten Tag floh der Täter in die Niederlande. Die Danubia behauptet, nichts gewusst zu haben von dem Verbrechen, das der Mann begangen hatte. Und dass ihn ein Angehöriger einer anderen Verbindung ins Haus gelassen habe. Danach begann der Verfassungsschutz, die Danubia zu beobachten.

Auffällig ist, welche Gastredner die Danubia in der Villa an der Möhlstraße in Bogenhausen empfangen hat. Horst Mahler zum Beispiel, den einstigen RAF-Anwalt und späteren Holocaust-Leugner. 2011 kam Jürgen Schwab. Er war mal bei der NPD, stand später dem inzwischen verbotenen Freien Netz Süd nahe. 2014 sollte Martin Pfeiffer auftreten, Vorsitzender der rechtsextremen Gesellschaft für freie Publizistik (GfP). Nach einer SZ-Anfrage zu dem geplanten Auftritt wurde die Veranstaltung abgesagt.

Anton H. sagt: "Wir haben denen kein Podium geboten, sondern diskutiert. Nur weil ich mich mit einer Position auseinandersetze, muss ich mich noch lange nicht mit ihr gemein machen." Auch für die Einseitigkeit in der Auswahl der Gastredner gebe es einen Grund: "Ich hätte gerne Leute aus dem linken Spektrum eingeladen", sagt H., "aber die kommen halt nicht."

Jetzt, zum Beginn des Sommersemesters, ist H. nicht mehr in München zu erreichen, er ist in ein anderes Bundesland gezogen, studiert dort weiter. Schon im Januar hatte er angedeutet, dass seine berufliche Zukunft dort liegen könnte. H. möchte Lehrer werden für Geschichte, Deutsch und Mathematik. In Bayern erklären Bewerber für den Staatsdienst in einem Fragebogen ihre Verfassungstreue. Wer einer als extremistisch oder extremistisch beeinflussten Organisation angehört, muss mit kritischen Nachfragen rechnen. Das kann sogar dazu führen, dass man nicht im Staatsdienst arbeiten darf.

Im Jahr 2005 etwa wurde dem Danubia-Mitglied Sascha J. die Aufnahme in den juristischen Staatsdienst verweigert. H.s Hoffnung: Dass ihm die Mitgliedschaft anderswo keine Probleme bereitet, weil die Danubia nur im bayerischen Verfassungsschutz gelistet ist. H. sagt, er habe sich nichts vorzuwerfen: "Ich habe nie eine Straftat begangen." Der Danubia dürfte er auch nach dem Umzug verbunden bleiben. Eine Burschenschaft gilt schließlich als "Lebensbund".

Warum aber geht jemand wie H. überhaupt zur Danubia? Die Antwort fällt eher dünn aus: Die burschenschaftlichen Werte Freiheit, Ehre, Vaterland teile er, er sieht sie "im Einklang mit der demokratischen Verfassung". Die Frage, warum er der Danubia beigetreten ist, stellt man natürlich auch Arndt N. Der 19-Jährige sitzt an einem kühlen Wintertag vor einem Café in Bogenhausen. N. studiert Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), er trägt eine Ray-Ban-Brille und eine Marco-Reus-Frisur. Und er ist Fux bei der Danubia, so heißt ein Mitglied in der Probephase.

N. ist hineingewachsen ins Milieu: In sechster Generation ist er Verbindungsstudent, auch sein Vater war Danube. "Bei uns gibt es keine ideologischen Scheuklappen, wir reden mit jedem, der mit uns reden will und der uns nicht ablehnt", sagt er. N. weiß um den Ruf der Danubia, aber er sagt: "Ich kann nicht verstehen, warum zehn Leute so staatsgefährdend sein sollen - zumal wir uns politisch absolut zurückhalten: Wir veranstalten keine Demos, wir besetzen keine Hörsäle."

Das mit der Zurückhaltung ist so eine Sache. So schreibt die Danubia etwa auf ihrer Facebook-Seite, zwei ihrer Mitglieder hätten im Januar in Freilassing bei "Wir sind die Grenze" mitdemonstriert. An der Demo nahmen auch Rechtsextremisten teil. Zudem teilt die Danubia Solidaritätsbotschaften für den AfD-Politiker Björn Höcke und Mitteilungen der Identitären Bewegung, die ihrerseits wegen "Verflechtungen mit rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen" im Verfassungsschutzbericht genannt ist.

Und wo verortet N. sich politisch? Hm, das könne er nicht so genau sagen. Er verweist auf das angeblich breite Spektrum der politischen Ansichten bei der Danubia. Es gebe auch SPD-Anhänger. Aber keine NPD-Mitglieder. "Früher hatten wir natürlich welche, auch Republikaner", sagt er.

Derzeit veranstaltet die Danubia keine öffentlich angekündigten Vorträge, auf ihrer Webseite begründen die Burschenschafter das "eingeschränkte Semesterprogramm" mit anhaltenden "Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit unserer Immobilie". Seit einem Jahr schon laufen Renovierungsarbeiten. Vor dem Haus an der Möhlstraße flattert die rot-grün-weiße Danubia-Fahne, aber die Farben sind ein wenig verblasst.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2016/infu
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